SOLID 03 / 2014 : Early Bird: Portrait Hubert Rhomberg und Rhomberg Holding
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Eine Woche Aufenthalt in Kalifornien zählt unter normalen Umständen nicht zu den Strafen dieser Erde. Der Vorarlberger Bauindustrielle Hubert Rhomberg wirkt vor der Reise dennoch angespannt: „In den USA ist die Baukultur in breiten Segmenten auf Holz ausgerichtet. Wer mit dem Werkstoff bauen will, für den ist der amerikanische Markt entscheidend.“ Rhomberg definiert damit seine eigene Position. Sein Start-up Cree (sprich kri:, frei nach einem nordamerikanischen First-Nation-Volk) setzt auf ein System des Holzhochbaus, das den städtischen Büro- und Gewerbebau revolutionieren soll. Der US-Markt ist dafür der ideale Markt. Und die Reise nach Kalifornien soll helfen, potente Partner ins Boot zu holen. Ein Tochterunternehmen wurde schon gegründet.
Hubert Rhomberg puscht Cree seit 2009. Die Technologie für den Bau eines Holzhochhauses mit bis zu 30 Stockwerken und 100 Metern Höhe ist serienreif, zertifiziert und bereits in zwei großen Referenzprojekten erprobt. Was fehlt, sind Bauherren, die dem Prinzip eines „green building“ genug abgewinnen können, um dem Dogma aus Stahl, Beton und Glas entgegenzutreten. Mit einer Art Franchisesystem will Rhomberg genug Investoren und Öffentlichkeit mobilisieren, um Cree und den städtischen Holzbau massenfähig zu machen. Sein Angebot: Hochwertige Bauten aus einem nachhaltig gewachsenen Werkstoff, die durch effiziente Bauausführung leistbar gemacht werden. „Was wir am Anfang an Technik weniger verbauen, müssen wir später auch nicht warten und sparen uns so Kosten“, wirbt Rhomberg für seine Vision des nachhaltigen Bauens. Die Bauwirtschaft verbrauche 40 Prozent der weltweiten Ressourcen, „des is’ Wahnsinn, od’r?“, empört sich der 46-Jährige. Für Rhomberg beschreibt Holz die Zukunft des Bauens. Er ist sich dabei seiner Sache sicher. Zahlreiche Innovations-, Bau- und Architekturpreise geben dem Cree-Projekt recht. Unsicher ist aber, ob der Markt dies schon weiß. Wenn der Baumeister über die Niederungen der permanenten Überzeugungsarbeit erzählt, wird spürbar: Die Frage des Timings ist entscheidend. „Early birds“ leben gefährlich.FamilienwurzelnWer vor den (fast fertigen) neuen Salzburger Hauptbahnhof tritt und ein paar Meter nach rechts in Richtung des ehemaligen Postareals wandert, steht vor dem 50 Meter hohen Glasturm der Salzburger Gebietskrankenkasse, dem größten Hochbau Westösterreichs. Dem Komplex schließen sich ein neues Einkaufszentrum, ein Hotel, ein Bürohaus sowie ein Wohngebäude an. Errichtet und entwickelt wurde das Areal von der GFI, einem hundertprozentigen Tochterunternehmen Rhombergs. Und auch wenn derzeit am Innsbrucker Tivoli wenig gejubelt wird – die Heimmannschaft Wacker Innsbruck steht einsam am Tabellenende der Österreichischen Bundesliga –, so hüpfen die Besucher auf Bauqualität aus Vorarlberg. Das Tivoli wurde von Rhombergbau errichtet, ebenso wie das LKH Bregenz, der Ausbau des Vorarlberger Landesmuseums, diverse Hotelbauten in Wien sowie zahlreiche Wohn- und Gewerbauten vom Einfamilienhaus bis hin zu Firmenzentralen und Einkaufszentren. Die Wurzeln der Rhomberg-Holding stecken tief in den traditionellen Bereichen des Massivbaus. Aktuelle Projekte in Süddeutschland, West- und Ostösterreich sowie der Schweiz sorgen dafür, dass die Geschäftsbasis im Baugeschäft belastbar bleibt. Das „mittelständische Bauunternehmen mit regionalem Einzugsbereich“ (O-Ton Hubert Rhomberg) ist von der Schottergrube bis zur Bauentsorgung voll integriert. Wachstum sieht Rhomberg im traditionellen Baugeschäft aber nur mehr wenig: „Das Verhältnis zwischen Ertrag und Risiko ist nicht mehr kalkulierbar.“ Abseits von Cree, das sich mehr oder weniger in der Entwicklungsphase eines Start-ups befindet, setzt Hubert Rhomberg seine Strategie auf das Wachstum des Infrastrukturbaus, genauer gesagt des Gleisbaus. Vom Gruppenumsatz von 351,6 Millionen Euro fallen nur mehr 54 Prozent (191,8 Millionen Euro) auf den Bereich Bau/Ressourcen. 46 Prozent (159,8 Millionen Euro) kommen aus der Bahntechnik. Der Umsatzanteil der Bahntechnik ist in den vergangenen zwei Jahren stark gestiegen. Denn Hubert Rhomberg und sein Mitgeschäftsführer in der Holding, Ernst Thurnherr, waren 2013 auf Einkaufstour.Ist sein’sSeit Hubert Rhomberg 1999 von seinem Karrierestart in der Strabag in den Familienbetrieb zurückgekehrt ist und 2002 das Ruder in der Holding übernommen hat, hat sich das Gesicht der Gruppe verändert. „Ich brauchte meinen eigenen Bereich“, begründet Rhomberg lapidarisch den forcierten Ausbau der Bahntechnik. Inzwischen ist die Rhomberg Sersa Rail Group das größte einschlägige Unternehmen Österreichs. Gleisbau, Maschinenbereitstellung, Instandhaltung, Tunnelsanierungen oder ITVernetzung zählen zu den Dienstleistungen des Unternehmens, das in der Holding als Schwesterunternehmen zur Rhombergbau angesiedelt ist. 2013 gelang Hubert Rhomberg ein Coup, den er viele Jahre mit Nachdruck verfolgt hatte: Konrad Schnyder, CEO und Eigentümer des schweizerischen Bahntechnik-Marktführers Sersa („Soudage électrique des rails S.A.“), gab im Zuge seiner Nachfolgeregelung dem Werben der Vorarlberger nach und ließ sich Ende 2012 auf ein 50/50-Joint-Venture mit Rhomberg Rail ein. Der zehn Jahre ältere Schnyder nennt Rhomberg in einem Interview „Freund und Sparringpartner, dessen Schnelligkeit vor der Fusion manchmal ein Problem für mich war. Jetzt ist es ein großer Vorteil.“ Mit Sersa, das 2012 mit rund 1.100 Mitarbeitern einen Umsatz von 183 Millionen Euro erzielt hatte, hat Rhomberg endlich Zugang zum aktiven schweizerischen Gleismarkt sowie zahlreichen deutschen und internationalen Standorten wie USA und Lateinamerika. Rhomberg Rail war für viele Projekte bislang zu klein. „Schweizer bauen mit Schweizern, und da ändert es nichts, wenn wir den gleichen Dialekt sprechen“, will Rhomberg in Zukunft die Rhein-Grenze besser überbrücken. Beide Gesellschaften bringen Niederlassungen in Österreich, Deutschland und der Schweiz, den Niederlanden, Großbritannien, der Türkei, Australien und Kanada in die Gruppe ein.Der zweite, etwas kleinere Coup gelang den Vorarlberger Bahntechnikern im Sommer 2013: Mit der Alpine-Pleite war auf einmal die Gleisbautochter der ehemaligen Universale zu haben, die vor allem im Westen Österreichs gegen Rhomberg um die ÖBB-Aufträge ritterte. „Das sind hundert Leute, von denen jeder Einzelne ein Experte ist.“ Neuaufträge wie der Ausbau der Stadtbahn im norwegischen Bergen oder Subaufträge für die deutsche Aus- und Neubaustrecke Nürnberg–Halle–Berlin sind erste Resultate des Rhomberg-Sersa-Auftritts. In völlig neue Sphären soll es gehen, wenn das alemannische Joint Venture in einem Konsortium für eine erste Teilstrecke der Metro in Doha anbietet. Die Bahntechnik-Tranche allein liegt bei 400 Mio. Euro Umsatz. „Früher wären wir nicht eingeladen worden, in der Anbietergesellschaft mitzumachen“, ist Hubert Rhomberg überzeugt. Ebenso ist er sich sicher, dass der Bereich der Gleis- und Bahntechnik weltweit kräftige Wachtsumsimpulse aussenden werde. „Auch wenn wir im Sinne der Nachhaltigkeit Wachstum nicht als Selbstzweck wollen: Wir können nicht anders“, kokettiert Rhomberg. Er sieht im Gleisbau nur einen wirklichen Begrenzungsfaktor: „Wir haben zu wenig Leute. Ich kann jeden Mann gebrauchen.“Richtige DosierungFür einen Alemannen verfügt Hubert Rhomberg über erstaunlich viel Temperament. Viele seiner Wegbegleiter sehen es als erste Pflicht, ihn auf den Boden zu holen. Und anders als viele seiner Branchenkollegen hat der studierte Bautechniker kein Problem, über ungelegte Eier zu reden. Dies macht ihn in den Augen seiner Freunde zu einem Menschen, der „nicht nur in Bilanzen denkt“, wie es ein Geschäftspartner formuliert. Skeptiker aus den Reihen des Mitbewerbs finden da andere Ausdrücke.Hubert Rhomberg genießt es, als wohlbestallter Geschäftsmann über Mittel und Wege zu verfügen, die ihn in Zukunftsfragen etwas mehr tun lassen als sich Sorgen zu machen. Die Notwendigkeit einer nachhaltigen und energieeffizienten Bauform ist ihm Überzeugung. Dafür ist er bereit, Kapital in die Hand zu nehmen. Die Idee des hybriden Holzhochbaus hat ihm bereits eine Stange Geld gekostet. Fußballstrategen würden aber sagen, er fahre dabei den Kurs der kalkulierten Offensive. Er schiebt die Dinge an, ohne sich ganz zu verausgaben. Da ist er wieder ganz Alemanne.Ruf und Erfolg seiner Unternehmensgruppe sind wichtig. Jeder Rhomberg-Manager wird mit dem gruppeneigenen Verhaltenskodex konfrontiert. Einer der Punkte: „Wir bestechen nicht und lassen uns nicht bestechen“, auch wenn das schon Aufträge gekostet hat. „Wir gehen nicht in Märkte, von denen wir glauben, dass es dazu kommen könnte“, greift Rhomberg tief in die Schublade des Konjunktivs.Das Prinzip von Verantwortung und Vertrauen ist in seinen Unternehmen oberstes Gebot. Er verabscheut „Cover-myass-Typen, die bei jedem Mail fünf Leute in CC setzen“. Einer der Vorteile eines Familienunternehmens sei es, dass „wir bestimmen, wie viel Verantwortung wir anderen übertragen und wie viel Kontrolle es braucht.“ Aus seiner Sicht ist schon mehr kaputtgeprüft worden als an Missbrauch aufgedeckt: „Wir sind Mittelständler. Unsere Mitarbeiter entscheiden und handeln sehr eigenverantwortlich. Das unterscheidet uns von einem großen Konzern und macht letztendlich auch unsere Stärke aus.“Californian DreamsDie Reise Rhombergs nach Kalifornien ist Teil einer umfassenden Brautschau. Der Vorarlberger sucht Partner für sein Holzbau-Konzept. Seine Mitgift: Eine zertifizierte Holzhochbau-Technik für den städtischen Raum und eine Bauorganisation, die die Umsetzungszeit nahezu halbieren. Der Rohbau seiner Referenzprojekte ist in acht Werktagen in den Himmel gewachsen. „Die Amerikaner bauen so, wie wir das in den 70ern getan haben“, sucht er seine Chancen. Gerade die Weltmeister des produktiven Wirtschaftens seien im Baugewerbe „alles andere als effizient“. Vorfertigungen der Holzbauteile seien unbekannt, Modulbauweisen kaum umgesetzt. Die Bautrupps zögen von Baustelle zu Baustelle und „machen ihre Arbeit. Von Organisation und Ablaufoptimierung ist da keine Rede.“ Das Cree-System mobilisiere hier enorme Potentiale. Neben den USA gelten Deutschland und Skandinavien als Märkte, „deren Baukultur offen für ein Holzbaukonzept im städtischen Raum“ scheinen. Gesucht sind Partner, die ein Joint Venture unter der Marke „Cree“ eingehen. „Das muss draufstehen, um weltweit sichtbar zu werden“, legt sich Rhomberg fest. Er will Cree zum Gütesiegel des zukunftsfähigen Bauens machen.Erste ReferenzenWie der hybride Holzbau unter Einhaltung aller Normen und Brandschutzregularien funktioniert, zeigen die Vorarlberger an zwei Referenzprojekten: Dem Cree-eigenen Firmensitz LCT One (Life Cycle Tower), der als Demonstrationsgebäude mit sieben Geschossen in Dornbirn hochgezogen wurde. Und mit dem ersten echten Kundenprojekt des Illwerke Zentrums Montafon (IZM) in Vandans, das – wie auch LCT One – vom Vorarlberger Holzbau-Architekten und Cree-Partner Hermann Kaufmann entworfen wurde. Eine Jury kürte das Projekt in einem internationalen Architektenwettbewerb zum Sieger. Im Herbst 2013 wurde das IZM nach der vereinbarten Bauzeit von 19 Monaten eröffnet: Die Bauherren, die Vorarlberger Illwerke, übernahmen ein fünfstöckiges Gebäude von 120 m Länge und knapp 10.000 m2 Nutzfläche. „Das Bürokonzept des Open Space war unter den Mitarbeitern durchaus umstritten“, erinnert sich Illwerke-Vorstand Helmut Memel, „die Ausgestaltung aus Holz und das damit verbundene Raumgefühl haben aber alle Vorbehalte bereinigt“. Die Baukosten von 30 Mio. Euro werden auch als Investition in die eigene Reputation gesehen. Nachhaltigkeit ist für einen Energieversorger eine der wichtigsten Botschaften überhaupt. Seit Fertigstellung des großen Bürogebäudes im Montafon strömen Delegationen von Architekten, Stadtplanern und aus der Baubranche nach Vandans.Keilen um AufrägeDas Projekt sorgt für Aufsehen. Aber noch nicht für Aufträge. Sechs Monate nach Fertigstellung gibt es jede Menge Gespräche, aber keine unterzeichneten Verträge. 2013 war eine Kapitalerhöhung notwendig, um die Cree GmbH am Leben zu erhalten. Die musste die Rhomberg Holding alleine stemmen. Die Mitgesellschafter der Rimo-Privatstiftung mit Großbäcker Bernhard Ölz und – jawohl – der Signa Holding von René Benko, der mit 25 Prozent eingestiegen war, waren davon weniger begeistert und verwässerten ihre Anteile. Benko hält nur mehr 7,5 Prozent, die Rimo-Privatstiftung 11,25 Prozent. 81,25 Prozent kontrolliert die Rhomberg-Gruppe. Dessen Eigentümer ist sauer, dass ihn seine Mitgesellschafter im Regen stehen ließen. Und er weiß, dass der Imageschub nach Fertigstellung des IZM schleunigst in Aufträge umgemünzt werden muss. Denn die Offensive will weiterhin kontrolliert sein. Der frühe Vogel sucht den Wurm.(SOLID 03 / 2014)