Österreich : Die Nachwuchsstars im Stahlbau
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Zeige mir deinen Nachwuchs, und ich sage dir, wo du in wenigen Jahren stehst. Junge Mitarbeiter kommen von außen, erwerben Kenntnisse, lernen die Spielregeln, und übernehmen eines Tages selbst eine tragende Rolle. Und genau darauf kommt es an, wenn heimische Stahlbaufirmen auch übermorgen noch am Markt bestehen wollen.
Wie die Betriebe den Nachwuchs für sich gewinnen und mit ihm umgehen – das sind heute zentrale Fragen. Und auf der anderen Seite genauso, wie die jungen Kolleginnen und Kollegen ihre Branche und ihre Firma sehen. Denn fähige Nachwuchskräfte sind begehrter denn je.
Einer der Gründe dafür ist die sich jedes Jahr weiter verschärfende demografische Situation: Es gibt immer weniger junge Menschen. Ein zweiter Grund ist die viel größere Auswahl an Möglichkeiten, die Maturanten offen stehen – freiwillige Arbeit im Ausland, Praktikum, Lehre oder Studium, bis zum Master oder doch nur bis zum Bachelor? Uni oder FH, und als Parallelangebot maßgeschneiderte Ausbildungen in den großen Firmen? Oder doch einfach nur schnell Geld verdienen und dann auf eine lange Reise? Der dritte Grund für die Schwierigkeiten scheint das sinkende Ausbildungsniveau zu sein. Ausbilder von Lehrlingen bestätigen das quer durchs Land genauso wie namhafte Architekturbüros, die Hochschulabsolventen einlernen.
Entsprechend ist es inzwischen Realität, dass Unternehmen sich auf Berufsmessen den Studierenden präsentieren, bei Lehrlingen Werbung fürs Handwerk machen und in eigenen „Recruiting Days“ Schüler von HTLs zu gewinnen suchen. Dort bauen die Firmen Stände auf, zeigen Filme und verteilen Luftballons. Eine Situation, von der Schulabsolventen wenige Generationen davor nur träumen konnten – heute sind es die Firmen, die sich bei den potentiellen Mitarbeitern bewerben.
Wie es aussieht, schlagen sich Österreichs Stahlbauer in diesem Wettbewerb weit besser als der Durchschnitt. Offenbar wirkt der Stahlbau auf eine bestimmte, kleine Gruppe junger Menschen, nämlich die Macher und Gestalter von morgen, extrem anziehend. Als Begründung für ihre Berufswahl nennen sie immer wieder die vielfältigen Formen, die mit diesem Werkstoff möglich sind. „Das Spannende sind die riesigen Kräfte, die im Stahlbau wirken, etwa bei einer Stahlbrücke. Und die Frage, wie ich bei so großen Spannweiten den Kraftfluss definiere“, sagt etwa Markus Plakolb vom Stahlbauer MCE. Und Anna Lorenz von Waagner-Biro meint: „Bauten aus Stahl stechen ins Auge. Man schaut sie an und fragt sich: Wie stellt man das her? Wie ist die Konstruktion dahinter? Es ist dieser Wow-Effekt.“
Wir stellen hier drei junge Menschen aus dem heimischen Stahlbau vor – ihren Weg hinein in die Firmen, ihre Pläne, ihre Projekte. Sie sind auf Empfehlung ganz unterschiedlicher Stellen und damit alles andere als streng wissenschaftlich ausgewählt. Und doch können diese drei, stellvertretend für viele ihresgleichen, einen ersten Einblick bieten bei der Frage, wie die es gerade um die Jungen im Stahlbau steht. Einige ihrer Gemeinsamkeiten vorweg: Alle drei sind bei ihrem ersten Arbeitgeber tätig. Bei jedem ist die Loyalität gegenüber dem eigenen Betrieb überraschend hoch. Und für alle drei ist das Bauen mit Stahl keineswegs einfach nur ein netter Job – sondern eine Tätigkeit, bei deren Beschreibung sie regelrecht ins Schwärmen kommen.
„Es ist dieser Wow-Effekt“
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BSc. Anna Lorenz, 22 Management Montage, Waagner-Biro Wien
So selten Frauen in der Baubranche sind – Anna Lorenz beweist, dass der Stahlbau auch ihnen gegenüber attraktiv erscheinen kann. Und zwar so attraktiv, dass Lorenz schon während der Schulzeit den Kontakt mit Waagner-Biro aufnimmt und nach der Matura gleich dort anfängt: „Ich wusste, ich will nicht fünf Jahre studieren, sondern gleich in die Arbeitswelt.“
Die Niederösterreicherin besucht die HTL Mödling, weil sie gut in Mathematik und im Zeichnen ist. An dieser Schule unterrichtet Professor Michael Palka, ein „begeisterter Stahlbauer“, wie Lorenz erzählt, der ihr Interesse für diesen Werkstoff weckt. Als sich beim nächsten „Recruiting Day“ der Schule namhafte Betriebe aus vielen verschiedenen Branchen präsentieren, ist der jungen Frau klar, wem sie besonders genaue Fragen stellen will: Waagner-Biro.
„Diese Firma macht international Prestigeprojekte, die sofort ins Auge stechen: In der Geometrie, in der Spannweite, bei den Formen. Man steht davor, schaut es sich an und denkt: Wie stellt man das her? Wie ist die Konstruktion dahinter? Es ist dieser Wow-Effekt.“
Die Sympathie für den filigranen Werkstoff sei „etwas Persönliches“, sagt Lorenz. Und fügt gleich hinzu, dass das genauso bei Glas gelte. Zum Beispiel beim Etihad Museum in Dubai, das Waagner-Biro im Vorjahr fertiggestellt hat. Es ist eines der Projekte, bei denen Anna Lorenz bereits mitgearbeitet hat: Ein zweigeschossiger Besucherpavillon, bei dem 950 Tonnen Stahl verbaut sind, aber eben auch jede Menge Glas. „Das Glas ist dort ein tragendes Element. Man steht vor der Wand und sieht nur Glas. Eine neue Erfahrung. Und eines der Bauten von Waagner-Biro, bei denen man nicht erwarten würde, dass sie möglich sind.“
Heute steht die junge Technikerin kurz vor ihrem Masterabschluss an der FH Campus Wien. Ein Studium, das sie berufsbegleitend absolviert hat, parallell zur Teilnahme am Programm „Fast Forward“. Das ist eine Art interne Kaderschmiede, für die Waagner-Biro international besonders motivierte Mitarbeiter auswählt. Sie absolvieren eigene Workshops, besichtigen Betriebe, treffen Führungskräfte und arbeiten in den Niederlassungen der Gruppe im Ausland.
Lorenz war etwa sechs Wochen bei der Tochterfirma Qualter Hall in England im Bereich der Fertigung und Mechanik. Und eben auch drei Wochen auf der Baustelle des Etihad Museum. Direkt uf die Baustelle soll sie auch der nächste Schritt führen, sagt Anna Lorenz. „Ein Projekt von Anfang an betreuen, auf die Baustelle gehen und es bis zum Ende umsetzen – das ist es.“
„Brückenbau, das muss man erleben“
Dipl.-Ing. Markus Plakolb, 26, Statik und Konstruktion, MCE Brückenbau
Unter jungen Stahlbauern gehört Markus Plakolb zu jenen, die schon ein konkretes eigenes Projekt von Anfang bis zum Ende umgesetzt haben: Den vor wenigen Tagen abgeschlossenen Abbruch und Neubau der Ennsbrücke in der Steiermark. Übrigens ein so außergewöhnliches Projekt, dass MCE ihn zum heurigen BautechPreis Austria des Baumagazins SOLID eingereicht hat.
Brücken bauen – das wollte der Mühlviertler schon früh. Er macht die Matura an der HTL in Linz und studiert danach Bauingenieurwesen an die TU Graz. Während des Studiums arbeitet Plakolb als Assistent am Institut für Stahlbau. Zur Begeisterung über den Brückenbau kommt allmählich die Begeisterung für Stahl hinzu. „Die Strukturen bei diesem Werkstoff sind immer leicht und aufgelöst. Das Spannende aus statischer Sicht sind die riesigen Kräfte, die beim Bau von Stahlbrücken wirken. Und die Frage, wie ich dabei den Kraftfluss definiere.“ Nachdem ein Schulkamerad zum Linzer Stahl- und Anlagenbauer MCE wechselt, bewirbt sich Plakolb auch – und wird gleich genommen. „Diese Firma ist schon die richtige Adresse. Hier kommt alles zusammen: Stahlbau, Brückenbau, auch die Nähe für mich als Mühlviertler. Ich bin sehr zufrieden bei MCE.“
Denn seit dem Sprung in die Praxis vor eineinhalb Jahren hat die Begeisterung bis heute nicht nachgelassen. „Brückenbau muss man erleben. Man kann sich erst auf der Baustelle vorstellen, was das wirklich ist“, sagt Plakolb. „Auf der Uni bekommt man hohes theoretisches Wissen, sieht Tragverhalten nur am Computer. Dabei habe ich mich immer gefragt, wie denn Verformungen in der Natur aussehen.“ Bei dem Projekt Ennsbrücke Selzthal im Auftrag der ÖBB ist es dann soweit. Der junge Statiker ist Teil einer Mannschaft, die einen recht besonderen Plan ausarbeitet. Plakolb fasst es so zusammen: „Stark vereinfacht ging es darum, eine 1905 gebaute Fachwerkbrücke durch eine neue Konstruktion zu ersetzen. Dabei wurde das neue Tragwerk auf dem Bahndamm davor montiert, mithilfe von Litzen über die Bestandsbrücke eingeschoben und danach abgesenkt. Anschließend wurde die alte Brücke wiederum über die neue ausgeschoben und dann demontiert.“
Dieses erste Projekt wird der junge Statiker wohl nie vergessen. „Als wir dann vor Ort gestanden sind und gesehen haben, wie sich die einzelnen Stahlelemente verformen und durchbiegen – das war schon ein tolles Erlebnis. Man bekommt erst da ein Gefühl für die Größe und die Kräfte, die da wirken, was das tatsächlich ist: 400 Tonnen. Dass alles wirklich so kommt, wie man es vorher durchgerechnet hat.“ Sehr anschaulich werde auf der Baustelle auch vor Augen geführt, wie massiv die Hilfskonstruktionen sein müssen und wie wichtig sie sind – „weil man im Stahlbau ohne Hilfskonstruktionen nichts heben kann“, sagt Markus Plakolb.
Eine Gemeinsamkeit mit den anderen hier vorgestellten jungen Menschen ist der Wunsch des Mühlviertlers, öfter auf Baustellen zu sein und sich weiterzuentwickeln – im Brückenbau, in der Abwicklung, auch in der Fertigung. Gerade die Fertigung der Einzelteile in dieser hoch industrialisierten Bauweise sei komplex, sagt Plakolb, „aber am Ende werden die vielen Einzelteile plötzlich zu einem großen Ganzen.“
Und dann hat der junge Ingenieur noch einen ganz anderen Wunsch. „Natürlich wäre es für mich als Oberösterreicher schön, an einer neuen Brücke in meiner Heimatregion mitzuarbeiten. Zum Beispiel in Linz.“
„Es hat eins zu eins gepasst“
Ingenieur Christoph Gragl, 25, Stellvertretender Werkstättenleiter Porr Stahlbau Wien
Das Interesse am Werkstoff Stahl kommt bei Christoph Gragl aus der eigenen Familie: Sein Vater arbeitet im Metallbau. Gragl, ein gebürtiger Wiener, macht während der Schulzeit Praktika in einer Schlosserei, dann die Matura in Wirtschaftsingenieurwesen an der Wiener HTL TGM. Während seiner Zeit beim Bundesheer bewirbt sich Gragl beim Baukonzern Porr. Es ist Gragls erstes Bewerbungsgespräch: „Die Stellenanzeige hat vom Anforderungsprofil eins zu eins gepasst.“ Er wird sofort genommen.
Der Bereich von Christoph Gragl ist der temporäre Stahlbau – der auch im klassischen Massivbau eine im wörtlichsten Sinne tragende Rolle übernimmt. Vor allem aber werden im Alltag des jungen Bauingenieurs Bereiche des Stahlbaus sichtbar, die in Hochglanzbroschüren eher selten zu sehen sind, ohne die aber der Stahlbau undenkbar wäre: die Fertigung und die Montage.
Heute arbeitet Gragl mit seinem Chef und 16 gewerblichen Mitarbeitern vor allem für Auftraggeber innerhalb der Porr. Von einer geräumigen Simmeringer Werkstätte aus unterstützt die Mannschaft die unterschiedlichsten Projekte im Grundbau, Hochbau, bei Sanierungen oder beim Abdichten von Tunnelrohren. In der Werkstätte stehen unter anderem Bandsägen, Tafelscheren, Abkantpressen. „Allein im Grundbau bauen wir pro Jahr rund 250 Tonnen Stahl ein und wieder aus“, sagt Gragl.
Wie kann man sich die Abläufe vorstellen? Gragl erzählt: „Ein großer Teil meiner Arbeit ist CAD-Planung. Ich nehme auf der Baustelle Naturmaße auf und zeichne Werkstättenpläne, nach denen unsere Arbeiter die benötigten Bauteile fertigen können. Diese werden dann vor Ort montiert, verschweißt und später wieder ausgebaut. Oft ist das sehr anspruchsvoll, aber Alltag. Wir haben sehr gute Schweißer und Monteure.“
Als Beispiel für ein Projekt nennt der Bauingenieur den Neubau einer Fluchtstiege im Innenhof des Floridotowers in Wien-Floridsdorf: „Das war ein vierstöckiger Stiegenturm, 40 Tonnen Stahl. Wir haben die Planung und die Montage gemacht.“ Die Montage sei dabei nicht ganz einfach gewesen, so Gragl: „Wir haben einen sehr großen Autokran gebraucht, um die Teile über vier Stockwerke hinweg in den Innenhof zu heben. Der Autokranführer und die Monteure hatten dabei keinen Sichtkontakt. Die einzelnen Bauteile waren etwa zwölf Meter lang, und zwar bei einer recht großen Auslegung: Wir mussten die Stahlelemente 70 Meter weit horizontal heben.“
Genau wie Anna Lorenz und Markus Plakolb ist auch für Christoph Gragl ein Jobwechsel überhaupt kein Thema: „Mir gefällt es, dass dieser Beruf so abwechslungsreich ist, es ist die richtige Mischung aus Büro und Baustelle. Jeder Tag ist anders, weil jedes Projekt und jede Vorbereitung anders ist. Und genauso auch die vielen Kontakte zu den unterschiedlichsten Schnittstellen.“ So ist es, wenn nicht nur die Stellenanzeige eins zu eins zum jungen Bewerber passt – sondern auch der wirkliche Alltag.