Am Wohnbau und damit an dessen Finanzierung entscheidet sich die Zukunft der heimischen Bauwirtschaft und der Wirtschaft überhaupt. Das klingt zwar etwas dramatisch, ist aber weniger überzogen, als es den Anschein haben mag. Denn es geht nicht nur um die Arbeitsplätze am Bau und den Bestand der Firmen in Bauindustrie, Gewerbe und Zulieferung, sondern auch um die damit verbundenen Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge (im Gegensatz zu Ausgaben für Arbeitslosengelder etc.). Und es geht um leistbares Wohnen und damit die Existenzfähigkeit für die Menschen, die in den neu zu errichtenden Wohnungen leben sollen.Doch was die Bauwirtschaft in den vergangenen Jahren gehört hat, waren vor allem Lippenbekenntnisse und vollmundige Ankündigungen mit Hintertürl. Wir alle erinnern uns an die berühmte Wonbaumilliarde, die vor der Nationalratswahl 2013 versprochen wurde - und an das kleingedruckte Wort Finanzierungsvorbehalt, das daran hing und weiter hängt. An der Wohnbaumilliarde wird ein Spiel deutlich, das die Politik so gerne treibt. Der Bund sagt: wir geben die Summe X, wenn die Länder auch dazu zahlen. Die Antwort der Länder: das können wir nur, wenn der Bund uns (via Finanzausgleich) mehr Geld gibt. Und fertig ist das Beamtenmikado, bei dem der verliert, der sich als erster bewegt. Ach ja: Im vergangenen November wurde der bestehende Finanzausgleich bis 2016 verlängert; ein Teil davon ist, dass die Wohnbauförderung nicht zweckgewidmet ist. 365-Euro-Gemeindewohnungen oder frei finanziertes leistbares Wohnen? Tatsache ist: vor allem in den Ballungszentren und da wiederum vor allem in Wien mit seinem jährlichen in den Zehntausenden liegenden Zuzug werden neue Wohnungen benötigt, die sich die Menschen auch leisten können. Vor wenigen Wochen machten zwei Ankündigungen aus den unterschiedlichen politischen Ecken die Runde: Zum einen versprach Wiens Bürgermeister Häupl die Errichtung neuer Gemeindewohnungen und die Grüne Vizebürgermeisterin Vassilakou stieß gleich mit der Forderung von an die Öffi-Netzkarte angelehnten 365 Euro Miete für eine Singlewohnung nach. Und aus der anderen Reichshälfte kam eine von Vizekanzler Mitterlehner präsentierte Initiative der BIG-Tochter Austrian Real Estate (ARE). Danach sollen mit bis zu zwei Milliarden Investitionen innerhalb von sechs Jahren auf dem freien Wohnungsmarkt 10.000 neue Wohnungen geschaffen werden.Die Reaktion auf Ersteres aus der Wiener Oppositionsecke: "Wahlkampfgetöse!" Jene auf Zweiteres (vor allem aus Arbeiterkammer und FPÖ): mehr als skeptisch, was die Leistbarkeit für die Endkunden betrifft. Die Sozialpartner mit ihrer Initiative Umwelt+Bauen begrüßen die Initiative zwar naturgemäß, verweisen aber auf ein von ihnen Ende 2014 vorgestelltes Konzept, mit dessen Hilfe innerhalb von fünf Jahren 30.000 zusätzliche Wohnungen errichtet und 6,5 Milliarden Euro investiert werden sollen - mit einem von S-Bausparkassen-Generaldirektor Josef Schmidinger entwickelten Modell, das nähere Betrachtung lohnt. "Was ist, wenn es dieses Geld nicht gibt?" Schmidinger im SOLID-Gespräch: "Wenn wir sagen, wir wollen 5-6.000 Wohneinheiten zusätzlich bauen - inklusive Baureifmachung der Grundstücke -, brauchen wir natürlich zusätzliches Geld. Das könnte man nach dem klassischen österreichischen Wohnbaumodell machen - 20 Prozent zahlt der Staat, 20 die Wohnungswerber, und 60 Prozent kommt von den Banken. Dazu müssten aber die Bundesländer die Wohnbauförderungsmittel aufstocken - bei 6.000 Wohneinheiten wären das für die Länder ungefähr 200 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr. Das wäre knapp eine Milliarde, die die Länder in fünf Jahren extra zur Verfügung stellen müssten. Aber was ist, wenn es dieses Geld nicht gibt? Noch dazu bei den Ansprüchen, die wir heute energietechnisch haben, die wir an hochwertiges und auch an altersgerechtes Bauen haben. Wir werden das auch nicht schaffen, wenn wir die zusätzlichen Einheiten zu Lasten der Qualität der bisher errichteten Bauten machen. Also bleibt nur mehr die Möglichkeit, sich um zusätzliches Geld umzusehen." Eine Möglichkeit wäre, das Geld über die Bundesfinanzagentur aufzutreiben - doch dann wären es wieder für das ohnedies schon gebeutelte Budget zählende Maastricht-Schulden. Oder - und das ist die Idee, um die es geht - die Finanzierung erfolgt über eine entgeltliche Haftung des Bundes für die Wohnbaubanken, die dann ihrerseits Mittel der Europäischen Investitionsbank EIB anzapfen können.Schmidinger geht damit keine ganz neuen Wege, denn die S-Bausparkasse hat das Anzapfen von EIB-Mitteln schon am Beispiel Energiesparen n den letzten Jahren erfolgreich durchexerziert. Und dazu kommt: "Vor allem für Infrastrukturmaßnahmen wird es leicht sein, europäische Maßnahmen in Bewegung zu bringen." Historisch niedrige Zinsphase und europäische Infrastruktur-Gelder ausnützen Der Vorteil gegenüber der freien Finanzierung ist einfach erklärt: Die Gelder der EIB sind sehr günstig verzinst, da diese per Definition das beste Rating in der EU hat. Dazu wünscht sich Umwelt+Bauen eine geringe Haftung des Bundes, da der Bund hat ein besseres Rating und einen wesentlich größeren Haftungsrahmen als jede Bank (zB die Mutterbank der S-Bausparkasse, die Erste Bank) hat. Und es geht sehr stark darum, die derzeitige Niedrigzinsphase (dzt. 10-Jahres-Satz unter 1 Prozent!) auszunützen. Wenn das klappt, verspricht sich Umwelt+Bauen nach Berechnung von Experten• zusätzlich 0,4 % Wirtschaftswachstum pro Jahr • 1,5 % weniger Staatsschulden pro Jahr • 20.000 Fulltime-Arbeitsplätze • Wohnraum für 68.000 Menschen und• 1,2 Milliarden mehr an Steuereinnahmen Frage von SOLID: macht man da nicht die Rechnung ohne den Wirt EIB? Schmidinger:"Die EIB finanziert 70 Milliarden Euro jährlich. In Österreich entspricht das 800 Millionen bis 1 Milliarde. Ich bin überzeugt: Wir könnten uns für dieses Projekt diese ca. 200 Millionen im Jahr holen, die wir benötigen." Und: Könnte so ein Modell theoretisch - in Zeiten klammer Budgets und unsicherer Widmung - die Wohnbauförderung überhaupt ersetzen und wäre nach oben skaliberbar? Das ist nicht das Ziel, meint Schmidinger. "Aber wenn einmal nichts mehr über bleiben sollte, sollten wir ein Instrument entwickelt haben, mit dem wir agieren können."