SOLID Plus : Duclaux: "Ohne Industrie wird Europa nicht funktionieren"
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SOLID: Im Mai 2014 berichtete SOLID groß über die damals eben beschlossene Fusion der Zementriesen Lafarge und Holcim. Es gab damals Ängste vor Preisanstiegen, zu hohen Marktanteilen, es gab Verkaufsdiskussionen um das große Werk Mannersdorf, das ja auch Teil eines Joint Ventures mit der Strabag ist etc. Was ist Ihr erstes Fazit aus der Fusion, bis zu der es ja dann noch knapp ein Jahr gedauert hat?Antoine Duclaux: In den vergangenen Jahren gab es kaum Veränderungen in Bezug auf die Player am Österreichischen Zementmarkt. Ein Mega-Projekt wie der Merger von LafargeHolcim wird da natürlich mit Interesse verfolgt und kommentiert. Trotzdem muss man realistisch bleiben, wir bewegen uns in einem hochentwickelten kompetitiven Markt, hier gilt es über den Tellerrand zu schauen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Unser Ziel ist es, innovative Produkte und Anwendungen für die Baubranche zu bieten, um den Baustoff Beton dort zu positionieren, wo er unschlagbar ist. Wir denken hier an Infrastruktur – wie z.B. Betonstraßen – aber auch an behagliches Wohnen mit Beton. Wir sind davon überzeugt, dass Beton als Energiespeicher eingesetzt der Gesellschaft einen Mehrwert bietet. Wir wollen unseren Baustoff über Fakten positionieren und das bringt der gesamten Betonbranche einen Vorteil.
Ich war selber Teil jener Arbeitsgruppe, die für die Verhandlungen mit der Wettbewerbsbehörde der EU verantwortlich war. Die Wettbewerbsbehörden achten darauf, dass kein Akteur eine marktbeherrschende Stellung einnimmt. Das Zementwerk Mannersdorf etwa wurde aufgrund dessen auf die vorgeschlagene Liste der Desinvestitionen aufgenommen. Letztendlich wurde aber entschieden, die gesamten Geschäftsanteile von Holcim in der Slowakei zu verkaufen, um eine mögliche marktbeherrschende Stellung zu vermeiden. Das Joint Venture mit der Strabag (bei dem Mannersdorf eine Rolle spielt, Anm.) besteht unverändert, hatte aber im Merger-Prozess keinen Einfluss auf Entscheidungen, da die Verhandlungen auf höchster Ebene mit den Wettbewerbsbehörden der EU geführt wurden.
Natürlich freuen wir uns, dass wir als Business Unit in Central Europe East komplett erhalten geblieben sind. Wir liegen derzeit bei einem Marktanteil von rund 30 Prozent. Was ist jetzt nach der Fusion anders im Unternehmen?
Duclaux: Der Merger bedeutet für uns intern, dass wir gewohnte Herangehensweisen, Prozesse und Standards nun vice versa innerhalb von LafargeHolcim vergleichen und analysieren können, mit dem Ziel, unseren Kunden noch bessere Qualität und Services zu bieten. Wir von Lafarge in Central Europe East – dazu gehören die Tschechische Republik, Slowenien, Ungarn und Österreich – sind durch unser Bekenntnis zur Innovation bereits näher beim Kunden, indem wir versuchen, gemeinsam Geschäftsmodelle für den Endkunden zu entwickeln. Wir setzen uns dafür ein, dass der Baustoff genau dort eingesetzt wird, wo er glaubwürdig angewendet wird und der Gesellschaft einen Mehrwert bietet – Stichwort „Heizen und Kühlen mit Beton“, mehr Sicherheit durch die Betonstraße, etc. Diese Strategie wird bei LafargeHolcim gelobt.Die Schweizer betreiben dafür ihre Zementwerke sehr effizient und bringen neue Perspektiven und Geschäftsmodell ein, so profitieren wir von einander.
Wie hat der Zementmarkt in Österreich reagiert?
Duclaux: Die Zementproduktion ist ein regionales Geschäft, wir produzieren und agieren regional. Trotzdem werden wir auch zukünftig unseren Kunden aufgrund unseres internationalen Backgrounds eine noch breitere Palette an innovativen Produkten und integrierten Anwendungen bieten können. Durch unser internationales Netzwerk können wir z. B. auf unsere Forschungszentren zurückgreifen, wo ständig neue Produkte und Anwendungen von Betontechnologen entwickelt werden, wie zum Beispiel Anwendungen für Ultra High Performance Concrete. Wir haben unsere Verbindungen bereits in der Vergangenheit eingesetzt, um gemeinsam mit unseren Kunden Mauersteine zu entwickeln, die eine hohe Dämmeigenschaft aufweisen und 100 % mineralisch sind. Wir freuen uns auf weitere Innovationen von LafargeHolcim, die wir am österreichischen Markt implementieren können.
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Und was ist anders auf den Zementmärkten in Europa?
Duclaux: Wir produzieren lokal, was in der Region benötigt wird. Aus heutiger Sicht bin ich davon überzeugt, dass es die Zementindustrie auch in den nächsten Jahrzehnten in Europa geben wird. Ohne Industrie - und dazu gehört auch die Zementindustrie - wird Europa nicht funktionieren. Für uns heißt es daher unermüdlich an vernünftigen und glaubwürdigen Anwendungen zu arbeiten, damit weiterhin ein Markt für diese Industrie vorhanden ist.
Wie geht es der Zement- und Betonindustrie bei diesem Unterfangen? Was sind die Strategien, Innovationen, Knackpunkte?
Duclaux: Wie bereits angesprochen, ist der österreichische Markt bereits sehr ausgebaut. Derzeit werden noch große Infrastrukturprojekte wie z. B. der Koralm- oder Semmeringtunnel gebaut. Damit wir in unserer Branche auch zukünftig erfolgreich sind, müssen wir über den eigenen Tellerrand blicken und neue Geschäftsmodelle entwickeln. Beton ist dauerhaft und speziell Festigkeit und Stabilität sind seine wesentlichen Stärken. Die thermische Speicherfähigkeit von Beton wird hingegen noch nicht optimal genützt, das wollen wir ändern. Wir haben gemeinsam mit dem VÖZ ein Forschungsprojekt zum Thema „Heizen und Kühlen mit Beton“ gestartet. Gleichzeitig beginnen wir gemeinsam mit unseren Kunden in Systemen zu denken. Bauteile aus Beton könnten somit mehrere Aufgaben erfüllen. Die Zeiten sind vorbei, in denen unser Baustoff nur auf seine statischen Eigenschaften reduziert werden konnte. Heuer war und ist am Bau ja rechtlich einiges in Bewegung – Steuerreform, Vergaberechtsnovelle, Diskussion um Wohnbauförderung, Sozialdumpinggesetz. Wie beurteilen Sie das?
Wir verfolgen das ganze natürlich, diese Themen werden von der Vereinigten Österreichischen Zementindustrie behandelt, als Firma stehen wir diesen Themen aber neutral gegenüber.
Interview: Thomas Pöll