Nicht über einen niedrigen Preis sichert sich der heimische Holzbau einen Platz an der Weltspitze – sondern über die Handwerkskunst, die Qualität der Baustoffe und die Präzision der einzelnen Bauteile. Oft steht eine jahrelange und intensive Forschung dahinter. Ein Beispiel dafür ist das gute alte Brettsperrholz – ein auf den ersten Blick recht simples Bauelement. Auf den zweiten Blick wird klar, dass das Gegenteil zutrifft. Wird eine Brettsperrholzplatte (BSP) verbaut, ist eine ganze Reihe von Fragen schon geklärt: Wie dick müssen die einzelnen Bretter sein? Sollen drei, fünf oder sieben Schichten verleimt werden? Und in welchem Winkel – 90 oder doch 45 Grad?
Eine detaillierte Holzbauforschung liefert die Antworten auf diese Fragen und sorgt dafür, dass inzwischen ganze Hochhäuser aus Brettsperrholz statt aus Beton errichtet werden. So gilt BSP heute als echte „Grazer Spezialität“ – denn federführend mitentwickelt hat sie Gerhard Schickhofer, Leiter des Instituts für Holzbau und Holztechnologie. HFA: Im Auftrag des MittelstandsIn Österreich ist eine Reihe von Hochschulen im Bereich der Holzbauforschung tätig. Sie decken die gesamte Palette von der Grundlagenforschung bis zum fertigen Produkt ab – und stellen die Erkenntnisse für die Wirtschaft bereit. Auch viele Betriebe entwickeln auf eigene Faust neue Produkte.
Weil sich allerdings nicht jede Firma eine eigene F&E-Abteilung leisten kann, kommt der Holzforschung Austria eine besondere Rolle zu. Dieses außeruniversitäre Institut forscht in enger Abstimmung mit Firmen an Lösungen für konkrete Projekte – gleichsam wie eine externe Forschungsabteilung des Mittelstandes. SOLID bringt hier eine Übersicht der im Moment spannendsten Forschungsprojekte, die schon bald Teil der Baupraxis werden könnten. Innsbruck: Gebogene HolzflächenEine der heimischen Ideenschmieden für den Holzbau ist die Universität Innsbruck und dort das Institut für Konstruktion und Materialwissenschaften und Arbeitsbereich Holzbau. Am Lehrstuhl des Professors Michael Flach forschen junge Wissenschaftler derzeit beispielsweise an der Querzugbeanspruchung von gebogenen Brettsperrholzelementen; an der Faserverstärkung im konstruktiven Holzbau; an geeigneten Brandschutzbeschichtungen – oder am sogenannten Radiusholz. Gemeint sind damit große, gebogene Brettsperrholzelemente. Derzeit arbeiten die Wissenschaftler in Innsbruck zusammen mit der Osttiroler Firma Holzbau Unterrainer daran, die industrielle Herstellung dieser Elemente zu verbessern. Denn bisher konnten große, gebogene Flächen aus Holz nicht maschinell produziert werden, sie waren deshalb arbeitsintensiv und vor allem sehr teuer.
Das könnte sich bald ändern: Die Projektbeteiligten wollen zeigen, wie die industrielle Produktion von Radiusholz aussehen kann. Danach könnten mit den Elementen zum Beispiel extrem schlanke Dachkonstruktionen gebaut werden. In diesen Wochen läuft an der Technischen Versuchs- und Forschungsanstalt der Uni Innsbruck eine Großserie von Versuchen. Das Ziel steht schon fest: Die technische Zulassung für Europa. Graz: Schrauben und ErdbebenHolzbauforscher in Graz untersuchen das Verhalten kleinster Bauelemente bis hin zu jenem ganzer Häusern aus Holz. So sind heutzutage dank ständiger Weiterentwicklungen selbstbohrende Holzschrauben mit einem Vollgewinde, Längen bis zu 600 mm und einem Durchmesser bis zu 12 mm keine Seltenheit mehr. Die Schrauben werden direkt in Stahlblech-Holzverbindungen gebohrt und axial belastet.
Allerdings sind einige Fragen noch offen, und die Antworten darauf liefern Wissenschaftler am Institut für Holzbau und Holztechnologie der TU Graz. Zum Beispiel, wie sich die Traglast und das Kriechverhalten einer solchen Verbindung im zeitlichen Verlauf entwickelt. Oder, wie die Gesamttragfähigkeit von mehreren hintereinander verbauten Verbindungen sein muss (sogenannte „Gruppenwirkung“). Eine Nummer größer waren Untersuchungen dazu, wie sich ein dreistöckiges Haus im Fall eines starken Erdbebens verhält. Im Jahr 2013 beteiligten sich Institutionen aus ganz Europa an dem weltweit erst zweiten Großversuch dieser Art. Dazu errichteten die Forscher auf einem gigantischen „Schütteltisch“ in Lissabon ein knapp acht Meter hohes Haus in Holz-Massivbauweise aus Brettsperrholz. Für den Bereich Brettsperrholz waren Forscher der Uni Graz verantwortlich, gemeinsam mit ihren Partnern aus der Holzindustrie: Mayr-Melnhof, Hasslacher, Stora Enso Haas, Sherpa und Harrer. 7,3 auf der Richterskala – kein ProblemDer Aufbau des Testgebäudes mit einer Fläche von 90 m² entsprach ganz der Realität – und die Vibrationen auch. Mit einer hydraulischen Rüttelplatte wurde exakt das Erdbeben des Jahres 1979 in Montenegro simuliert, das die Stärke 7,3 auf der Richterskala erreichte. Entsprechend musste das Holzhaus in Lissabon 15 Mal hintereinander unterschiedlich starken Erschütterungen standhalten.
Die Forscher wollten vor allem wissen, wie sich die Verbindungen zwischen den einzelnen Bauelementen verformen – und ob die Konstruktion bei einem Erdbeben zu einer tödlichen Falle für die Bewohner geworden wäre. Wer sich mit Häusern aus Holz beschäftigt, den überrascht das Ergebnis kaum: Schrauben und Verbindungen verformten sich, hielten aber bis zum Schluss. Und das gesamte Gebäude blieb fast unbeschadet stehen – was bei einer Konstruktion aus Ziegel oder Beton wohl kaum der Fall wäre. Wien: Leichter Beton dank HolzAuch in Wien entwickelt das Institut für Architekturwissenschaften, Tragwerksplanung und Ingenieurholzbau (ITI) Ideen für den Holzbau von morgen. Das Besondere an dem Institut: Unter der Leitung von Wolfgang Winter werden hier sowohl künftige Architekten als auch Bauingenieure unterrichtet. Das ITI nimmt damit eine Brückenstellung zwischen den vielen Baufakultäten der TU Wien ein. Ein aktueller Forschungsbereich des Wiener Instituts widmet sich Verbindungen von Holz und Beton. Bekanntlich werden heute zementgebundene Holzprodukte vor allem für nicht tragende Zwecke eingesetzt, etwa als Schall- oder Brandschutzplatten. Dabei wäre Holz-Leichtbeton in neuartiger Zusammensetzung auch in Decken und Wänden einsetzbar, meinen die Forscher. Derzeit untersuchen sie die je nach Zweck benötigten Zusammensetzungen des Holz-Leichtbetons, ebenso wie die Verbindungsmittel oder die geeigneten Messmethoden. Ein weiteres Forschungsprojekt untersucht das Tragverhalten von Holzleichtbeton. Das ist Beton, in den Holzstücke statt der üblichen mineralischen Zuschläge reingemischt werden. Die Vorteile dieses immer noch unüblichen Baustoffs: Schall- und wärmeisolierender und vor allem viel leichter als herkömmlicher Beton; und zugleich brandbeständig im Gegensatz zu einer reinen Holzkonstruktion. Tragendes Element im Holzbau: GlasDie Mannschaft von Wolfgang Winter treibt aber auch die Entwicklung an einer wirklich jungen Verbundkonstruktion voran: Elemente aus Holz und Glas. Für diese Konstruktionen werden beide Elemente verklebt und so daraus aussteifende und lastabtragende Scheiben, Träger und Platten gemacht. Dabei dienen Holz und Holzwerkstoffe als Bewehrung und Kantenschutz für das spröde Glas, während Glas die vergleichsweise weniger ausgesteiften Holzkonstruktionen stärkt. Das Ergebnis: In Zukunft könnte Glas ein tragendes Element im Holzbau werden. Die Ergebnisse dieses Forschungsprojekts hat die TU Wien zum Patent angemeldet. Daraufhin haben Österreich, Deutschland, Slowenien, Schweden, Türkei, Brasilien und Chile gemeinsam ein dreijähriges Anschlussprojekt gestartet, dessen Ergebnisse 2014 vorliegen werden. Wenig überraschend – die Leitung des Projekts liegt beim ITI.