Interview: Karl-Heinz Strauss : "Ich sehe darin keine schiefe Optik"

Porr Karl-Heinz Strauss
© Michael Hetzmannseder

SOLID: Geschwindigkeit Herr Strauss ist ein gutes Thema. Ihre Devise ist „Nicht die Großen werden die Kleinen schlagen, sondern die Schnellen die Langsamen“. Wie stehen Sie privat zu Geschwindigkeit?

Strauss: Beim Autofahren werden wir leider behindert.

Fahren Sie denn gern schnell?

Strauss: Ich fahre gerne schnell, wenn es die Straßenverhältnisse erlauben. Ich bin der Meinung, dass sich die Autobahnen in Deutschland und in Österreich nicht unterscheiden. Warum wir in Österreich an vielen Stellen eine Geschwindigkeitsbegrenzung haben und in Deutschland nicht, das verstehe ich nicht.

Im Job ging es bei Ihnen ganz schnell wie auf einer Superautobahn. Wieviel Zeit ist vergangen zwischen dem Tag, an dem Sie gefragt wurden, ob Sie am Porr-Chefsessel Platz nehmen wollen und der Entscheidung?

Strauss: Ich glaube, das waren keine drei Wochen. Die letztendliche Entscheidung fiel innerhalb von 48 Stunden. Das Entscheidende war, als ich die Möglichkeit erhielt meine Anteile an der Porr auszubauen und meine Firma einzubringen - das heißt auch meine Mitarbeiter in die Porr einzubringen.

Was zeichnet Sie als erfolgreichen Projektmanager aus die Position des Chefs des drittgrößten österreichischen Bauindustrieunternehmens zu übernehmen?

Strauss: Man muss vor dieser großen Aufgabe eine große Demut haben. Durch meine Ausbildung als Tiefbauingenieur, meine Tätigkeit als Finanzierungsspezialist in einer Bank, meine Kenntnisse als Projektentwickler – baunahe Porjektentwicklung im Umgang mit hochtechnischkomplexen Gebäuden und im Umgang mit Führungsagneden - waren die Eigentümer der Meinung, dass ich für diesen Job am besten geeignet bin.

Und Sie wurden dann auch überzeugt?

Strauss: Und die Eigentümer haben mich überzeugt. Und heute müssen Sie meine Mitarbeiter fragen, ob sie mit mir glücklich sind oder nicht.

Horst Pöchhacker war 25 Jahre im Vorstand, das Zwischenspiel mit Wolfgang Hesoun dauerte bescheidene dreieinhalb Jahre. Wie lange haben Sie vor, dass Sie hier regieren?

Strauss: Das wird die Zeit zeigen, aber jeder muss einmal anfangen. Auch Herr Pöchhacker hat einmal begonnen.

Sehen Sie sich alt werden mit dem Konzern?

Strauss: In meinem Alter macht man keine großen Zukunftspläne mehr. Aber ich kann mir das durchaus vorstellen.

Sie haben ein riesiges Tempo vorgelegt seit September. Integration der Teerag-Asdag, Neustrukturierung des Konzerns und eine Anleihe. Da wird einem beinahe schwindlig.

Strauss: Das täuscht ein wenig. Wir haben die Dinge alle sehr wohl überlegt, wir haben wirklich einen sehr guten Pool an Mitarbeitern. Das ist wie ein Orchester, das die Instrumente gut spielt, und es nur darum geht richtig zu leiten und anzusagen.

Wohlüberlegt ist manches manchmal nicht. Der Skylink schaffte es innerhalb von sieben Jahren seine Kosten zu verdoppeln. Wie erklären Sie sich das?

Strauss: Ich möchte nicht andere belehren wie das Bauen geht. Zum Skylink fällt mir nur ein: ein falsches Planungs- und Baumanagement von Anfang an. Sonst gar nichts.

Ein Ex-Porr-Leiter von Salzburg ist als Baumanager für den Skylink eingesetzt worden. Es heißt die Porr wird den Innenausbau als Auftrag bekommen. Ist das nicht eine schiefe Optik?

Strauss: Erstens ist noch gar nichts entschieden und es wechseln im Baugeschäft viele Leute die Funktionen. Ich sehe darin keine schiefe Optik. Zweitens ist das ein Bewerbungsverfahren und eine öffentliche Ausschreibung. Da sehe ich keine Veranlassung auch nur den Grundzweifel zu hegen, dass das nicht mit rechten Dingen zugeht. Darauf lege ich größten Wert.

Manches ändert sich ganz langsam. Die Bauwirtschaft hat zwei schwierige Jahre hinter sich. Die Margen sind sehr gering. Was können und wollen Sie tun, um das zu verbessern?

Strauss: Gegen den Wirtschaftszyklus kann man als Unternehmensleiter gar nichts tun. Man muss Dinge zur Kenntnis nehmen und reagieren. Der Zyklus in der Bauindustrie trifft uns im Abschwung nach der Wirtschaft und der Aufschwung hat noch nicht begonnen. Die Stimmungsindikatoren sind schon positiver, aber gleichzeitig leben wir in Zeiten wo es um Budgetkürzungen geht, Projekte werden verschoben und deswegen haben wir die Porr neu aufgestellt. Wir wachsen auf unterschiedlichen Märkten, damit wir in verschiedenen Märkten von Beschäftigungsprogrammen, von Nachzieheffekten und von der gesunden Struktur von Märkten wie in der Schweiz oder in Deutschland profitieren.

Sie haben ein großes, ambitioniertes Umstrukturierungsprogramm bis April vor. Wie Sie hier hergekommen sind, welches Gefühl hatten sie zu dem Unternehmen – wo sind die Stärken, wo sind die Schwächen?

Strauss: Ich habe die Porr in Geschäftsbeziehungen kennengelernt und als Kunde sehr geschätzt. Die Analyse zeigt mir, dass die Porr technisch sicher das beste Unternehmen des Landes ist, dass wir loyoale Mitarbeiter mit langer Betriebszugehörigkeit und ein solides finanzielles Fundament in einer stabilen Aktionärsstruktur besitzen. Die Schwächen der Porr waren auch relativ rasch erkannt. Wir haben zu viele Einzelstrukturen, zu viele einzelne Gesellschaften, die jede für sich gut gewachsen ist und richtig positioniert waren. Jetzt ist die Zeit eine andere. Wir waren überadministriert und manchmal vielleicht etwas unterinformiert – das ändern wir.

Wie ändern Sie diese Schwächen konkret?

Strauss: Wir haben drei Ziele. Einerseits eine flache Hierarchie, klare Organisations- und Ergebnisverantwortung und drittens eine völlig flexible Struktur. Aus den vielen einzelnen Tochtergesellschaften wird eine große Bau Porr GmbH, die einerseits regional aufgestellt wird mit klaren Verantwortungen insbesondere im Flächengeschäft und andererseits eine Spartenverantwortung mit vier verschiedenen Sparten, die wiederum über die Fläche drübergreifen.

Die Teerag-Asdag wurde im Dezember von Ihnen „geschluckt“ – sie gehört zu hundert Prozent zur Porr. Warum reden Sie nicht über den Kaufpreis?

Strauss: Wir reden generell nicht gerne über Zahlen unternehmensintern. Und zweitens war das mit dem Verkäufer vereinbart und wir halten uns an Vereinbarungen. Die Integration der Teerag-Asdag war eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung der neuen Managementorganisation.

Warum bleibt der Name Teerag-Asdag bestehen. Ist es eine so gute Marke?

Strauss: Teerag-Asdag ist in Österreich das Synonym für Straßenbau und das ist der wesentliche Geschäftszweig. Wir sind der Meinung, dass wir auch auf dieses gute Image der Teerag-Asdag nicht verzichten wollen. Dass sich beide annähern werden und dass es hier Vereinfachungen geben wird, diskutieren wir gerade. Es könnte zum Namen der Zusatz „Porr“ dazukommen. Die Teerag-Asdag wird organisatorisch wie die Porr geführt, bleibt aber handelsrechtlich eine eigene Gesellschaft.

Da geben Sie mit Image ein gutes Stichwort. Der Bau hat unbestreitbar ein schlechtes Image. Wie fühlen Sie sich in dem Gewölk an Schmutz, Korruption und Schmiergeldern?

Strauss: Erstens fühle ich mich besonders wohl, weil es eine wirkliche Missinterpretation des Baus ist und dem Gewerk, der Technik und der Kunst des Arbeitens nicht gerecht wird. Der Bau findet sehr öffentlich statt und es geschieht viel viel mehr als von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Wir haben einige schwarze Schafe, das wird aufgebauscht, das wird auf die Branche generell umgelegt und hier ist jeder einzelne Fall zu viel.

Es könnte aber auch die Nähe zur Politik sein, die ein schlechtes Image macht, wie Hans Peter Haselsteiner meint.

Strauss: Durch die Wegnahme der Einzelverantwortung bei den Beamten kann nichts mehr ausgemacht werden, Prozesse gehen bis zu oberstgerichtlichen Urteilen. Der Ermessensspielraum von Spitzenbeamten in Österreich wird durch einseitige Wahrnehmung leider in Misskredit gebracht.

Apropos Misskredit. Die dreisten Schmiergeldforderungen, die lange vor Ihrer Amtszeit stattgefunden haben sollen. Was wissen Sie darüber?

Strauss: Erstens ist die Porr in einem laufenden Verfahren und wir nehmen dazu keine Stellung. Wir sind an einer vollen transparenten Aufklärung völlig interessiert und wirken dort mit Offenheit und Transparenz mit. Die Porr bezahlt nur Rechnungen für die es auch eine Gegenleistung gab. Mehr kann ich zu dieser Causa nicht sagen.

Der Satz die Porr zahlt nur für Gegenleistungen – das ist kommunikativ eine Nullaussage. Sie verstecken etwas oder sagt nichts.

Strauss: Der Satz ist eindeutig. Und der zweite Satz der immer schon folgte, dass wir keine weiteren Stellungnahmen über diese hinaus machen ist auch zur Kenntnis zu nehmen.

Themenwechsel. Ich stelle Ihnen diese Frage, da sie Frauen in Führungspositionen immer gestellt wird. Männern aber selten. Wie vereinbaren Sie Karriere mit Familie?

Strauss: Ohne eine starke Frau im Rücken geht gar nichts. Mein Beruf war immer auch mein Hobby und Teil meines Lebens. Damit ist die Familie immer integriert und meine Kinder sind und waren von Anfang an ins Unternehmertum eingebunden. Das bedeutet Verantwortung sieben Tage die Woche vierundzwanzig Stunden rund um die Uhr. Man kann sich heute nicht herausreden und sagen „Aber es ist doch Samstag, da bin ich nicht im Dienst.“ Das geht nicht. Das wissen meine Kinder. Das weiß auch meine Frau. Wir sind ein gut zusammengeschweißtes Team.

Ihre Arbeit fordert sie sicher mehr als 12 Stunden heraus. Wie entschleunigen Sie sich am besten?

Strauss: Erstens macht mir die Arbeit Spass. Der Stress, der dabei entsteht ist kein negativer Stress sondern ist bis dato positiver Stress. Ich kann in der Sekunde einschlafen, wenn ich möchte. Ich nehme mir die Zeit über Dinge nachzudenken und mich auch einmal mit anderen Dingen als der Porr zu beschäftigen. In der Nacht nehme ich mir die Zeit zu Lesen.

Haben Sie noch Zeit zu schlafen?

Strauss: Ja, wie Sie sehen, ausreichend.

Wie voll sind ihre Auftragsbücher jetzt?

Strauss: 2011 sind die Auftragsbücher sehr gut gefüllt, wir arbeiten schon an den Auftragsbüchern 2012 und 2013 bei großen Projekten. Der Vorteil ist: Wir können uns nach Märkten richten. Wir fokussieren uns auf Länder, wo es Projekte gibt. In anderen Märkten ziehen wir uns zurück, wenn wir sehen, dass die öffentliche Hand weniger investiert oder der private Markt zurückgeht. So ist es derzeit ein bisschen in Österreich. Die Bauindustrie wird hier leichte Rückgänge hinnehmen müssen.

Sie reden nicht gerne über Zahlen, aber welche Zahl ist ihnen die wichtigste Zahl?

Strauss: Es gibt keine einzelne Zahl.

Die Porr hat mit 56,6 Prozent die höchste Verschuldungsquote unter allen Bauunternehmen. Wie lange wollen sie eine solche hohe Verschuldungsquote akzeptieren?

Straus: Das ist nicht vergleichbar. Das ist irreführend. Die Porr konsolidiert in der Bilanz den gesamten Developementteil. Unsere Mitbewerber Strabag und Alpine haben diesen Bereich ausgelagert. Wir sind ein klassischer Baukonzern mit einer nicht kleinen Projektentwicklungskapazität mit Porr Solution und Strauss & Partner. Daraus ergibt sich ein verzerrtes Bild. Man muss Äpfel mit Äpfel vergleichen und Birnen mit Birnen.

Sie haben jetzt auch ein Vorstandsgehalt eingespart. Herr Johannes Dotter geht überraschend. Warum? War das ein Machtkampf?

Strauss: Nein das war überhaupt kein Machtkampf. Die Zusammenarbeit mit dem Herrn Dotter war gut. Dass wir bei einer Restrukturierung den einen oder anderen Mitarbeiter verlieren werden, den wir nicht gerne verloren hätten, das ist einfach so. Ich gaube, dass Herr Dotter auch andere Pläne hatte. Aber es ist kein Auseinandergehen im Streit.

Aber er wird nicht nachbesetzt.

Strauss: Er wird aus heutiger Sicht nicht nachbesetzt.

Wie wichtig wäre es Ihnen eine Frau in der Führungsetage zu holen?

Strauss: In der zweiten Ebene befindet sich erstmalig mit Andrea Hauleitner eine Frau in einer Führungsverantworung. Sie übernimmt die kaufmännische Geschäftsleitung für den gesamten Bereich CEE und SEE. Ich kann nur sagen: Mehr Frauen in den Bau.

Welchen Frauenanteil haben Sie im Konzern?

Strauss: Den gesamten Anteil kann ich Ihnen nicht sagen. Wir haben schon einige gute Technikerinnen, das macht sich schon ein bisschen bezahlt, aber der gesamte administrative Bereich, und das darf man nicht unterschätzen, ist sehr stark in Frauenhand.

Das sind die billigen Arbeitskräfte.

Strauss: Entschuldigung, das sind verantwortungsvolle Dinge. Im kaufmännischen Bereich, im Controlling-Bereich im Rechnungswesen und im Personal. Wir suchen – und das beginnt mit unserer sehr aktiven Lehrlings- und Facharbeiterausbildung – auch Frauen für diese Berufe. Aber dass Bauarbeiter und der Technikberuf kein Frauenberuf ist, das wird sich durch die Porr nicht ändern. Unsere Türen sind offen und wir suchen nach wie vor gute, junge, aktive Mitarbeiter.

Die Eigentümerverhältnisse des Konzerns waren in den letzten Jahren turbulent. Sie meinten vorhin es sei stabil. Aber die Renaissance Gruppe wollte noch ihren Anteil aufstocken. Das ist doch nicht stabil.

Strauss: Es ist so: Wir haben jetzt einen stabilen Aktionärskreis. Die Aktionäre sind mittels Syndikatsvertragsvereinbarung miteinander verbunden - stabil und freundschaftlich. Der Anteil der Renaissance Gruppe ist derzeit auf zehn Prozent begrenzt, sollte die Kooperation in der tatsächlichen Umsetzung der Arbeiten gut funktionieren, dann ist mittelfristig vereinbart, dass der Anteil in zwei bis drei Jahren unter Umständen vergrößert wird.

Sie sind heute 142 Tage im Chefsessel der Porr. Wie schnell ist Ihnen diese Zeit vergangen?

Strauss: Die Zeit vergeht sowieso im Fluge, wenn man zurückblickt. Es macht Spaß. Ich habe noch keinen Tag bereut, dass ich hier bin. Das kann schon noch kommen (lacht) aber bis jetzt nicht.

Karl-Heinz Strauss (50) ist seit 13. September 2010 Chef des drittgrößten, österreichischen Baukonzerns Porr. Der Kärntner absolvierte die Höhere Technische Lehranstalt für Tiefbau, studierte anschließend an der Havard University und der Management Business School in St. Gallen.

Bis zum Jahr 2000 war er in verschiedenen Funktionen bei der Raiffeisen Zentralbank tätig, wo er unter anderem für Bau und Immobilien zuständig war. Mit dem Projektenwicklungsunternehmen „Strauss & Partner“ machte er sich selbständig und war vor allem mit dem Euro Plaza Projekt am Wienerberg sehr erfolgreich.

Privat ist Karl-Heinz Strauss ein Familienmensch. Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder. In der Freizeit liebt er Jagen, Lesen und Reisen, Schifahren und Tennis. Seine Freunde halten ihn für zielstrebig, kommunikativ und neugierig.