Russland : Gazprom-Tower über St. Petersburg
Das Lakhta-Center soll das neue Wahrzeichen von St. Petersburg werden. Mit 462 Metern wird Europas höchster Wolkenkratzer das historische Zentrum von Russlands nördlicher Metropole überragen. Gazprom, der größte Gaskonzern der Welt, zeigt mit dieser neuen Firmenzentrale seine Macht.
In der Heimatstadt von Präsident Wladimir Putin wächst ein Symbol für ein neues Russland, wie er es gerne sieht: cool und kühn. Im Frühjahr 2015 wurde nördlich des Zentrums im Stadtteil Lachta am Finnischen Meerbusen das Fundament gegossen. Vor einem Monat im Oktober überholte der Bau mit 374 Meter Höhe den bisherigen europäischen Rekordhalter, den Federazija-Turm in Moskau. Zum Vergleich: Deutschlands höchstes Hochhaus, der Commerzbank-Turm in Frankfurt, misst einschließlich Spitze 300 Meter.
Schon jetzt ist das Lakhta-Center vom weitem zu sehen - von der Ostsee wie von der Stadt aus. Als schlanke, fünfeckige Silbernadel schraubt es sich in den Himmel. Der Entwurf stammt von dem britischen Stararchitekten Tony Kettle, geplant hat das Moskauer Büro Gorproekt.
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Wie ein Wolkenkratzer aussieht, hängt vor allem von der Fassade ab, und die wird bei diesem russischen Prestigeobjekt von der deutschen Spezialfirma Josef Gartner aus Gundelfingen in Bayern erstellt. "Das ist ein Auftrag, der uns sehr geprägt hat in den letzten drei Jahren", sagt Geschäftsführer Jürgen Wax. Gartner gehört zum italienischen Baukonzern Permasteelisa, arbeitet weltweit und hat auch die neue Zentrale des Technikkonzerns Apple in Cupertino (Kalifornien/USA) verglast.
Der Auftrag in St. Petersburg bringe etwa 200 Mio. US-Dollar (171,57 Mio. Euro), sagt Wax. Das ist ein Zehntel der Gesamtkosten, die eine Gazprom-Tochter als Bauherrin aufbringen muss. Außen- und Innenverglasung des Hochhauses messen 100.000 Quadratmeter, so groß wie 14 Fußballfelder. Dazu hat Gartner 16.600 Einzelelemente aus Aluminium, Stahl und kalt gebogenem Glas angefertigt.
Der Weg der Fensterteile beginnt in einer Montagehalle in Lewaschowo, einem Vorort von St. Petersburg. Arbeiter schrauben die aus Gundelfingen gelieferten Rahmen um die Glasscheiben zusammen. Das typische Element: ein 4,2 auf 2,7 Meter großes Parallelogramm, 700 Kilogramm schwer. Aber weil bei dem Turm keine zwei Stockwerke gleich sind, musste für fast jedes Teil ein eigenes Maß berechnet werden.
Viele Monteure hätten früher in Petersburger Autofabriken gearbeitet, erzählt Andreas Bachmann, der Russland-Direktor von Gartner. Der Fassadenauftrag kam gegenläufig zur russischer Wirtschaftskrise, als die Autobauer Personal entließen.
Am Turm arbeiten die Fassadenbauer auf vielen Etagen zugleich. Im zehnten Stock sind schon die Vorstandsbüros erkennbar, die Gazprom-Chef Alexej Miller und seine Kollegen einmal beziehen sollen. "Wir haben an zwei Stellen von unten und von der Mitte mit dem Verglasen begonnen", sagt Projektleiter Ralph Damköhler. Derzeit müssen die Lücken geschlossen werden.
Das himmelstürmende Hochhaus ist in St. Petersburg nicht unumstritten. Gazprom wollte den neuen Firmensitz erst mitten im Zentrum bauen, wo er die barocken Zarenpaläste und andere Architekturschätze in den Schatten gestellt hätte. Dagegen regte sich Widerstand in der Stadt, und auch die UN-Kulturorganisation Unesco meldete Bedenken an. 2010 entschloss sich Gazprom deshalb zu dem neuen Standort. Bauübergabe soll 2018 sein.
"Wir sind sehr stolz auf unser Projekt", sagt Sergej Nikiforow, der Chefingenieur des Bauträgers. Das Gebäude sei eine Herausforderung, denn es werde nicht nur Europas höchster Wolkenkratzer sein, sondern der nördlichste weltweit. Die Konstruktion sei ausgelegt, um Wind, Regen, Schnee und Eis im rauen Petersburger Klima zu trotzen.
Doch nicht nur Gazprom-Mitarbeiter sollen das Lachta-Center nutzen. Im 86. Stock in 370 Metern Höhe wird es eine Aussichtsplattform geben. Am Fuß des Turms entstehen ein Veranstaltungszentrum, ein Planetarium, ein Amphitheater und ein Jachthafen. (APA)