SOLID 05/2018 : Gemeinnütziger Wohnbau in der Zwickmühle
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"Es gibt ein paar Felder - und eine Verbesserung in jedem dieser Felder hilft der gesamten Wohnbaubranche, nicht nur den Gemeinnützigen." Wir sitzen Karl Wurm, dem Obmann der Gemeinnützigen Bauträger, gegenüber und wissen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was wenige Tage später Gewissheit wird: die Wohnbauinvestitionsbank WBIB, mit deren Hilfe man mit einer Bundeshaftung 500 Millionen Euro günstigstes Geld von der Europäischen Investitionsbank EIB lukrieren hätte können, wird nach drei Jahren des Hin und Her, Abklärung mit der Wettbewerbsbehörde der EU und einem dann endlich positiven Beschluss der alten rot-schwarzen Bundesregierung per Selbstauflösung zu Grabe getragen.
Den Vorschlag des Finanzministers, die Bundeshaftung durch Landeshaftungen zu ersetzen, haben die Länder dankend abgelehnt und auch sonst dürfte es im Endeffekt an einigen Interessenskonflikten gelegen sein, dass man sich das Geld weiter am normalen Kapitalmarkt holen muss.
Das klingt in der Niedrigzinsphase noch recht unspektaktulär, aber wenn die Zinsen dann doch einmal steigen sollten (Strabag-CEO Thomas Birtel sieht den Zeitpunkt dafür mit dem Auslaufen des Vertrags von EZB-Chef Mario Draghi 2019 kommen), wird ziemlich sicher weniger laut gelacht. Dazu kommt dann noch das Finanzmarkabkommen Basel 4. Damit wird es für Banken und Bauträger schwieriger, zu finanzieren und sich finanzieren zu lassen.
Bund, Länder, Grundstückspreise, Baupreise - darum kreisen die Probemlagen, die den Wohnbau generell in die Zwickmühle nehmen. Eine Zwickmühle, die immer mehr zum Schwitzkasten wird.
Grundstückspreise nehmen geförderte und frei finanzierte in Geiselhaft
Das Hauptproblem des gemeinnützigen Wohnbaus schlechthin sind bekanntlich die Grundstückspreise in den Ballungsräumen. Wurm: "Da muss einfach etwas passieren und das kann nur über ordnungspolitische Maßnahmen gehen."
Man müsse die Möglichkeit bekommen, dass man Preise beim Verkauf festsetzt. In kleinen Gemeinden, sagt Wurm, wird das schon gemacht, dort gäbe es Widmungsänderungen nur, wenn ein gemeinnütziger Bauträger einen Teil des gesamten Grundstücks zu einem bestimmten Preis bekommt. Warum machen es die Städte nicht, fragen wir? "Weil es verfassungsrechtlich nicht passt. Die Gemeinde oder das Land haben nicht die Kompetenz, in raumordnungspolitische Fragen in dieser Weise einzugreifen. Einen Eingriff in Preise beim Verkauf kann eigentlich nur der Bund machen. Der Bund müsste diese Kompetenzen auf die Länder übertragen." In dem Fall wäre der oft und gern gescholtene Föderalismus von Vorteil, schließlich ist der Grundstücksmarkt regional.
Zentral ist das Problem natürlich in Wien (aber nicht nur, Innsbruck etwa ist laut dem Tiroler Landesinnungsmeister Anton Rieder teilweise in ähnlichen, wenn nicht noch höheren Regionen, allerdings nicht in der Menge) Der Nutzflächenpreis in Wien liegt am Markt derzeit bei weit über 1000 Euro und geht bis zu 1600. Die Grenze für Förderbarkeit der Baukosten liegt dem gegenüber bei ca. 300 Euro/qm Nutzfläche, die weiter verrechnet werden dürfen.
Der einzige Ausweg ist die Hereinnahme von Freifinanzierungen zum Ausgleich - diese müssen dann die Differenz zwischen den 300 Euro und dem tatsächlichen Quadratmeterpreis noch zusätzlich zahlen. Wenn man sich dieses Spiel anschaut, hat das irgendwann Grenzen. Wurm: "Wenn die Grundstückspreise nicht eingedämmt werden, heißt das, dass die Leute, die frei finanzieren, jeden Preis zahlen können müssen. Das können sie aber irgendwann nicht mehr. Und parallel dazu haben diejenigen, die mieten wollen, immer weniger Angebot zur Verfügung, weil es mehr frei finanzierte Wohnungen braucht, um die Förderungsgrenze beim Preis zu schaffen."
Auch für die ganz reichen Investoren hat das Zahlen immer höherer und teils spekulativer Preise ein Ende, weil sie wieder auf die Aktienmärkte ausweichen, wenn sich dort mehr bewegt. "Wir haben auf der einen Seite das Plakat in der Hand: Eigentum ist ganz wichtig, denn es erspart Kosten im Alter - aber wir sind noch nicht so weit, dass wir erkannt haben, dass wir lenkend eingreifen müssen und nicht mehr jeden Preis goutieren, wenn wir das wirklich wollen. Damit behindern wir nämlich Eigentum."
Der oberste Baugewerkschafter Josef Muchitsch schlägt in die selbe Kerbe und wird politisch noch deutlicher: "Die Grundstückspreise für den sozialem Wohnbau sind über die Gemeinden in den Griff zu bekommen. Es bedarf lediglich für die Gemeinden eine gesetzliche Regelung einer rechtskonformen Widmungskategorie für sozialen Wohnbau. Dann sind die Gemeinden am Zug. Ein Jammern ist damit hintanzustellen und das Tun muss folgen. Ein SPÖ-Antrag dazu liegt seit September im Plenum und wurde bis dato von den Regierungsparteien abgelehnt."
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Baupreise steigen wegen Kapazitätsengpässen
Hier kommt das Wechselspiel mit dem Baupreis dazu, wo es nach übereinstimmender Meinung vieler Befragten in den letzten Monaten zu enormen Anstiegen gekommen ist.
Ein Teil davon ist mit Sicherheit der konjunkturellen Überhitzung und ihren Nebenerscheinungen geschuldet, für einen anderen sehen viele Bürokratie und Normen verantwortlich. Ein großes Problem sieht Gemeinnützigen-Obmann Karl Wurm in fehlenden Kapazitäten: "Die großen Generaltunternehmer haben Probleme mit den Subfirmen, denn diese weiten den Personalstand nicht groß aus bzw ist es auch teurer, weil wir ein Lohndumpinggesetz haben. Und Bauarbeiter aus dem Osten kommen zum Teil nicht mehr, weil auch dort viel gebaut und besser bezahlt wird."
Diese Verknüpfung mit dem Lohn- und Sozialdumpinggesetz lässt allerdings Gewerkschafter Muchitsch scharfe Worte finden: "Heißt das: weil es gilt, die richtigen Löhne zu zahlen, wird alles teurer? Na dann hat's aber 13 geschlagen! Mit Lohndumping kalkulieren und Förderungen in Anspruch nehmen darf es nicht geben. Und wenn, dann gehören diese Fälle veröffentlicht."
Normen und verschiedene Geschwindigkeiten
Ein weiterer Klassiker der Problemfelder sind die Normen. Zu viele, zu hoch, zu viel Industrieinteressen dahinter, so heißt es fast unisono bei den Bauträgern und ausführenden Unternehmen. Wurm: "Man muss diese ständige Suche nach neuen Ideen bei der Normung einmal einbremsen. Die wichtigste Aufgabe des ASI (Austrian Standard Institute, Anm.) müsste meiner Meinung nach sein, deutliche Signale dahingehend zu senden, wo überzogen worden ist. Das ist ja wirklich keine Schande!"
So findet Wurm die energetischen Komponenten weit überzogen. "Das bringt oft in der Praxis wenig Einsparung und kostet viel." (siehe dazu unser Gespräch mit Austrotherm-Chef Gerald Prinzhorn auf S. 3 dieses Artikels)
Beim angesprochenen ASI heißt es dazu: "Die von GBV-Obmann Karl Wurm geforderte Initiative gibt es bereits – schon seit 2015. Es ist das von Austrian Standards International gemeinsam mit der Bundesinnung Bau gegründete Dialogforum Bau Österreich. Bisher haben sich rund 400 Personen und Organisationen aus allen Bereichen der Baubranche aktiv beteiligt. In fünf konkreten Arbeitspaketen sind Ergebnisse derzeit in Umsetzung."
Ein großes Anliegen der GBV ist in diesem Zusammenhang die Einführung unterschiedlicher Niveaus. "Wenn es um Sozialleistungen geht, beginnen wir zu diversifizieren - mit allem Für und Wider. Im Baubereich ist beim Wohnbau das Teuerste überall gerade gut genug. Das geht nicht mehr. Es dürfen nicht die billigen Projekte die ganz teuren quer subventionieren." Kann man das regeln, fragen wir? Wurm: "Die Akteure am Bau wissen sehr genau, was wieviel wert ist. Wenn man sich in Zukunft auf Kostenwahrheit verständigt und diese auch der Wohnbauförderung erklären kann, ist das ohne große Regeln machbar. Solche Regeln werden ja sowieso wieder nur umgangen."
Ein städtebaulicher Vertrag ist eine Einzelvereinbarung zwischen der Stadt und einem Bauträger und bedeutet prinzipiell, dass zukünftige Bewohner Infrastrukturmaßnahmen zahlen. Planungsstadtrat Christoph Chorherr von den Grünen: "Dabei wird im Zuge der Widmung festgelegt, dass der Bauträger bestimmte Infrastrukturdinge zu erledigen hat - Kindergarten, Schule, Verkehrseinrichtungen. Die Stadt kann sich dabei aber ja nur auf gesetzliche Möglichkeiten berufen. Leistbares Wohnen und Klimaschutz sind daher nur dann gut in den städtebaulichen Verträgen zu verankern, wenn es auch als Ziel in der Bauordnung steht. Einige wenige kluge Bauträger vereinbaren auch, dass Zahlungen im Zuge von städtebaulichen Verträge grundstückspreismindernd sind."
Noch-Wohnbaustadtrat (zum Zeitpunkt der Präsentation der Bauordnung) Michael Ludwig ist dabei "wichtig, dass da auch über die verschiedenen Ressorts hinweg koordiniert wird. Es gibt natürlich viele Wünsche, die an die Bauträger heran getragen werden, und die müssen deren Erfüllung natürlich an die Bewohner weiter verrechnen. Es ist daher wichtig, dass wir stärker fokussieren und präzisieren, wo die vorrangigen Ziele liegen."
Dabei wird es unter anderem auch um die Mobilisierung von Bauland gehen, ein "rechtlich sehr komplexes Thema, das noch nicht fertig begutachtet ist."
SOLID: Die ganze Baubranche hat derzeit das große Thema, die Aufträge gar nicht bewältigen zu können. Wie geht es ihnen damit?
Gerald Prinzhorn: Es fehlt einfach das qualifizierte Personal und da müssen wir auch selbst wieder ausbilden, damit wir die richtigen Leute bekommen. Aber der Bedarf an höherwertigem und energieeffizientem Wohnraum ist da - und wenn er jetzt nicht realisiert wird, dann später. Die Projekte werden ja nicht abgesagt, sondern höchstens später fertig gestellt.
Und wir haben die Energieeffizienzziele, die umgesetzt werden müssen. Damit haben wir einen guten mittelfristigen Ausblick.
Sehen sie für Austrotherm da eher im Neubau das Thema oder in der Sanierung?
Prinzhorn: In beidem. Die Sanierung hat in den letzten Jahren eher geschwächelt, aber wir hoffen da auf frischen Wind durch die CO2-Ziele und die neugewählte österreichische Regierung, die viele Dinge sehr pragmatisch anpackt.
Wenn wir über den gemeinnützigen Wohnbau sprechen, sind dort die Energiestandards ein großes Thema - allerdings eher in der Form der Frage, ob da nicht manchmal übertrieben wird und die Grenzkosten den Grenznutzen überwiegen.
Prinzhorn: Dämmung hat eine sehr kurze Amortisationszeit und man darf nicht vergessen, dass man dadurch nicht nur die laufenden Betriebskosten reduziert, sondern auch den Wert der Substanz erhöht und das Wohnklima entscheidend verbessert. Aber natürlich muss man die optimale Dämmstärke individuell berechnen, man darf es auch nicht übertreiben. Eine optimale Dämmung hilft am Ende jedem: der Mieter reduziert seine Betriebskosten bei kaum verändertem Mietzins und der Gemeinnützige hat zufriedene Mieter.
Was tut sich da auf der produkttechnischen Seite?
Prinzhorn: Wir versuchen natürlich den Dämmwert laufend zu verbessern, um die Dämmstärken zu reduzieren. Und die Forschungsergebnisse auch gemeinsam mit der Baumit zeigen eindeutig, dass eine massive Wand mit einer sehr guten Dämmung das beste Klima ergibt.
Was aber bis jetzt noch nicht geklärt ist, ist die Entsorgungsthematik. Da habe ich den Eindruck, dass sie durch immer neue Studien immer weiter nach hinten verschoben wird, ohne tatsächlich gelöst zu werden.
Prinzhorn: Was stimmt ist, dass der Bedarf an großflächigen Lösungen noch nicht vorhanden ist, da die Systeme viel länger halten als ursprünglich gedacht. Trotzdem arbeiten wir an verschiedenen Lösungen, um sortenreine Materialien wieder in den Kreislauf zurück zu bringen und verunreinigte Materialien thermisch zu verwerten . Deponieren wird man zukünftig nicht müssen. Da sind wir dahinter.