SOLID: Wie sehen Sie den „State of the Branche“? Die meisten sprechen ja von „es sieht nach Konsolidierung aus“, aber das ist doch sehr allgemein. Welche Trends laufen positiv, welche negativ?Sen. h. c. KR Ing. Hans-Werner Frömmel: Die Bauinvestitionen im privaten Sektor stimmen uns zumindest etwas optimistisch. Die Menschen bemerken immer mehr, dass Investitionen in „feste“ Werte eine sicherere Geldanlage sind als Aktien und Wertpapiere. Einen negativen Trend stellt mit Sicherheit der Investitionsrückgang der öffentlichen Hand dar – u. a. bei der Infrastruktur, in den Gemeinden und vor allem beim sozialen Wohnbau. Wir bauen zu wenig Wohnungen, dadurch steigen Preise und Mieten und irgendwann ist leistbares Wohnen nicht mehr gegeben. Die Regierung hat leistbares Wohnen zu einem zentralen Thema im Wahlkampf gemacht. Passiert ist seitdem nichts.
Worauf werden Bauunternehmen in Zukunft besonders achten müssen?Frömmel: Die Technologien am Bau ändern sich ständig und das auch sehr schnell. Mit dieser Entwicklung müssen unsere Baufirmen Schritt halten.Außerdem müssen unsere Unternehmen nach Zukunftsmärkten Ausschau halten, wie u. a. ökologische Bauweisen, thermische Sanierungsmaßnahmen, Facility Management oder seniorengerechte Wohnraumadaptierungen. Durch die neuen EU-Länder wird die Konkurrenz am heimischen Baumarkt immer härter. Preiskampf sowie Lohn- und Sozialdumping nehmen dadurch zu. Welche konkreten Lehren muss man aus Alpine ziehen? Welche wurden bereits gezogen und umgesetzt?Frömmel: Die Insolvenz muss zum Anlass genommen werden, um längst notwendige Veränderungen im Vergaberecht vorzunehmen. Das heißt konkret: weg vom Billigstbieterprinzip, hin zum Bestbieterprinzip, welches im Regierungsprogramm übrigens verankert ist. Vor allem öffentliche Auftraggeber sind aufgefordert, andere Kriterien als nur den Preis bei der Ausschreibung miteinzubeziehen. Auch von der Möglichkeit der vertieften Angebotsprüfung ist stärker Gebrauch zu machen.Wie gut gelingt es, im alten Konflikt „Best- vs. Billigstbieter“ die Bestbieter besser zu positionieren und zu unterstützen? Was muss man noch tun?Frömmel: Wer billig baut, baut teuer – das ist Fakt! Durch das vorherrschende Billigstbieterprinzip hat am Markt ein ruinöser Preiskampf Einzug gehalten. Das hat zu einer massiven Zunahme von Scheinfirmen und Lohndumping geführt. Niedrigstpreise schaden Auftragnehmer ebenso wie Auftraggeber und dem Wirtschaftsstandort Österreich. Deswegen braucht es gezielte Maßnahmen, welche von unserer Bau-Sozialpartner-Initiative „Faire Vergaben“ konzipiert wurden: eine verstärkte Überprüfung des Standortes bei der Gewerbeanmeldung, eine Novellierung des Lohn- und Sozialdumping- Bekämpfungsgesetzes, wo die Vollziehbarkeit von Verwaltungsstrafen auch in den anderen EU-Mitgliedsstaaten gewährleistet sein muss, und die Aufrechterhaltung des Befähigungsnachweises als Ausübungs- und Qualifikationskriterium.Wie beurteilen Sie Diversifikation als Erfolgsweg? Z. B. mit dem Facility-Management versuchen Firmen wie die Strabag ja, sich noch breiter aufzustellen und teilweise auch – wegen der Rechnung über den gesamten Nutzungszeitraum – höhere Baupreise zu rechtfertigen.Frömmel: Die Firmen bestreiten den Weg der Diversifikation nicht, um versteckte Preiserhöhungen zu forcieren. Aufgrund der wirtschaftlich immer schwierigeren Rahmenbedingungen ist es notwendig, neue Marktnischen ausfindig zu machen. Es macht Sinn, nicht nur ein Gebäude fertigzustellen, sondern auch ein „Rundum-Paket“, welches z. B. Facility-Management umfasst, zusätzlich anzubieten. Es kommt auch für den Bauherrn im Endeffekt günstiger, einen Generalunternehmer, der sämtliche Bauleistungen aus einer Hand anbieten kann, als Partner zu haben.Wie sehen Sie die Situation rund um die Arbeitsplätze am Bau? Heuer gab es ja einen milden Winter, aber war der wirklich die riesige Entspannung? Und wo geht die Entwicklung hin beim Personal?Frömmel: Leider hat die Arbeitslosigkeit am Bau im Vergleich zum Vorjahr stark zugenommen. Im Mai waren um 22,4 Prozent mehr Bauarbeiter arbeitslos gemeldet als im Vorjahr. Durch den milden Winter konnten die Bauarbeiten heuer früher beginnen, was grundsätzlich positiv war. Auf der anderen Seite hat der milde Winter dazu beigetragen, dass dadurch vorzeitig Aufträge abgearbeitet wurden, die jetzt in den Sommermonaten fehlen. Generell ist zu beobachten, dass Firmen mit Eigenpersonal immer größere Schwierigkeiten haben, an Aufträge zu kommen. Diese Entwicklung stimmt uns nachdenklich.Wie viel hilft Aus- und Weiterbildung in der Bauwirtschaft den Beschäftigten und den Firmen WIRKLICH? Oder verschiebt sich – provokant gesprochen – nur das Qualifikationsniveau der Arbeitslosen?Frömmel: Das ist in der Tat eine provokante Aussage, die ich so nicht stehen lassen kann. Gerade angesichts der zunehmenden Konkurrenz durch ausländische Anbieter und Scheinfirmen kommt Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen eine essenzielle Rolle zu. Nur eine solide Ausbildung und eine hohe Qualifikation des Eigenpersonals sichern den notwendigen Wettbewerbsvorteil.Das Gespräch führte Thomas Pöll.