Raumplanung : Forscher warnt vor Konsumtempel-Ruinen in Österreich

Der vorübergehende Stopp für große neue Verkaufsflächen im Einzelhandel in Salzburg hat im Bundesland und österreichweit eine Debatte ausgelöst. In Österreich verfüge man bereits über zwei bis drei Mal mehr Verkaufsfläche als im EU-Schnitt, so Einzelhandelsforscher Roland Murauer bei einer Diskussionsveranstaltung vor einigen Tagen in Salzburg. Der Forscher und Berater warnt deshalb vor Einkaufszentren-Ruinen und zerstörten Ortskernen. Murauer ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens CIMA. Er wird eigenen Angaben zufolge immer wieder um "fünf nach zwölf" von Kommunen geholt, wenn deren Ortskerne bereits kaum noch wiederzubeleben seien. Verheerende Auswirkungen auf den Ort: Konkrete Beispiele Murauer sieht eine bedenkliche Entwicklung: "In Leonding (bei Linz, Anm.) steht ein Einkaufszentrum mit 45.000 Quadratmetern leer, in Altheim in Oberösterreich ein Fachmarktzentrum mit 4.000 Quadratmetern", nannte er nur zwei Beispiele. Dennoch würden weiterhin laufend neue Verkaufsflächen entstehen.

Die Filmemacherin Ulli Gladik, die für ihre Dokumentation "Global Shopping Village" jahrelang zu diesem Thema in Europa recherchiert hat, ortet eine Ursache: "Es werden weiter Einkaufszentren gebaut, die niemand mehr braucht, nur weil große Mengen Geld für diese Investitionen vorhanden sind."

Vagabundierendes Kapital vernichtet gewachsene Strukturen

Selbst Entwickler von Einkaufszentren äußerten sich in ihrem Film kritisch zum ungebremsten Wachstum. "Der Handel selber wird nicht mehr weiter expandieren, weil die Kaufkraft ausgeschöpft ist. Nur die Immobilienbranche profitiert", so Murauer. Er untermauert die aktuellen Entwicklungen mit Zahlen.Demnach stehen im gesamten Bundesland Salzburg pro Einwohner bereits 1,94 Quadratmeter Verkaufsfläche zur Verfügung, im Ballungsraum um die Landeshauptstadt sogar 2,8 Quadratmeter. Salzburg habe aber zwei bis drei Mal mehr Verkaufsfläche als der EU-Schnitt. Doch in Österreich gibt es demnach Bundesländer mit noch mehr Verkaufsfläche pro Einwohner. "Die Verkaufsflächen-Problematik wird sich noch verschärfen", warnt Murauer, und zwar nicht nur durch weitere Neubauten, sondern unter anderem auch durch Handel über das Internet. Daher seien weitere Ruinen zu befürchten.Die Lüge von den neuen Arbeitsplätzen Aber auch das wiederholt vorgebrachte Argument, Einkaufszentren würden neue Arbeitsplätze schaffen, wurde bei der Diskussion relativiert.

Die Dokumentation von Ulli Gladiks Film zeigt anhand des Beispiels Fohnsdorf in der Steiermark auf, dass dort das Einkaufszentrum "Arena" zwar zunächst neue Jobs gebracht hat, innerhalb weniger Jahre seien aber in den Zentren der Nachbargemeinden - etwa in Judenburg oder Zeltweg - deutlich mehr Arbeitsplätze verschwunden als jene, die neu entstanden sind. Eine Geschäftsfrau etwa schilderte, dass sie früher acht Mitarbeiter gehabt hätte, heute stünde sie alleine im Geschäft. Und eine Brotverkäuferin schließt nur mehr Samstagvormittag auf, weil während der Woche niemand mehr im Ort sei.Wurst statt Billy: Branchenfremder Umsatz in Möbelhäusern und BaumärktenNeben dem Geschäft über das Internet sieht Murauer noch eine weitere Entwicklung problematisch: In Möbelhäusern werde bereits 40 Prozent des Umsatzes nicht mit Möbeln gemacht, sondern mit anderen Waren, in Baumärkten verhalte es sich nicht viel anders. Und Filmemacherin Gladik hat noch eine weitere Tendenz beobachtet: In Wien seien früher florierende Geschäfte im Erdgeschoß nach und nach leer gestanden: "Jetzt findet man Garagen drinnen."Grassierende Zersiedelung eindämmenFür den Einzelhandelsforscher kann der Ausweg nur "qualitative statt quantitative Entwicklung" heißen, weil die Kaufkraft nur einmal verteilt werden könne. Ähnlich sieht es die Salzburger Raumordnungsreferentin LHStv. Astrid Rössler (Grüne), die für ihren vorübergehenden Stopp für weitere Einkaufszentren von einzelnen Seiten auch scharf kritisiert wird. Sie will den Konsens in der Raumordnungspolitik - vor allem mit den Gemeinden - über die das Ziel "Eindämmung der Zersiedelung" erreichen. Familiengeführte Betriebe in lebenswerten Orten Rössler träumt von Siedlungsräumen mit Fußläufigkeit, von "lebbaren, schönen Orten, wo ich beim Bäcker oder im Schreibwarengeschäft einkaufen kann, mit familiengeführten Unternehmen und persönlicher Begegnung." (apa/pm)