Interview mit Hans Peter Haselsteiner : "Da hab ich einen schlechten Tag gehabt"
Solid: Herr Haselsteiner. Was treibt Sie an?
Hans-Peter Haselsteiner: Es wäre gelogen wenn ich nicht ein ehrgeiziger Mensch wäre von meinem Naturell her. Aber der Ehrgeiz ist natürlich schon seit vielen Jahren nicht mehr die Triebfeder. Tatsache ist, dass wenn einmal ein Gebilde oder eine Unternehmung eine bestimmte Größe hat, dann ist es der Ehrgeiz von vielen Hunderten oder Tausenden, der zusammenwirkt und das Tempo der Entwicklung bestimmt. Also mein Ehrgeiz ist es schon lange nicht mehr.
Sie haben die Strabag über 30 Jahren aufgebaut zu einem der größten europäischen Fixsterne im Baubereich gemacht. Warum ist Ihnen Europa mittlerweile zu klein?
Haselsteiner: Europa ist an
und für sich groß genug für uns. Bedingt durch die Wirtschaftskrise, die ja unsere Kernmärkte Deutschland und Österreich in erster Linie betrifft, wollen wir auch wieder im Direct Export in andere außereuropäische Märkte ausweichen. In erster Linie nach Nordafrika, den Nahen Osten und ein bisschen nach Asien. Allerdings immer mit Spezialitäten, von denen wir annehmen, dass sie uns wettbewerbsfähig machen. Wir bauen in neuen Märkten nicht irgendetwas, sondern wir bauen U-Bahnen - Tunnelbau. In Nordafrika beziehungsweise in Libyen bauen wir auch Strassen und städtische Infrastruktur. Tunnelbau, höchstens noch einmal ein Kraftwerk aber da ist meistens ein Tunnel dabei, und natürlich Umwelttechnik. Aber wir bauen keinen Hochbau, keine Bürotürme, keine Wohnbauten. Nicht einmal Olympiastadien, das machen wir alles nicht.
Apropos Olympiastadien, wie wird es denn in Russland in Sotschi weitergehen nachdem das ein leidiges Thema der letzten Jahre ist?
Haselsteinter: Das ist eine gute Frage. Es kann morgen eine Entscheidung fallen, es kann nächstes Monat eine Entscheidung fallen...
Aber die großen Aufträge sind doch schon an russische Firmen vergeben, was bliebe noch übrig für die Strabag?
Haselsteiner: Im Wesentlichen das olympische Dorf. Alles andere ist mehr oder weniger weg.
Und Ihr Ziel, das Russland eines der Länder wird, das in Ihrem Jahresbericht ganz weit oben steht, rückt damit in weite Ferne.
Haselsteiner: Ich werde es wahrscheinlich aktiv nicht mehr erleben, aber ich bin davon überzeugt, dass mein Nachfolger dieses Ziel erreichen wird. Russland wird der größte Einzelmarkt des Konzerns werden.
Sie werden noch eine Vertragslänge im Vorstand bleiben. Unternehmensberater empfehlen zehn bis fünf Jahre vorher schon seinen Nachfolger aufzubauen...
Haselsteiner: Da sollen die Unternehmensberater einmal bei sich anfangen.
Haben Sie schon konkret einen Nachfolger?
Haselsteiner: Ich habe mit Fritz Oberlechner einen Stellvertreter, der wird mein Nachfolger würde ich heute gegen einen Baum fahren. Er wird aber ein oder zwei Jahre vor mir ausscheiden und dann werde ich einen neuen Stellvertreter nominieren.
Wird das einer Ihrer Söhne sein?
Haselsteiner: Nein. Keiner meiner S
öhne ist im Konzern. Eine Managementfunktion dieses Zuschnitts darf keine Erbsache sein. Im Interesse der Gesellschaft, im Interesse der Aktionäre und im Interesse aller anderen.
Die Bauindustrie erwartet nächstes Jahr eine Durststrecke. Kommt aus Ihrer Sicht die große Krise noch?
Haselsteiner: Wir können das von uns aus nicht vorhersagen. Wir haben einen All-Time-High an Auftragsbestand weit über einem Jahresumsatz. Also geht es dem Konzern nicht schlecht. Einzelnen Konzernländern oder Regionen – wie etwa der Region Kärnten oder Ungarn – geht es trotzdem sehr sehr schlecht. Da erfolgten bereits große Anpassungen im Sinne von Kapazitätsrücknahmen. Große Arbeitskräftefreisetzungen und Reorganisationen auf kleinere Strukturen und Regionen werden uns in einzelnen Märkten nicht erspart bleiben. Aber der Konzern wird nicht schrumpfen, sondern eher bescheiden wachsen.
Was mach
t die Strabag besser als die Konkurrenz?
Haselsteiner: Ich glaube wir sind in unserem dezentralen Marktauftritt und in unserem zentralen Backoffice gut aufgestellt. Wir machen hunderte Male dasselbe und zwar in einer riesigen, fast nicht überschaubaren Flächen. Die Kunst der Unternehmensführung ist dabei die unternehmerische Vollmacht, die unternehmerische Entscheidung zu delegieren und zu sagen, dass in Kasachstan, Tripoli und Oman, in Klagenfurt, Hamburg und Brüssel der Zuständige vor Ort unternehmerisch entscheiden können muss. Aber trotzdem habe ich eine gemeinsame sehr konsequente Klammer über alles, damit ich die Kontrolle behalte, die Finanzströme einschätzen und Risken beurteilen kann. Wir haben einen kleinen Organisationsvorteil, aber es gibt andere Unternehmungen wie in Frankreich Bouygues oder Vinci, die haben das auch. Wir sind nicht allein, aber wir gehören zu den besser Organisierten.
Sie haben einmal Österreich und Deutschland als „Kriegsschauplatz Nr. 1“ Ihres Unternehmens bezeichnet. Jetzt sind wir nun zum Glück eine Generation, die keinen Krieg mehr erlebt hat, ist Unternehmertum die moderne Form der Kriegsführung?
Haselsteiner: Nein, das war ein schlechter Ausdruck, also überhaupt wenn man ihm auf den Grund geht. Nein, da hab ich einen schlechten Tag gehabt, das würde ich heute nicht mehr sagen.
Was hat die Strabag in Deutschland und Österreich noch vor?
Haselsteiner: In Deutschland ist unser Marktanteil in Prozenten höchstens halb so groß ist wie in Österreich, aber in Deutschland sind wir weitgehend stabil und wachsen nur mehr mäßig. In Österreich sind wir seit Jahrzehnten fertig. Wir versuchen nur unseren Marktanteil zu halten. In Österreich haben die großen – Alpine und Porr, Halatschek und Swietelsky und vielleicht noch Granit – gemeinsam einen Marktanteil von weit über 50 Prozent. Wir alle werden sehen, welche Auswirkungen die Wirtschaftskrise in den nächsten Jahren mit sich bringt. Wachsen wird nicht mehr so leicht gehen. Auf der anderen Seite wird ja das Volumen nicht größer. Wenn alles das passiert, was uns die Politiker an Sparmaßnahmen schon angekündigt haben, dann gehen wir ja nicht gerade blühenden Zeiten entgegen.
Wenn Sie Politiker wären, was Sie ja schon einmal waren, was wäre Ihre derzeitige Wirtschaftspolitik?
Haselsteiner: Ich würde wenigstens versuchen, antizyklisch zu investieren. (lacht) Jetzt muss man natürlich immer wieder dazusagen, gerade wenn man das Metier kennt, dass es da Sachzwänge gibt, denen man einfach nicht auskommt. Und insofern stimme ich dem Finanzminister schon zu, dass er wenig Spielraum hat. Selbst wenn er eingesteht, dass diese Politik die Krise eher verstärken wird oder die Krisenerscheinungen verstärken wird statt zu mildern.
Warum ist es nicht gelungen eine liberale Partei in Österreich zu etablieren?
Haselsteiner: Fragen Sie bessere andere.
Ich frage Sie, Sie haben sich dafür eingesetzt.
Haselsteiner: Ich weiß es nicht. Ich glaube einfach, dass die Österreicher nicht bereit waren oder wir nicht gut genug waren als liberale Politiker, das Modell unterstützenswert zu machen. Wir wollten eine Partei mit hohen Ansprüchen an unsere Wähler – gesellschaftspolitisch, wirtschaftspolitisch und in den Grundrechten liberal. Da tun sich die Menschen schwer. Teilliberal ist ja jeder schnell. „Ich habe nichts gegen Schwule“, sagt man leicht, aber dann zu sagen „Ich hab nichts gegen offene Märkte“ das geht leider nicht.
Politiker wechseln in die Bauwirtschaft. Werden Sie nochmals von der Bauwirtschaft in die Politik zurückgehen?
Haselsteiner: Das würde ich mir nicht mehr antun - glaube ich.
Zurück zu einem anderen Thema. Vor kurzem hat Alpine-Chef Dietmar Aluta-Oltyan vorgeschlagen, man soll das Staatsbudget doch sanieren, indem man der Schwarzarbeit ein Ende bereitet und es brauche keine neuen Steuern mehr.
Haselsteiner: Also ich weiß nicht, ob das ausreichen würde. Aber Schwarzarbeit einschränken oder vermeiden ohne einen Polizeistaat einzurichten und ohne Repressionen zu riskieren, das ist natürlich eine Herausforderung.
Und wie bewerkstelligen Sie den Kampf gegen kriminelle Energien in der Strabag?
Haselsteiner: Durch Kontrolle. Lang kann das keiner machen. Wenn jemand kriminelle Energie hat und insbesondere wenn er gescheit ist, kann er sich natürlich auch im perfektesten System eine Zeit lang bewegen. Irgendwann einmal kommt man dann natürlich drauf. Dann ist der Schaden meistens groß, die Aufregung groß und die Enttäuschung groß.
Kommt von solchen Machenschaften das schlechte Image des Baus?
Haselsteiner: Der Ursprung des schlechten Images des Baus ist die Politiknähe. Man darf ja nicht vergessen, dass wir immer noch in Westeuropa mehr als die Hälfte unserer Aufträge von der öffentlichen Hand bekommen. Aber ich glaube, das schlechte Image kommt daher, weil man uns immer unterstellt hat, da ist etwas geschoben, da ist politisch etwas gelaufen und es war ja auch oft genug so.
Und heute ist es nicht mehr so?
Haselsteiner: Bei Weitem nicht mehr so wie es war. Und dann kommt noch was dazu: wir sind ein klassischer Bauunternehmer. Die Baubranche als solche wird ja insbesondere von ihrer Zunft – den Medien - viel weiter gesehen. Sie schmeißen alles zusammen - Installateure, Dachdecker, Innenausbauer – und das ist der „Bau“. Aber wenn irgendwo ein Installateur verhaftet wird, ist das immer ein „Bauskandal“. Der Bauskandal am AKH hat mit dem Bau so gut wie nichts zu tun gehabt, da waren wir überhaupt nicht betroffen. Das waren nur unter Anführungszeichen Klima, Heizung, Lüftung.
Ein Schicksal wie beim Skylink?
Haselsteiner: Der Flughafen hat etwas falsch gemacht. Die Aufträge wurden gesondert ausgeschrieben. Das ist etwas, das heute kein Bauherr in Österreich mehr kann. Denn die Bauabteilungen der Auftraggeber sind alle zu schwach. Früher hatten die Donaukraftwerke und andere Bauherren Baubabteilungen mit 250 Beschäftigten, wovon 150 erstklassig ausgebildete Diplomingenieure waren. Sie konnten die Rolle des Generalunternehmers übernehmen. Der Flughafen Wien hat aber keine Bauabteilung, auf jeden Fall keine gute, also kann er das nicht. Das war ein Wahnsinn.
Sie fordern die ÖBB, einen großen Auftraggeber, mit dem Bau einer Konkurrenz-Westbahn heraus. Warum?
Haselsteiner: Mit der Westbahn haben wir eine Perle im Netz gefunden. Ich habe immer schon gesagt, dass die Strecke Wien-Salzburg die profitabelste ist, daher haben wir es ja auch gemacht. Und wenn wir es nicht gemacht hätten, dann hätte es halt irgendein anderer gemacht. Das wird die ÖBB nicht umbringen, sondern höchstens dazu veranlassen, zu sagen: Was müssen wir tun, damit wir in diesem Wettbewerb bestehen können? Wenn die Modernisierung nicht geschieht wird die Sanierung schwieriger und der Erfolg bescheidener. Und das heißt es kostet mehr Geld. Aber das ist nicht nur sein Problem, sondern auch das Problem der österreichischen Steuerzahler.
PPP-Projekte galten vor Jahren als große Chance der Branche. Die Nordautobahn, ein Vorzeigeprojekt, verläuft schleppend. Hat das Public-Private-Partnership wirklich eine Zukunft?
Haselsteiner: Ich glaube schon. In Deutschland ist man in der Sache ein bisserl flexibler. Auf Bundesebene in Österreich sehe ich keine große Zukunft. Die Asfinag kann das selbst managen. Die Ausgliederung des Bundesstraßennetzes in die Asfinag hat im Prinzip dieses Problem gelöst. Die PPP-Projekte der Zukunft werden ganz andere sein. Wir werden Kindergärten und Schulen, Gefängnisse und Krankenhäuser für die Kommunen bauen und betreuen. Vielleicht auch für die Länder, weil diese ihre einschlägigen Abteilungen auch nicht mehr wirtschaftlich erhalten können. Das kann ein Privater wirtschaftlicher erledigen als eine öffentliche Hand und daher werden wir in diese Märkte hineinkommen.
Der Bau hat eine extrem niedrige Innovationsfreude in Österreich. Das belegen auch die Zahlen. Braucht eines der ältesten Gewerbe keine Neuentwicklungen oder woran fehlt es?
Haselsteiner: Unsere Fortschritte und Erkenntnisse werden sehr praxisbezogen gewonnen. Wir betreiben eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Die Aufwendungen sind bescheiden. Das liegt auch daran, dass wir eine sehr reife Branche sind. Seit tausenden Jahren erledigen wir anspruchsvolle Aufgaben wie den Bau der Pyramiden in Ägypten. Da braucht es nicht so viel Innovation wie etwa in der jungen Branche Telekommunikation.
Meine letzte Frage. Sie haben sehr viel erreicht in Ihrem Leben, welches Ziel peilen Sie noch an?
Haselsteiner: Es ist ein schönes Ziel das Erreichte zu bewahren und auf immer solideres Fundament zu stellen. Ich möchte die Strabag krisensicherer machen, ich möchte sie erfolgreicher machen. Da und dort ist ein Fehler auszumerzen in dem Gebilde. Mir ist das Aufgabe genug und ich glaube, gerade jetzt, wo es ja wirklich auf jeden Fall schwierig ist, schauen wir, dass wir unser Geld zusammenhalten und unsere Eigenkapitalquote hochhalten.
Und ihr persönliches Ziel?
Haselsteiner: Das ist mein persönliches Ziel.