Mensch oder Roboter? : Die Megatrends der Automation

Wohin gehen die Entwicklungen der Automatisierer? Werden Energieeffizienz-Richtlinien Hol- persteine bedeuten oder reizen sie nur die Innovationsgeister der Branche? Befinden sich OEM bereits in den Fängen des roten Drachen und verlassen die Heimat oder bringen neue Roboterkonzepte den zweiten Frühling der Branche? FACTORY nimmt Sie mit auf eine Reise durch die aktuellen Trends der Automation.

Wolkenschieberei.

Was technologisch schon längst möglich wäre, aber nicht offiziell erlaubt ist, schafft einen brodelnden Vulkan der Automatisie- rungsbranche: Anlagenfernüberwachung und -steuerung aus der Cloud. Eine soge- nannte „2-Way-Kommunikationsbasis“, die über weite Distanzen und von jedem mobi- len Endgerät aus funktioniert, wäre das Ziel. Die Entwicklungen gehen eindeutig in diese Richtung und trotzdem hängt das Thema Sicherheit wie ein schwingendes Beil über dem Fortschritt dieser Technologie. So hat Rockwell Automation kürzlich einen großen Schritt in diese Richtung gesetzt, indem es ein Pilotprojekt mit M. G. Bryan erfolgreich abschloss. M. G. Bryan, ein Maschinenbauer für die Öl- und Gasindustrie, wandte dabei Cloud Computing für die Echtzeit-Maschinendatenübertragung an.

Zusammen mit dem Partner Microsoft, der die global digitale Plattform Windows Azure bereitstellte, wurde eine Möglichkeit geschaffen, im Vor- hinein Anlagenausfälle möglichst zu verhindern. Vor allem in der Gas- und Ölindustrie kommen schwere Gerätschaften zum Einsatz und das in sehr abgelegenen Gebieten. Mithilfe eines mobilen Transmitters in Form eines Trucks konnten Daten von der Bohrmaschine in die Cloud transportiert werden und dadurch ständig der Zustand der Gerätschaften überprüft werden. Störungen und Anlagenausfälle wurden so minimiert.

M. G. Bryan bietet die Wolke eine kostengünstige Methode zur Speicherung von Maschinendaten und Fernzugriff auf Echtzeit-Informationen, die damit auch die Produktivität steigern“, erklärt Sujeet Chand, CTO von Rockwell Automation. Das Ganze stelle allerdings noch eine One-Way-Kommunikation dar, das heißt Daten von der Maschine in die Cloud zur Kontrolleinheit, aber nicht umgekehrt. Der Grund: Sicherheitsrisiken.

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„Servicelösungen aus der Cloud müssen von vertrauenswürdigen Anbietern kommen“, verweist Harald Taschek, Geschäftsführer der T&G Automation, auf den Trend der Cloud. So will zum Beispiel General Electric nächstes Jahr mit einer cloudbasierten Lösung, welche eine komplette Anlagenverwaltung zur Verfügung stellt, den Markt erobern. „Der Clou liegt darin, die Anwender von dieser Lösung zu überzeugen“, fügt Taschek hinzu.

„Denn einerseits gibt es jene, die auf den Cloudzug aufspringen und diese Entwicklungen als absoluten Zukunftstrend sehen, und andere, die dem Ganzen noch sehr skeptisch gegenüberstehen.“ Dennoch liegen die Vorteile klar auf der Hand: „Warum sollte man das Rad dreimal erfinden, wenn sich Know-how und Erfahrungen teilen lassen. Cloudbasierte Lösungen orientieren sich an Kooperationen und das heißt, bis zu einem gewissen Grad seine Daten, sein Know-how zu teilen“, so der Automationsexperte.

Integriertes Energiemanagement.

Während Sujeet Chand, CTO von Rockwell Automation, einen eindeutigen Trend in Richtung „integriertes Energiemanagement“ sieht, ziert sich Österreichs Automatisie- rungsbranche noch davor. „Der Blickwinkel auf Energie ist bei uns noch nicht so ausgeprägt“, ist Taschek der Meinung. Energie stellt immer noch eine Fixkostenstelle dar. Optimierung Fehlanzeige und dabei geht großes Einsparungspotenzial verloren. Einer der einfachsten Wege, seine Produktionskosten zu reduzieren, ist es, seinen Energiekonsum zu optimieren, verwies Chand auf der Rockwell Automation Fair in Philadelphia. „Aber solange die von Gott gegebenen Energiekosten wie das Wasser einer Gießkanne über die Unternehmen verteilt werden“, hält Taschek dagegen, „fehlt dem Thema die Griffigkeit.“

Produktionsstätten auslagern.

Die EU-Energieeffizienz-Regelungen stehen in den Startlöchern, jedoch warten viele produzierende Unternehmen noch ab. Manchen kehren dem Ganzen überhauptden Rücken und verlagern ihre Produktionsstätten lieber in die BRIC-Staaten. „Viele OEM sehen dort einen großen Markt, vor allem in China. Auch wir bei M&R Automation strecken unsere Fühler dorthin aus und konzentrieren uns daher weniger auf Energiemanagement“, sagt Christian Amon, Leiter Business Development bei M&R.

Die Meinungen spalten sich also beim Thema Energie. Automatisierer, die hier einen Trend sehen, setzen jedoch eher auf ein komplettes Energiemanagement. Dieses bietet von der Visualisierung bis hin zum integrierten und kontrollierten Energiemanagement alles. „Es hilft nicht, wenn mir ein Energiemanagementsystem nur anzeigt, wo die Energie verbraucht wird, aber es mir keine Zusammenhänge liefert“, so Taschek.

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Ein hoher Investitionsaufwand bei der Energieüberwachung ist bei den produzierenden Unternehmen unerwünscht, deshalb versuchen Automatisierer wie Rockwell Lösungen anzubieten, welche auf bereits vorhandene Infrastrukturen aufbauen. „Gerade Antriebselemente messen schon immer den Energiekonsum einer Anlage und wenn es möglich wird, dass diese ‚Drives’ auch Bericht erstatten können, dann gibt es keine zusätzlichen Kosten“, so der CTO von Rockwell.

Keine komplett neue Energie-Infrastruktur.

Es ist also nicht mehr die Rede von einer komplett neuen Energie-Infrastruktur, sondern von optimierten bereits vorhandenen Elementen. Auch die Pilz-Entwicklungsabteilung widmet sich diesem Trend. „Zwei Drittel der elektrischen Energie im industriellen Umfeld wird von den elektrischen Antrieben verbraucht“, erklärt Stephan Marban, Ingenieur bei Pilz. Die Rede ist hier von geregelten Antrieben oder ansynchronisierten Motoren. An sogenannten „Sleep Modus“ oder „Reduced Energy Modus“ bei Produktionsanlagen wird sowohl im Hause Pilz als auch bei Rockwell gearbeitet und geforscht. Hauptaugenmerk liegt dabei, dass sich Energieeffizienz und Produktionsoptimierung nicht in die Quere kommen. „Es sollte ein Zusammenspiel der beiden gefunden werden“, ist auch Taschek überzeugt. Roboter oder Mensch?

Auch wenn der Trend rund um die „Lean Production“ eher ruhig geworden ist, hat sich das Ganze in eine andere Richtung weiterentwickelt. „Die Zukunft liegt bei flexiblen Anlagen, die einfacher gebaut sind“, erklärt Christian Amon. Das Vorbild: der Mensch. „Wir sehen die Flexibilität eines Menschen und versuchen das zu übertragen.“ Roboterhersteller setzen auf Robotersysteme die Menschen nachahmen. Das Ziel: eine Anlage, viele Produkte. Manche Ingenieure wagen sich noch einen Schritt weiter. ABB bricht mit seinem neuen kleinen Industrieroboter FRIDA, die Regeln der typischen riesigen Roboterproduktionslinien. FRIDA ist klein, handlich und vor allem flexibel. Den menschlichen Torso nachahmend, kann der Zwei-Arm-Roboter kleine Teile flexibel bearbeiten und ahmt dabei menschliche Eigenschaften nach.