Österreich : Entbürokratisierung und Gewerbeordnung weiter in Schwebe

Die Regierung tut sich schwer mit der Einigung auf die Gewerbeordnung. Auch Dienstagnachmittag war noch unklar, ob es bis zum morgigen Ministerrat eine Verständigung gibt und ein in der Koalition akkordierter Entwurf in Begutachtung gehen kann. Strittig sind vor allem die Reduktion der reglementierten Gewerbe und der einheitliche Gewerbeschein. Ob es sich wie geplant bis morgen ausgeht, wird wohl von Gesprächen abhängen, die bis zur Regierungsspitze hinaufgehen dürften. Eventuell wird sogar morgen noch vor dem für 10.30 Uhr terminisierten Ministerrat verhandelt. Ein komplettes Scheitern gilt als unwahrscheinlich, dass man sich noch eine Woche Zeit nehmen muss, jedoch als nicht ganz ausgeschlossen. Die Stimmung zwischen SPÖ und ÖVP ist jedenfalls wieder einmal nicht die allerbeste. Die SPÖ beklagt, dass man den Begutachtungsentwurf des Wirtschaftsministeriums reichlich spät erhalten habe und dass darin auch Punkte fehlten, die in der Regierung eigentlich bereits im Juli vereinbart waren. Dabei geht es unter anderem um die Halbierung der derzeit 80 reglementierten Gewerbe, auf die zuletzt vor allem Klubobmann Andreas Schieder drängte. Freilich hat sich auch die Verhandlungsposition der SPÖ in den vergangenen Tagen nicht verbessert, da sich gerade in dieser Frage die Arbeitergewerkschaften mit der bremsenden Wirtschaftskammer solidarisierten. Der SPÖ-Wirtschaftsverband schwieg zwar öffentlich, gilt aber auch nicht unbedingt als Reformmotor in dieser Angelegenheit. Immerhin in einem Punkt dürfte Klarheit herrschen. Die 21 teil-reglementierten Gewerbe sollen mit der Reform der Vergangenheit angehören. 19 von ihnen, etwa Änderungsschneiderei, Wäschebügeln, Speiseeis-Erzeugung, das Erzeugen von Lebzelten oder das Modellieren von Fingernägeln, sollen komplett frei gegeben werden. Der Erdbau würde dem bestehenden Baumeister-Gewerbe zugeschlagen. Fix scheint, dass die Anmeldung eines Gewerbes billiger wird. Sie soll nämlich gratis sein, allerdings wird der einheitliche Schein für alle (mehr als 400) freien Gewerbe entgegen den ursprünglichen Vorhaben nicht kommen. Dies wird in erster Linie auf die Wirtschaftskammer zurückgeführt. Wenn nämlich ein einheitlicher Gewerbeschein Realität wäre, würde der Druck wachsen, dass von der Wirtschaftskammer auch nur einmal die Kammeranlage eingehoben wird und nicht in jeder Sparte einzeln, in der sich ein Unternehmen engagiert. Vorgesehen ist, dass der Gewerbeumfang bei den so genannten Nebenrechten erhöht werden soll. Zuletzt war hier von einem Prozentsatz 15 die Rede. Das hieße z. B., ein Tischler könnte auch Arbeiten wie Fliesenlegen mit bis zu 15 Prozent seines Umsatzes machen. Bisher gab es keinen solchen Prozentsatz, Gerichtsurteile legten aber einen Wert von bis zu zehn Prozent nahe. Die nunmehrige Festschreibung soll der Rechtssicherheit dienen. Fix sind die 15 Prozent noch nicht. Dieser Satz könnte als Kompromiss in den Verhandlungen noch erhöht werden, womit die Wahrscheinlichkeit, dass man für mehrere Gewerbe Scheine benötigt, reduziert würde. Unter Entbürokratisierung im Begutachtungsentwurf des Wirtschaftsministeriums läuft etwa, dass ein durchgängiges One-Stop-Shop-Prinzip im Betriebsanlagenverfahren etabliert werden soll. Das Ziel ist ein Verfahren mit einem Bescheid für Bau-, Naturschutz-, Wasser- und gewerberechtliche Genehmigung. Die Verfahren sollen auch beschleunigt werden. Bescheide sollen künftig spätestens innerhalb von vier Monaten, statt wie bisher von sechs, nach Einlangen des Antrags erlassen werden müssen. Bezirkshauptmannschaften sollen Betriebsanlagen mit geringem Gefährdungspotenzial künftig schneller und einfacher genehmigen dürfen. Letzterer Punkt soll der Gastronomie helfen. Dies gilt auch für jenen Passus, wonach nur vorübergehende Tätigkeiten (z. B. ein Zeltfest) nicht mehr unter das Betriebsanlagenrecht fallen. (APA)