SOLID 04 / 2014 : Firmenportrait Swietelsky: Der schweigsame Riese
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Eine digitale Recherche zum Linzer Baukonzern Swietelsky ist so fruchtbar wie eine EU-Diskussion mit Andreas Mölzer. Mit Ausnahme von ein paar Bilanznachrichten zum Halb- und Jahresabschluss, einigen Wortspenden in Branchengeschichten sowie Projektankündigungen findet sich in den Medienarchiven nichts, das intimeren Aufschluss über das Unternehmen erlauben würde. Sogar das sonst gute bestückte Online-Portal von SOLID kapituliert.
Bei der Swietelsky Bau GesmbH geht es um Österreichs drittgrößtes Bauunternehmen mit mittlerweile 8.000 Mitarbeitern und zuletzt 1,5 Mrd. Euro Bauleistung. Zu erzählen gibt es einiges: Im Vorjahr haben die Linzer im Sog der Alpine-Insolvenz neue Niederlassungen und Gesellschaften mit insgesamt rund 1.000 neuen Mitarbeitern dazugeholt, was den – für österreichische Verhältnisse – bereits großen Konzern letztendlich in eine neue Liga bringt.
Dazu kommt der Charakter eines nicht böresenotierten Unternehmens, das im Eigentum zweier Familien steht – mit dem Vorteil der langfristigen Unternehmensplanung und dem Nachteil der knappen Kapitalressourcen. Drei Unternehmensanleihen mit einem Volumen von insgesamt 193 Mio. Euro erhöhen den Druck, sich mehr Transparenz nach außen und innen zu geben. Baustellenschilder reichen nicht mehr.
Wachstum aus eigener Kraft
Die Unternehmenskultur bei Swietelsky ist beschaulich. Das Expansionstempo wurde bisher durch die Höhe der thesaurierten Gewinne bestimmt, die in bonitätsmäßig gesicherten Gewässern eingefahren werden. Über die Hälfte der Konzernbauleistungen wird auf Baustellen in Österreich erwirtschaftet.
Die Expansion in die benachbarten Auslandsmärkte startete – von zaghaften Unternehmensgründungen zu Beginn derneunziger Jahre abgesehen – erst nach der Jahrtausendwende. Zu dem Zeitpunkt hieß der wichtigste Mitbewerber Ilbau bereits Strabag und hatte seinen Umsatz im Ausland vermehrfacht. Und die Porr war in allen CEE-Märkten aktiv und ebenfalls stark gewachsen.
Während die großen Mitbewerber in die hohe See stachen, blieb Swietelsky in der Küstenschifffahrt: Die Linzer begnügen sich bei den traditionellen Bauleistungen mit Geschäften im unmittelbaren Umland: Tschechien und Ungarn wurden ebenso wie Deutschland als Kernmärkte definiert. Das Wachstum war stetig, aber langsam.
Für Vorstandssprecher Karl Weidlinger so weit kein Problem: „Wir haben immer die Profitablität dem Umsatz vorgezogen. Das wurde uns bis zum Krisenbeginn 2008 vorgeworfen. Danach wurden wir dafür gelobt.“
Eine Ausnahme von der überschaubaren Auslandsexpansion gibt es nur im Bereich des Gleisbaus, der bei Swietelsky mit nahezu 20 Prozent des Umsatzes eine Sonderstellung einnimmt. Hier wird von Großbritannien bis Australien an besonders kniffligen Baustellen gearbeitet, bei denen Swietelsky seine Stärke durch den Einsatz von großen, hochspezialisierten Gleisbaumaschinen ausspielt.
Spektakuläre Firmenübernahmen aber fehlten bislang in der Firmengeschichte. Die Vorzeichen standen voll und ganz auf „organisches“ Wachstum. Tatsächlich lavierte sich das Unternehmen durch die Krisenjahre 2009/2010 ohne große Blessuren: Die starke Verankerung in den stabilen Märkten Österreich (52 Prozent der Bauleistung) und Deutschland (14 Prozent) verhinderte größere Zahlungsausfälle.
Selbst der unkonventionelle ungarische Baumarkt, mit 17 Prozent der größte Auslandsmarkt der Linzer, brachte bis zum Vorjahr zwar einen rückläufigen Auftragsbestand, verschonte die Konzernbilanz aber mit Abschreibungen und anderen Rohrkrepierern.
Über die Hälfte aller Aufträge kommen von der öffentlichen Hand – sowohl in Österreich als auch in den Auslandsmärkten. Familien im Hintergrund Stabilität und Solidität geben auf Kapitalmärkten nur eine bedingt aufregende Investmentstory her.
In einem Familienunternehmen ist dies aber ein angesagtes Unternehmensziel: Swietelsky steht im Eigentum der beiden Gesellschafterfamilien Brustmann (51 Prozent) und Hovaguimian (49 Prozent), die ihre Anteilsrechte über die TUO GmbH verwalten. Ein verschwindend kleiner Anteil (0,0649 Prozent) wird direkt von Andre Hovaguimian kontrolliert, einem studierten Mathematiker und Ehemann von Veronika Hovaguimian, der Tochter des Gründers Hellmuth Swietelsky.
Andreas Brustmann, mit seinen 33 Jahren der Youngster in der vierköpfigen Geschäftsführung, ist seit seiner Berufung im April 2012 unmittelbarer Eigentümervertreter in der operativen Führung des Konzerns.
Die Verhältnisse zwischen den Familien Brustmann und Hovaguimian dürfen als „geregelt“ bezeichnet werden. Letzte Wellen in der Eigentümerstruktur gab es Anfang 2012, als der langjährige Swietelsky-Lenker Kurt Kladensky und damalige Miteigentümer (25 Prozent) in Pension ging. Mit seinem Rückzug wurde aus der Familien-Troika das heutige Duo.
Im Hintergrund standen Meinungsverschiedenheiten über die personelle Nachfolge des gediegenen Privathistorikers Kladensky: Zwar war der Eintritt des Sohnes Martin Kladensky bereits akkordiert und in Vorbereitung, allerdings konnten sich die Miteigentümer nicht mehr mit unbefristeten Managerverträgen anfreunden, wie sie bis dahin unter den Eigentümern üblich waren. Sie wollten keine unkündbaren Vorstandsverträge mehr.
Denn auf grund der Satzungen, die Einstimmigkeit fordern, konnte jede Familie gegen die Ablösung ihres Vertreters ein Veto einlegen. Martin Kladensky wollte keine andere Lösung akzeptieren als jene, die auch schon sein Vater hatte. In der Situation spielten die Familien die Stärke von eigentümergeführten Unternehmen aus: Sie fackelten nicht lange. Die Familien Brustmann und Hovaguimian schlossen sich kurz und unterbreiteten Kurt Kladensky ein Kaufanbot, das es dem langjährigen Vorstandssprecher nahezu unmöglich machte, das Offert auszuschlagen.
So verkaufte die KKL Holding der Kladensky-Familie ihre 25,01 Prozent der Anteile an die restlichen Gesellschafter und konzentriert sich seither auf das Bauträgergeschäft. Vorstandsverträge werden jetzt bei Swietelsky auf branchenübliche vier Jahre abgeschlossen – auch jener von Andreas Brustmann.
Die Eigentumsverhältnisse sind bei Swietelsky nach dieser Rochade bis auf weiteres fest verankert, oder wie es der CFO Adolf Scheuchenpflug formuliert: „Die Kapitalstruktur des Unternehmens ist uns heilig.“ Der frühere Bawag-Landesdirektor ist mit Karl Weidlinger Teil des strategischen Duos im Vorstand.
Das Gelegenheitsfenster
Die Swietelskysche Haltung des „nur ned Hudelns“ wurde im Vorjahr gehörig erschüttert. „Durch die Alpine-Insolvenz wurden österreichische Marktanteile verfügbar, die wir sonst nur im härtesten Wettbewerb erobern hätten können“, beschreibt Karl Weidlinger die Ausgangsposition, als der Niedergang der Salzburger Konkurrenz nicht mehr aufzuhalten war.
Und für Adolf Scheuchenpflug, sonst knausriger Hüter der Bilanzstrukturen, war nach eigener Ansage klar, „dass wir über diesen Fluss jetzt springen müssen. Wer in unserer Liga die Situation nicht nützt, der fällt zurück.“
Das Hauptinteresse galt ausschließlich in Österreich gelegenen Alpine-Niederlassungen und Baustellen an Standorten, an denen Swietelsky schwach oder gar nicht vertreten war: Innviertel, Steyr, Tirol und Kärnten. Swietelsky hat unter anderem die Tiroler Transportbeton und Asphaltgesellschaft, die Schauer Eisenbahnbau, die Wohnbau-Ost und etliche Baustellen von der Alpine übernommen. Dazu kam das Interesse an Asphalt- und Betonmischanlagen, deren Einzugsbereich durch die Natur der Werkstoffe auf 80 bis 100 km beschränkt bleibt. Weiter kann und darf Asphalt nicht transportiert werden.
Asphaltmischanlagen in Hollersbach (Salzburg), Dürnfeld (Kärnten), Zams (Tirol) und Lambrechten/Gerhagen (Oberösterreich) sind Beispiele, wo „wir weiße Flecken auf der Swietelsky-Landkarte umfärben konnten“, erzählt Weidlinger. Er war acht Jahre lang Chef des Österreich-Geschäftes von Alpine (über 1 Milliarde Bauleistung), bevor er im Zuge des spanischen FCC-Einstiegs zu Swietelsky übersetzte.
Die intime Kenntnis der Alpine-Strukturen und der dort handelnden Personen machte langwierige Rentabilitätsberechnungen oder Stärken-Schwächen-Analysen hinfällig. Am Ende stand eine Wunschliste, die zügig abgearbeitet wurde.
Schnelligkeit war im Juni 2013 das Gebot des Tages: „Es gab Baustellen, die unter Verkehr standen oder eine Wasserbewirtschaftung benötigt haben“, erinnert sich Weidlinger, „jeder verlorene Tag geht zu Lasten des Bauherrn und macht die Baustelle unattraktiver.“ Manchmal musste sich der Swietelsky-Vorstand gar nicht erst selbst bemühen.
Einige Niederlassungsmanager von Alpine meldeten sich auf Eigeninitiative bei ihrem früheren Chef – mit ihrer ganzen Crew im Rucksack. „Es gab Telefonate, da war nach 30 Sekunden klar, dass wir wieder 300 Leute mehr haben“, beschreibt Weidlinger die dramatischen Tage. Hausintern war schnell alles klar: „Für den Strategiebeschluss zwischen Management, Aufsichtsrat und Eigentümern hat es einen Nachmittag gebraucht. Dann sind wir marschiert.“
Finanzvorstand Scheuchenpflug war bereit, für „diese einmalige Gelegenheit“ das Börserl etwas weiter aufzumachen als sonst. Er wusste, dass er die Baustellen und funktionierenden Teams nie wieder so günstig einkaufen konnte wie nach der Insolvenz. Er musste keinen Goodwill und keinen Firmenwert bezahlen. Auf die Rechnung kamen nur Sachwerte.
Unterm Strich kostete das Alpine-Engagement von Swietelsky „einen mittleren zweistelligen Millionebetrag“, windet sich Scheuchenpflug. Er versichert aber, dass die Zukäufe „sich schon heuer in der Bilanz positiv bemerkbar machen“. Für das mit 31. März endende Geschäftsjahr 13/14 werden „in Bauleistung, Umsatz und Ertrag vor Steuern zweistellige Zuwächse erwartet“.
Verdauungsphase
Das Swietelsky-Management hat nach den Alpine-Übernahmen die Konsolidierung eingeläutet: Die übernommenen Niederlassungen und Filialen werden meist gesellschaftsrechtlich in bestehende Tochterunternehmen integriert, bleiben aber als operierende Einheiten selbständig.Wie in der Vergangenheit auch sind die Standortmanager für Aufträge selbst zuständig. Die Akquisition passiert vor Ort. Die relativ kleine Konzernzentrale ist nur für das finanzielle Clearing und für Back-office-Dienstleistungen verantwortlich.Die dezentrale Organisation des 8.000-Mitarbeiter-Konzern hat mit einem Begriff zu tun: Flächengeschäft. Das Management setzt auf viele kleine Aufträge bis hin zum Güterweg und Kinderspielplatz und versucht die Abhängigkeit von Großaufträgen so gering als möglich zu halten.
CFO Scheuchenpflug beschreibt die Strategie des Kleinviehs mit anderen Worten: „Wer auf der Autobahn von Wien nach Salzburg fährt, wird wenige Swietelsky-Schilder und viele von Konkurrenten sehen. Dafür treffen Sie unser Logo auch auf Kleinbaustellen für Hofzufahrten und Gemeinden im hintersten Mühlviertel und Lavanttal.“
Ein steter Strom an Kleinaufträgen entspreche der Swietelsky-Strategie eher als der Fight um Großaufträge, „die jeden Anbieter beim Kampf um Folgeaufträge enorm unter Druck setzen“. Die Filialen und Niederlassungen sollen sich „aus der Region, in der sie zu Hause sind, selbst ernähren“, setzt Scheuchenpflug auf eine besondere Form der Selbstversorgung. Zudem „seien Margen und Beschäftigungseffekt im Flächengeschäft attraktiver als bei großen Projekten“, versichert Vorstandskollege Weidlinger: „Uns ist kein Auftrag zu klein.“
Größere Gänge einlegen
Trotz aller Beteuerungen – das Swietelsky-Management kommt nach dem großen Alpine-Happen nicht umhin, die Strategien der neuen Größenordnung anzupassen. Während der Zuwachs im Kernmarkt Österreich durch die neuen Marktanteile gesichert ist, soll auch im einst vorsichtigen Auslandsgeschäft ein Gang zugelegt werden. Ungarn ist dabei, sich aus seiner Agonie zu lösen und im Infrastrukturgeschäft wieder aktiv zu werden.
Die größten Hoffnungen ruhen aber auf dem deutschen Markt, in dem ein Stau an Instandsetzungs- und Neubauprojekten abgearbeitet werden soll. Zur guten Nachfrage kommt die Sondersituation, dass sich die großen Marktplayer Hochtief und Bilfinger aus dem operativen Baugeschäft zusehends „wegen zu knapper Margen“ zurückziehen und sich auf Projektgeschäfte fokussieren.
„Wir sehen für Unternehmen unseres Zuschnitts gute Chancen, von dieser Situation zu profitieren“, will Karl Weidlinger mehr deutsche Aufträge in den Büchern. Dazu kommen gezielte Vorstöße im Generalunternehmerbau: Da sind die ersten Aufträge unterschrieben und werden umgesetzt. Da sei in Deutschland noch mehr zu holen, ist Weidlinger überzeugt.
Das Know-how dazu sei bei Swietelsky vorhanden und die Nachfrage sei am deutschen Markt ungebrochen. Der nächste Zielmarkt findet sich in Kroatien, wo die ersten Autobahnlose gewonnen werden konnten. „Da stehen wir am Anfang. Ich gehen aber davon aus, dass sich das Land die notwendigen Infrastrukturbauten bald leisten wird“, ist auch CFO Scheuchenpflug zuversichtlich.
Swietelsky ist dabei, sich zu verändern. Aus dem schweigsamen Riesen wird trotzdem kein lauter werden. Aber Recherchen sollten in Zukunft nicht mehr so schwierig sein.
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