Reportage: Firmenzentrale Greiner Group : Heimspiel mit Schauwert
Üppig schießendes Gras, vergnügtes Vogelgezwitscher – im oberösterreichischen Kremsmünster hat sich spürbar der Frühling eingerichtet. Doch nicht nur die Wälder und das malerische Benediktinerstift werden vom lange erwarteten Sonnenlicht umspielt. Ein paar erste Strahlen verirren sich auch schon auf die Baustelle in der Greinerstraße 70. Noch bis Ende des Jahres entsteht hier die neue Konzernzentrale der Greiner Group. Der Kunststoffverarbeiter – zu 100 Prozent im Eigentum der Familie Greiner – beschäftigt weltweit mehr als 7000 Mitarbeiter.
Nach der Neustrukturierung der Holding und einem ambitionierten Wachstumsplan will der Vorstand nun auch der Zentrale neue Impulse verleihen. „Offen und modern wie unsere Unternehmensgruppe“, wünschte sich Vorstand Axel Kühner das Erscheinungsbild des neuen Gebäudes mit 3000 Quadratmeter Nutzfläche und Raum für 70 Arbeitsplätze auf drei Etagen. Das vorliegende Architekturkonzept dürfte dem Auftrag gerecht werden. Bisher waren die Holding-Büros auf mehrere Standorte verteilt. Nicht nur die Wege aller werden nun kürzer. Dank vieler transparenter Flächen setzt sich im 60 Meter langen Neubau die Natur an den Schreibtisch dazu. In der Straßenansicht bleibt das Untergeschoß – auch Gartengeschoß genannt – sogar unsichtbar für Mitarbeiter und angereiste Geschäftspartner.
Die bald schon zu bestaunende Architektur ist très chic – die Baufirmen stellt sie aber auf eine harte Probe. Denn die schwierigen baumeisterlichen Arbeiten für die Arge Strabag-Schmid dauern seit Monaten an. So ist die erforderliche Präzision beim Schalen des extrem kurvenreichen Baus enorm. „Das spornt die Arbeiter aber zu Höchstleistungen an“, freut sich ITAC-Projektleiter Helmut Pospichal. Etwa 20 Mann arbeiten derzeit auf der Baustelle. Der Fortschritt nach gut sechs Monaten ist überall spürbar. Im Untergeschoß kratzt ein Arbeiter gerade eine Betonschlempe ab. Die Decke über ihm ist so gut wie fertig gestellt. „Läuft weiterhin alles nach Plan, ist im Mai der Rohbau finalisiert“, hofft Pospichal.
Atrium mit natürlichem Licht.
In Bewegung setzte sich das Rad im Januar 2010 mit der Ausschreibung eines Architekturwettbewerbs. „Acht Einreichungen gab es“, erinnert sich Projektleiter Helmut Pospichal. Unter den Konzepten war ein würfelähnliches Gebilde und der eine oder andere Winkel. Es setzte sich das Konzept von Architekten aus Steyr durch. Der Siegerentwurf des Büros Schmid+Leitner sieht ein trapezförmiges Untergeschoß mit Veranstaltungssaal und Parkhaus vor. Darauf setzen zwei Geschoße in Dreiecksform mit Büros, Teeküchen und Sanitärräumen auf. Im Grundriss ähnelt dieser Bereich dem Logo der Greiner 1868 Community – einem internen Führungskräftegremium. Die bisherige Zentrale – sie war in der nur wenige Meter entfernten Greiner-Villa untergebracht – wird bald nur noch für Besprechungen genutzt. Eine sieben Meter lange Brücke wird die beiden Gebäude bald schon verbinden.
Zentrales Element des Neubaus ist ein Atrium mit großer Dachlichte. Es lädt zum Kommunizieren ein. Rigipswände mit Holz- und Glaselementen „lassen aber auch Rückzugsgebiete“, betont Architekt Thomas Leitner. Drei große Bäume sollen dem Auge Entspannung bringen. Und einen Kontrapunkt zu den Stützen setzen, auf denen das Gebäude aufsetzt. Dass nur 19 Säulen das Gebäude tragen, sei „ein statisches Highlight“, meint Architekt Leitner. Auf Bauseite forderte dieser Augenschmaus aber seinen Tribut. Aussteifungskerne verleihen dem Gebäude nun die nötige Stabilität. „Im Erdgeschoß errichteten wir dafür eine kleine Archivkammer und einen Haustechnikraum“, berichtet Strabag-Bauleiterin Elisabeth Mittermaier.
Gründen im Grünen.
Im September des Vorjahrs erwachte die Baustelle zum Leben. Arbeiter trugen ein altes Wohnhaus ab. Wenig später nahmen sie die Voraushube in Angriff. 6500 Kubikmeter Erde wurden insgesamt bewegt – „ohne auf Öl oder sonst etwas zu stoßen“, erinnert sich Architekt Thomas Leitner. Im Nu war auch die Baugrube gesichert. Die Arbeiter hielten die Böschungswinkel ein. „Und sie verlegten Bauschutzmatten als Schutz gegen Niederschlagswasser“, erzählt Projektleiter Helmut Pospichal. Sobald eine 35 Zentimeter starke Schicht als Arbeitsniveau eingerichtet war, fiel der Startschuss für die Bodenpfählungen. Ohne die ging es nicht.
Denn Bauprofis übertreiben nicht, wenn sie den Baugrund neben der Krems als wenig optimal bezeichnen. Nach Bodenerkundungen floss der lehmige Untergrund in die Berechnungen des Statikers ein. Mit dem Resultat, dass das Bauwerk auf Pfähle gestellt werden musste. „Denn bauen wollten wir hier unbedingt“, erklärt Pospichal. In einem mehrtägigen Kraftakt rammten die Arbeiter mittels Schneckenbohrer 110 DN90-Ortbetonbohrpfähle in eine Tiefe von bis zu zehn Meter. Das Rüttelstopfverfahren stand zwar in der näheren Auswahl. Hier wird Schotter in den Untergrund einvibriert. „Aufgrund der hohen Punktlasten auf der Bodenplatte schied das Verfahren aber rasch aus“, sagt Pospichal.
Betonieren im Kältehoch.
Erdleitungen, Blitzschutz und Ableitungen für Kanal waren bald an Ort und Stelle. Anfang Dezember starteten dann die Betonierarbeiten. Insgesamt waren es 3210 Kubikmeter Beton. Zunächst wurde das 1200 Quadratmeter große Fundament für den Bereich Allgemeinräume und Büros hergestellt. Zu diesem Zeitpunkt rückte die Schlechtwetterfront schon unaufhaltsam näher. Mitte Dezember – am Tag der Weihnachtsfeier – schleuderte der Wettergott den Arbeitern Schnee und Eisregen entgegen. Mit einer Wucht, dass kaum noch die Bewehrung „zu sehen war“, erinnert sich Strabag-Bauleiterin Elisabeth Mittermaier an die Wetterkapriolen. Auch sie war ganz schön erleichtert, als die Feuerwehr Hilfe anbot. Mit Wasserschläuchen gingen die Einsatzkräfte gegen die immer dicker werdende Schneehaube vor. Damit der Zement schneller abbindet, „setzten wir an den kalten Tagen höherwertige Baustoffe ein“, sagt Mittermaier. Zusätzlich legten die Arbeiter Thermofolien aus.
Kaum besser sah es für den zweiten großen Betonierabschnitt Mitte Dezember aus. Die Temperaturen pendelten sich irgendwo bei minus zehn Grad ein, und der Schneefall riss nicht ab. Deshalb übten sich die Bauleute diesmal in Geduld – und warteten auf etwas besseres Wetter. Bei immer noch nicht sommerlichen Temperaturen stellten acht Mann die zweite Bodenplatte „ohne Zwischenfälle“ her, erinnert sich Mittermaier.
Stützen mit Innenleben.
Heute ist an Schnee nicht mehr zu denken. Die Sonne lässt die Bauhelme blitzen. Seit dem Jahreswechsel arbeiten sich die Arbeiter kontinuierlich hoch. „Zunächst brachten sie mithilfe des Krans die Stahlbetonwände im Untergeschoß in Position“, erzählt Projektleiter Helmut Pospichal. Mit viel Augenmaß justierten die Arbeiter später die ersten von insgesamt 19 Gebäudestützen. Im Untergeschoß führte die Arge die Stützen mit herkömmlichem Ortbeton aus. Ab dem Erdgeschoß kommen aber acht Meter lange Stützen zum Einsatz, Mit ihnen hat es eine besondere Bewandtnis. Sie stoßen ins Obergeschoß durch – sind aber auch ein gefälliger Ersatz für tragende Wände. Wer will, kann dazu im Baucontainer das Verbiegungsmuster des Statikers studieren.
Die Stützen sind 30 Zentimeter stark und aus hochwertigem Beton. Es handelt sich um Schleuderbetonstützen. Dank ihres Hohlraums in der Mitte bringen die Arbeiter darin „auf elegante Weise die Elektroversorgung zu den Zwischendecken“, weiß Pospichal. Auch für den Architekten ist diese Lösung eine optische Freude. „So ersparen wir uns Steig- und Verteilerschächte, die nicht ins Designkonzept passen“, sagt Thomas Leitner. Was dem Betreiber ebenfalls zupass kommt: Der Vorschlag des Haustechnikers wurde gehört. Der regte an, alle Kabelführungen in die Decken zu verfrachten. Damit sind keine Brandmeldeanlagen in den Zwischendecken „mehr erforderlich“, weiß Helmut Pospichal.
Plan – Neuer Plan.
Im Untergeschoß lenkt Pospichal die Blicke seiner Besucher mehrmals nach oben. Der Grund sind die vielen Unterzüge. Sie sollen die Traglast der Decke weiter erhöhen. Aber auch Deckendurchbrüche für die Haustechnik sind zu sehen. Man ahnt es schon: Hier gab es viele Klein-Klein-Arbeiten. Die Bewehrungs- und Schalungsarbeiten meisterten die Baufirmen dennoch vorbildhaft. Im gesamten Bau kommen insgesamt 260 Tonnen Bewehrung zum Einsatz – in der untersten Decke allein sind es 80 Tonnen. Der Schalungsaufwand steht dem in nichts nach. Rund 1200 Deckenstützen und 90 Deckentische wurden aufgebaut. Um nicht den Überblick zu verlieren, musste peinliche Ordnung bei der Baustellenlogistik herrschen. Für die vielen Kurvenscheitelpunkte gab es etwa spezielle Rundschalungen, die extern angefertigt wurden. Sogar bei den Lüftungskanälen waren Sonderanfertigungen erforderlich, um den Rundungen des Gebäudes gerecht zu werden.
Dass es auf Baustellen trotz engen Kostenkorsetts Spielraum für mutige Ideen gibt, bewiesen die Baufirmen auch in Kremsmünster. Die Decke über dem Veranstaltungsraum war ursprünglich als Pi-Plattendecke ausgeschrieben. „Aufgrund der geringen Baumeteranzahl stellten wir sie aber mit etwas Mehraufwand in Ortbeton her“, erzählt Strabag-Bauleiterin Elisabeth Mittermaier. So konnte bares eingespart werden.
Wirksamer Sonnenschutz
Schon in wenigen Tagen wird der fast fertige Rohbau in voller Pracht zu bestaunen sein. Im April – dann, wenn die Decke des Obergeschoßes fertig gestellt wird –, laufen die Betonpumpen noch einmal auf Hochtouren. Mitte Mai erfolgt die Demontage des Krans. Parallel laufen dann „noch einige Zeit Fassaden-, Trockenbau- und Innenausbauarbeiten“, erklärt Projektleiter Helmut Pospichal. 40 Mann werden hier zu Spitzenzeiten auf der Baustelle sein. Bis dahin muss der Bau dicht sein. Noch lauert auf den schlecht beschuhten Besucher manche Pfütze. „Demnächst wird aber die Dampfsperre aufgebracht“, erzählt Pospichal.
Bald werden auch die ersten Fassadengläser in der Sonne glitzern. Hier hat sich der Vorstand stark eingebracht. Die Fassade wird mit einem integrierten Sonnenschutz ausgeführt. Sie vermeidet Blendwirkungen durch die Sonne. „Und die Wärme bleibt verlässlich ausgesperrt“, so Pospichal. Preislich weiß die Lösung ebenfalls zu überzeugen: Nach einer Lebenszyklusberechung durch die Firma Felis amortisieren sich die Mehrkosten gegenüber einer Außenjalousie aufgrund der entfallenen Reinigungskosten „innerhalb von acht Jahren“. Auch dem Architekten gefällt die integrierte Variante besser: „Bei diesen Gebäudehöhen sind Führungssysteme für Jalousien erfahrungsgemäß recht wuchtig“, meint Thomas Leitner. Insgesamt werden die Arbeiter 1100 Quadratmeter Außenglas einhängen. „Schon Anfang April kommen dafür die Unterkonstruktionen“, hat Projektleiter Helmut Pospichal den Liefertermin gedanklich längst abgespeichert.
Durchsichtiges Dach
Eine klare Linie verfolgen die beteiligten Firmen beim Bau des Dachs. Ein 230 Quadratmeter großes, transparentes Foliendach über dem Atrium ist der große Blickfang. Es soll mit einem 1800 Quadratmeter großen Flachdach – die Bauhöhe musste angesichts der Bestandvilla im Rahmen bleiben – eine stimmige Symbiose eingehen. Anfang Mai wird ersteres in Einzelteilen auf der Baustelle angeliefert und dort zusammengebaut. Der Dachmechanismus soll dem Personal in Hinkunft Freude bereiten. Die Innenfolien werden pneumatisch angesteuert. „So beschatten wir den Bauteil effizient“, erklärt Helmut Pospichal.
Das spezielle Dach weiß auch ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. „Im Brandfall ziehen sich die Folien zusammen und die gesamte Öffnung ist Rauchabzugsfläche“, so Pospichal. Gekühlt wird mit einer Kühldecke. Fürs Heizen ist der Fußboden da. Die runde Gebäudeform begünstigt eine gute Energiekennzahl. „Zwei Drittel der Heizenergie sollen rückgeführt werden“, ergänzt Pospichal.
Größere Kinderkrippe.
Trotz des schlechten Wetters im Winter liegen die Baufirmen bestens – und unfallfrei – in der Zeit. Das wird die Arbeiter freuen, die Projektleitung und den Greiner-Vorstand. Aber auch das Kremsmünster Kleinvolk wird freudig zur Rassel greifen. Denn im Zuge des Neubaus der Konzernzentrale wird die Krabbelstube in der Greiner-Villa ausgebaut. Und lässt Eltern schnell bei ihren Kindern sein. Zuletzt fand sich immer mehr spielfreudiger Nachwuchs ein – auch aus der Gemeinde. Nun soll bald Platz für 20 Kinder und Spielzeug sein. Auch die Rutsche wird bald wieder betriebsbereit sein. Sie macht sich gut in Kremsmünsters üppig schießendem Gras.
Baustart: September 2010
Bauende: November 2011
Kosten: 6 Millionen Euro
Bauherr: Greiner Real Estate GmbH, Kremsmünster
Projektleitung: ITAC GmbH, Kremsmünster
Baumeister, Tiefenpfählung: ARGE Greiner Headquarter Strabag-Schmid, Linz
Architektur, Einreichung, künstliche Oberleitung: Schmid + Leitner ZT GmbH, Steyr
Haustechnikplanung: FM Consulting GmbH, Schlierbach
Statik: Bauplan-Service Zauner GmbH, Herzogsdorf
Erdbau, Pflasterung, Trockenbau: Poltinger GmbH & Co KG, Linz
Blitzschutz: Blitzschutz OÖ GmbH, Linz
Glasfassade, Innengläser: Fill Metallbau GmbH, Ried im Innkreis
Liftanlage: ThyssenKrupp Aufzüge GmbH, Linz
Foliendach: Vector Foiltec GmbH, Bremen
Möblierung: Svoboda GmbH, Linz
Stahlbau: FDM Danner Metalltechnik GmbH, Laakirchen
Haustechnik, Lüftung, Sanitär: Waser GmbH, Ried im Traunkreis
Elektro, Zutritt, Beleuchtung: Elektro Kremsmair GmbH, Ried im Traunkreis
Dachdecker, Spengler: Edtbauer-Schmid GmbH, Frankenburg
Zimmermeister: Schmid Bauunternehmung-Holzbau GmbH, Frankenburg
Pflasterungen Granit: Teichbau GmbH, Schlierbach
Gründach, Gärtner Rupert Halbartschlager Garten- und Landschaftsbau GmbH & Co KG, Sierning
Schallschutz: Eurofoam GmbH, Linz