Bestbieterprinzip wieder neu (?): Das Bestbieterprinzip wurde (schon wieder) geändert. Der Katalog an Tatbeständen, die zur Anwendung des Bestbieterprinzips verpflichten, wurde zwar etwas "schlanker" und klarer gefasst; die undifferenzierte Anwendung des Bestbieterprinzips für Bauaufträge mit einem geschätzten Auftragswert von über EUR 1 Mio. wird aber beibehalten.
Das Billigstbieterprinzip darf (weiterhin) nur dann angewendet werden, wenn der Qualitätsstandard der Leistung klar und eindeutig definiert ist. Die Materialien verweisen im Zusammenhang mit solchen Qualitätsstandards etwa auf standardisierte Leistungen im Straßenbau. Für diese ist ab einem geschätzten Auftragswert von EUR 1 Mio. – wie aus-geführt – aber jedenfalls das Bestbieterprinzip anzuwenden (auch wenn es sich dabei um standardisierte Leistungen handelt). Diese Logik verwundert stark, zumal eine standardisierte (Billigstbieter-)Leistung nicht dadurch komplexer wird, dass sie ein größeres Volumen hat.
Neues zu Subunternehmern: Klargestellt wird, dass die bloße Lieferung von Waren oder Bestandteilen, die zur Erbringung einer Leistung erforderlich ist, keine Subunternehmerleistung darstellt. Die mit der letzten Novelle eingeführte Einschränkung auf "handelsübliche" Waren und Bestandteile entfällt, was eine erfreuliche Schärfung der Lieferantendefinition darstellt.
Auftraggeber können nun den Einsatz von Subunternehmern weitgehender einschränken als bisher. Neben den mit der letzten Novelle eingeführten Regeln zu den "kritischen Leistungsteilen" kann der Rückgriff auf Subunternehmer nun zusätzlich dann beschränkt wer-den, "sofern dies durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt und angemessen ist." Auftraggeber verfügen damit über großen Spielraum bei der Beschränkung von Subvergaben.
Vertragsänderungen / Zusatzaufträge: Eine wesentliche Neuerung stellt die gesetzliche Festschreibung der vom EuGH entwickelten Grundsätze zu nachträglichen Vertragsänderungen dar. Eine für Bauunternehmen besonders relevante Neuerung ist dabei die sog. "safe-harbor"-Regelung. Diese erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen eine Änderung des Bauauftrags ohne Neuausschreibung (Änderung beträgt nicht mehr als 15% des ursprünglichen Auftragswertes; Wert der Änderung übersteigt nicht den maßgeblichen Schwellenwert; keine Änderung des Gesamtcharakters des Auftrags). Eine wichtige Klarstellung zu einem Thema, das in der Vergangenheit schon vergaberechtliche Unsicherheiten hervorgerufen hat. Im Übrigen betrifft diese 15%-Klausel uE nur "echte" zusätzliche Leistungen; bloße Mengenmehrungen in ausgeschriebenen Positionen bei Einheitspreisverträgen stellen uE (weiterhin) keine hier relevanten "Vertragsänderungen" iSd Vergabe-rechts dar (und sind uE daher bei der Berechnung außer Acht zu lassen).
Ausdrücklich festgelegt ist nunmehr auch die Möglichkeit, unter bestimmten Umständen – insbesondere Erfüllung der ursprünglich festgelegten Eignungskriterien durch den neuen Auftragnehmer – einen Auftragnehmerwechsel infolge von "Umstrukturierungsmaßnahmen" durchzuführen (etwa bei Insolvenz; vgl auch EuGH C-396/14, MT Højgaard A/S ).
Angebotsöffnung privat: Die verpflichtende öffentliche Angebotsöffnung entfällt. Dem Auftraggeber steht es somit frei, die Angebotsöffnung unter dem Beisein der Bieter oder "privat" (und weniger transparent) ohne Bieter durchzuführen.
Neuregelungen zur Zuverlässigkeit: Die Möglichkeiten, Bieter aus einem Vergabeverfahren auszuschließen, wurden stark erweitert. So sind Bieter etwa (bereits) dann auszuschließen, wenn der Auftraggeber "über hinreichend plausible Anhaltspunkte" für wettbewerbswidrige Abreden verfügt. Einen neuen – gerade im Baubereich extrem kritischen –Ausschlussgrund stellt es weiters dar, wenn das Unternehmen bei der Erfüllung einer wesentlichen Anforderung im Rahmen eines früheren Auftrages "erhebliche oder dauerhafte Mängel erkennen lassen hat, die die vorzeitige Beendigung, […] Schadenersatz oder andere vergleichbare Sanktionen nach sich gezogen haben". Drastisch gefragt: Kann eine Ersatzvornahme bei einem früheren Auftrag den Ausschluss aus einem Vergabeverfahren bringen? Die Antwort obliegt wohl leider den Gerichten.
Grundsätzlich bestehen bleibt aber die Möglichkeit für Unternehmen, ihre berufliche Zuverlässigkeit wieder glaubhaft zu machen, indem sie sog. "selbstreinigende" Maßnahmen treffen. Zusätzlich zu den bereits bekannten Maßnahmen (technisch, organisatorisch und personell) haben Unternehmer nun aber auch einen Schadensausgleich zu tätigen bzw sich zu einem solchen zu verpflichten. Zudem müssen betroffene Unternehmen nachweisen, dass sie aktiv mit den Ermittlungsbehörden kooperieren. Ein Nachweis der (wieder-hergestellten) beruflichen Zuverlässigkeit ist daher in Zukunft noch schwieriger und stellt Unternehmen – etwa bei möglichen Kartellverstößen und daraus resultierenden Schadenersatzforderungen – vor schwer lösbare Probleme (zahlt man im Zweifel lieber im Vergleichsweg Schadenersatz, nur um nicht bei zukünftigen Vergabeverfahren ausgeschlossen zu werden?).
BUAK-Meldepflicht für Auftraggeber: Auftraggeber sind nunmehr dazu verpflichtet, nach der Zuschlagserteilung eines Bauauftrages (bzw der Vergabe eines Loses eines Bauauftrages) mit einem Auftragswert von über EUR 100.000 auftragsbezogene Daten in die Baustellendatenbank der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse einzutragen. Dies sind neben dem Namen des Auftragnehmers und der Auftragssumme etwa auch die Namen allfälliger Subunternehmer sowie deren Auftragsteil (zur Einsichtnahme in die Bauda-tenbank berechtigt sind insbesondere die Abgabenbehörden des Bundes, Krankenversi-cherungsträger und die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt)
Mitarbeit: Christopher Graf, Rechtsanwaltsanwärter bei WolfTheiss
Dieser Artikel entstammt der Ausgabe 4/2017 von SOLID - Wirtschaft und Technik am Bau