Baumaterialien : Der Dschinni aus der Plastikflasche
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Fluch oder Segen?
14.000 PET-Flaschen verbraucht der durchschnittliche Mensch in seinem Leben. Das ist eine Menge Müll – der alle anderen Plastikverpackungen, die wir so wegwerfen, ja noch gar nicht miteinschließt. Doch auf der ganzen Welt machen sich Forscher und Pioniere daran, eine Lösung für das Plastikmüllproblem und gleichzeitig das Wohnproblem zu finden – und stoßen auf Ansätze, die weit über normales Recycling hinausgehen.
Ist Plastik gleich Sand?
30 Prozent Sand stecken in etwa in einer herkömmlichen Betonmischung. Wenn man nun Plastik so zerstückeln würde, dass es als Baumaterial wie Sand einsetzbar ist? Fragten sich Forscher in einem gemeinsamen Projekt der Bath University und des Goa Engineering Colleges in Indien, und sind mittlerweile immerhin so weit, dass zehn Prozent des Sands in Betonmischungen durch feingeriebene Plastikflaschen ersetzt werden können. Eine möglicherweise dringend notwendige Erkenntnis, landen in Indien doch täglich 15.000 Tonnen Plastikmüll auf den Straßen.
Für das Forschungsprojekt wurden fünf verschiedene Typen an Plastik – darunter auch Einkaufsbeutel – getestet. Die Flaschen schnitten am besten ab. Denn aller zerkleinerter Müll ist nicht gleich Sandersatz. „Die Plastikart, Größe und Form der Partikel beeinflussen die Beschaffenheit des Betons“, sagt Richard Ball, einer der Forscher von der Bath University. Doch selbst eignet sich das neue Gemisch nicht für das Grundgerüst eines Gebäudes, kann es immer noch im Bau eingesetzt werden – beispielsweise als Bodenbelag.
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Let the sunshine in
Plastik als Bodenbelag zu recyceln war dem Münchner Architekten Florian Nagler nicht ansatzweise genug. Für ein Haus im Böhmerwald, das viel Platz und viel Licht haben, doch wenig kosten sollte, legte er statt einer teuren Glasfassade einfach eine Hülle aus Plastik an. Nein, einfach war es dann doch nicht, den Behörden zu erklären, dass das Kunststoff - Haus nicht einstürzen wird.
Konkret wurden für die doppelschalige Fassade Platten aus Polycarbon verwendet, die besonders lichtdurchlässig und recht simpel ineinander zu stecken sind. Der Luftraum zwischen den beiden Schalen kann kontrolliert werden – so kann im Sommer die Luft durchströmen und im Winter stehenbleiben und als Wärmedämmung dienen.
Bloß nichts neues...
Weil Kunststoff sich für die Dämmung eignet und noch dazu stabil, leicht und verformbar ist, wird schon seit den 1940ern an möglichen Einsatzgebieten geforscht. Faserverstärkte Kunststoffe findet man in Autos, Booten und in der Raumfahrt – warum aber kaum im Bau? „Im Bau sind die Leute traditionsgeleitet“, sagt Thoralf Krause von Fomekk, einer Forschungsgruppe zu dem Thema an der Uni Weimar. Und trotzdem: „Künftig wird Kunststoff als Baumaterial nicht mehr wegzudenken sein.“ Krause sieht eine große Möglichkeit im Altbau. Wenn Beton zu schwer ist, um alte Gebäude bei einer Renovierung noch weiter zu belasten, könnte man auf Plastik setzen.
Block Party
Der kolumbianische Architekt Oscar Andres Mendez Gerardino sieht Plastik eher im Neubau. In seiner Heimat will er mit festen Blöcken mehrerer Schichten verschiedener Plastikarten billigen Wohnraum schnell schaffen. Über 1.500 Quadratmeter Wohnfläche aus 300 Tonnen Plastikmüll hat er bereits geschaffen. 40 Quadratmeter aus diesen Blöcken entstehen angeblich in nur fünf Tagen.
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Eine fast schon schöne Burg
Der Gedanke an bezahlbaren Wohnraum trieb auch den kanadischen Unternehmer Robert Bezeau nach Panama und dazu, ein ganzes Dorf aus Plastikflaschen zu errichten. Ein Haus – wobei Bezeau mittlerweile auch schon eine fast schon prunkvolle PET-Burg erschaffen hat – benötigt zwischen 10.000 und 40.000 Flaschen. Idealerweise sind diese nur von innen zu sehen. Sind die leeren Flaschen – gefüllt würden sie nicht so gut isolieren, meint Bezeau – aufgestapelt und durch ein Stahlgitter zusammengehalten, werden Stromleitungen und Wasserrohre durch das Geflecht gelegt und es kann betoniert werden. Länger als eine Woche soll das nicht dauern. Bezeau träumt mittlerweile von eigenen Trainingscentern, in denen die Bautechnik mit Plastikflaschen unterrichtet wird. Ob diese Schulen dann wohl auch aus Kunststoff sein werden?...
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