Österreich : Delugan-Meissl: "Spannungsfeld mitunter zum Nachteil der Baukultur"
SOLID: Sie sind am 4. November Keynote-Speakerin bei den BautechTalks 2019 mit dem Titel „Choreografie der Emotionen“. Was kann man sich unter diesem von ihnen stammenden Titel vorstellen?
Elke Delugan-Meissl: Im Fokus unserer Arbeit steht die emotionale Erfahrbarkeit durch den zukünftigen Nutzer. Der architektonische Entwurf schafft anhand der angewandten Parameter wie Höhen und Neigungen besondere Atmosphären, welche unterschiedliche Raumerlebnisse zulassen sowie eine Vielzahl von Emotionen beim Nutzer auslösen. Diesen Prozess kann man daher mit der Konzeption einer „Choreografie der Emotionen“ vergleichen, indem die Nutzer eine zentrale Rolle einnehmen.
Welche Beispiele werden das sein?
Elke Delugan-Meissl: Das Porsche-Museum in Stuttgart bietet den Besuchern eine Vielfalt an sinnlichen und visuellen Raumbezügen. Bereits das Ankommen über eine leicht geneigte Ebene hin zum bewusst niedrig gehaltenen Foyer, gestattet erste Einblicke in die Schauwerkstatt - über einen breiten, zentral gelegenen Aufgang erfolgt der Eintritt in die sogenannte Arena, den schwebenden Museumsteil, hier eröffnet sich der „Porsche Kosmos“. Die Ausstellungsebenen sowie das Wegesystem sind spiralförmig angeordnet, formen die verschiedenen Bereiche innerhalb des Gebäudes. Zonen der Ruhe, des Stillstandes sowie der Geschwindigkeit, der Dynamik wechseln einander ab, eine Abfolge zwischen Enge und Weite, Geschlossenheit und Offenheit erhöhen die Spannung dieser Raumerfahrung.
Architektur und Entwurf ist das eine, die Ausführung ist das andere. Wie sehen sie das Spannungsfeld, das da immer wieder auftaucht?
Delugan-Meissl: Dieses Spannungsfeld, geprägt durch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wird mitunter zum Nachteil der Baukultur auch weiterhin bestehen. Ein architektonisches Konzept, von der Entwurfsidee bis hin zur Realisierung, wird stets in Hinblick auf seine Umsetzbarkeit entwickelt. Erforderliche Adaptionen werden gemeinsam mit den ausführenden Firmen geplant, um die Qualität des Entwurfs in der Realisierung auch zu gewährleisten. Es ist bedauerlich, dass der Stellenwert von Architektur in der Gesellschaft oft unterschätzt wird. Architektur ist ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens, sie formt und gestaltet Lebensräume – und hat somit einen wesentlichen Einfluss auf das soziale Miteinander.
Gab es nie grobe Konflikte?
Delugan-Meissl: In unseren Entwurfsprozessen versuchen wir auf geänderte Rahmenbedingung sowie Wünsche des Auftraggebers ohne Qualitätsverlust zu reagieren. Beim Festspielhaus Erl beispielsweise, entwickelten wir ein Fassadenpattern, welches den geringsten Verschnitt produzierte. Diese Maßnahme führte letztlich neben dem homogenen Erscheinungsbild auch zu einem wirtschaftlich zufriedenstellenden Ergebnis für den Bauherren.
Das hat ja dann auch eine eigene Qualität, nicht?
Delugan-Meissl: Es ist eine komplexe Aufgabe, alle Projektbeteiligten als auch die unterschiedlichsten Nutzungsanforderungen, wie Flexibilitäten in den Entwurfsprozess miteinzubeziehen bzw. dem gerecht zu werden. Dies erfordert hohe Flexibilität und Professionalität im Team.
Wie sehen Sie in dem Zusammenhang die Klimadebatte?
Delugan-Meissl: Die Debatte um den Klimaschutz stellt bereits seit einigen Jahren ein wichtiges Thema in der Architektur dar. Meiner Einschätzung nach muss eine adäquate Auseinandersetzung auf vielfältiger Ebene geschehen. Nachhaltiges Bauen sollte ganzheitlich gedacht werden - es gibt keine Universallösung. Auch der „Wohlfühlfaktor“ bezogen auf den Nutzer stellt in diesem Zusammenhang einen wichtigen Aspekt dar. Für die Umnutzung der ehemaligen Leiner-Filiale in der Mariahilfer Straße (Delugan-Meissl war Juryvorsitzende des Wettbewerbs, in dem sich letztlich der Entwurf des niederländischen Architekturbüros OMA - Rem Koolhaas - durchsetzte) schlägt anstelle der klassischen Fassadenbegrünung einen großzügigen, zusammenhängenden Park mit grandiosem Blick auf dem Dachebene vor. Ein innovativer Lösungsvorschlag mit großem Benefit für die Allgemeinheit.
Sind sie mit der städtebaulichen Entwicklung in Wien zufrieden?
Delugan-Meissl: Die Qualität des Wiener Wohnbaus ist unbestritten, obwohl
viele Innovationsmöglichkeiten durch bestehende Strukturen eingeschränkt sind. Aus meiner Sicht ein guter Zeitpunkt, um über neue Strategien nachzudenken.
Muss man dafür die Grenzen des Machbaren verschieben? – Auch das ist eine Formulierung aus der Ankündigung der BautechTalks. Oder sind die Grenzen des Machbaren technische, statische?
Delugan-Meissl: Thema ist nicht nur die Grenzen des Machbaren zu verschieben, sondern Technologien und Prozesse weiterzuentwickeln. Die Autoindustrie zeigt es uns vor. Die Baubranche muss sich gleichermaßen der Zukunft stellen – wie z.B. die der Rolle von Robotern im Bauprozess – ein spannendes Feld!