Baustoffe : Drei Visionen für die Welt der Baustoffe
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Zement ohne CO2?
Wäre Zement ein Land, er wäre der größte Verursacher von Treibhausgasen hinter den USA und China. Nichts anderes in der Industrie stößt so viel CO2 aus – acht Prozent der globalen Emissionen.
Das liegt vor allem daran, dass Zement im Bau nach wie vor sehr viel verwendet wird. Und das wird sich auch kaum ändern, im Gegenteil. „Es wird erwartet, dass sich die Zahl der Gebäude weltweit bis 2060 verdoppeln wird“, sagt Yet-Ming Chiang, Professor für Materialwissenschaft und -technik am MIT. „Das entspricht einem neuen New York City alle 30 Tage.“
Chiang leitet ein Team am MIT, das ein elektrochemisches Verfahren erdacht hat, um Zement annähernd CO2-neutral zu produzieren.
Der hauptsächliche CO2-Ausstoß in der Zementproduktion ist der Gewinnung von Branntkalk aus Kalkstein zuzuschreiben. Wird das Rohmehl gebrannt, wird einerseits CO2 aus dem erwärmten Kalkstein ausgetrieben; andererseits werden für die Erwärmung meist fossile Brennstoffe verwendet, die ebenfalls CO2 ausstoßen.
Im Labor hat das MIT-Team mittlerweile schon demonstriert, wie beide Quellen eliminiert oder stark reduziert werden können. Das elektrochemische Brennen produziert hier konzentrierte Gasströme, aus welchen das CO2 abgesondert wird. Nicht nur würde der Ausstoß so drastisch reduziert, die konzentrierten Gase könnten auch anderweitig verwendet werden.
In der Theorie und ersten Versuchen funktioniert das Verfahren auf jeden Fall schon. Ob es sich je durchsetzen wird, wie viel es kosten würde und wie viel Zeit bis dahin noch vergehen könnte – das konnten die MIT-Genies bisher noch nicht berechnen.
Ein durchsichtiges Haus auf dem Mars
Auch sehr nach Zukunftsmusik klingt die Idee der NASA für einen Baustoff – doch hier scheint die Durchsetzungskraft schon wahrscheinlicher. Denn es geht nicht darum, ein altes Verfahren wie die Zementproduktion neu aufzukrempeln – vielmehr muss dringend eine Möglichkeit gefunden werden, ein Gewächshaus zu bauen, das auf dem Mars eine Chance hätte.
Die Antwort liegt laut einer aktuellen NASA-Studie in Aerogel. Hierbei handelt es sich um hochporöse Festkörper, deren Volumen zu 99,98 Prozent aus Poren besteht.
Die Raumfahrt verwendet Aerogele bereits zur Isolation, etwa beim Marsrover. Genau diese Isolier-Qualität soll jetzt das sein, was Gewächshäuser auf dem Mars möglich machen soll. Der Stoff soll Licht durchlassen, aber keine UV-Strahlung; die Luft kann sich erwärmen, die Wärme entweicht aber nicht.
Das liegt an der geringen Größe der Poren. „Luftmoleküle können das Aerogel nicht durchdringen, die Wärmeübertragung durch das Material ist also sehr niedrig“, erklärt Mary Ann Meador, Forscherin am Glenn Research Center der NASA in Cleveland. Manche Arten von Aerogelen isolieren daher 39 Mal so stark wie Glasfasern.
Auch das Problem, dass es auf dem Mars zu kalt für fließendes Wasser ist, könnte damit gelöst sein. Durch die entstehende Wärme innerhalb einer Aerogel-Konstruktion könnte sogar Eis geschmolzen werden.
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Ein gelöstes Problem
Von zwei Theorien zu einer Innovation, die tatsächlich schon Fuß gefasst hat. Das Münchener Gründerunternehmen Multicon hat sich auf verschiedene Betonarten spezialisiert, doch besondere Aufmerksamkeit erlangt gerade das Herstellungsverfahren, mit dem sogar Feinsand für Beton verwendet werden kann.
Die Aufmerksamkeit ist gerechtfertigt, ist das große Ressourcenproblem der Bauwelt schließlich Sand. Nur fünf Prozent der weltweiten Vorkommen sind für die Betonproduktion überhaupt verwendbar – und werden schneller abgeschöpft als sie sich natürlich erneuern können. Wird nun Wüstensand plötzlich zur Ressource, würde das zwei Probleme auf einmal lösen. Erstens müssten Länder im Mittleren Osten und Nordafrika nicht mehr von weit her brauchbaren Sand importieren; zweitens wäre natürlich das große Ressourcenproblem in der Betonherstellung weltweit fürs erste gelöst – zumindest, bis auch die Wüsten leer werden.
Doch tatsächlich geht es bei den für die Produktionen zu kleinen Sandkörnern nicht einzig und allein um Wüstensand. „Es gibt auch in unseren Breiten genug Feinsande“, erklärt Leopold Halser, Geschäftsführer von Multicon gegenüber Solid.
Was Multicon mit dem Feinsand genau macht, klingt in zwei kleinen Schritten erklärt auf einmal sehr einfach, obwohl natürlich viel Wissen und Arbeit dahintersteckt. Erst wird der feine Sand zu Bausand gemacht und dann dieser zu Beton – dabei kann Zement eingespart werden, was den Beton wiederum kostengünstiger und umweltverträglicher macht. Und wer hätte gedacht, dass die Antwort auf das Problem zu kleiner Sandkörner dann ganz einfach in noch kleineren Körnern liegt. Der Feinsand wird nämlich noch weiter zerkleinert, regelrecht pulverisiert.
Das Sandmehl wird dann zu Pellets granuliert, die als Zusatzstoffe in der Betonproduktion eingesetzt werden können. Für die Pellet-Granulierung hat Multicon seine eigene Technologie entwickelt, die das Unternehmen auch weltweit vertreibt. In Saudi-Arabien und Ägypten sollen kommendes Frühjahr die ersten beiden Anlagen in Betrieb genommen werden.
https://youtu.be/L9f8fdvYjko
Was dieses Verfahren für Auswirkungen haben kann, muss nicht geschätzt werden – die Zahlen sprechen für sich. Bis zu 40 Prozent Zement und bis zu 30 Prozent CO2 können so eingespart werden. Auch auf die Materialkosten würde sich die Technologie dann positiv auswirken.
Und was die Recyclingmöglichkeit des Feinsand-Betons betrifft – „die ist nicht zu 100 Prozent gegeben, sondern zu 1.000 Prozent“, so Halser.
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