SOLID 06/2021 : Büro der Zukunft: geschüttelt, nicht gerührt
Was hat die Covid-19-Krise eigentlich nicht verändert? Eine müßige Frage. Das Arbeitsumfeld wurde jedenfalls maßgeblich – um beim Lieblingsgetränk von James Bond Anleihe zu nehmen – geschüttelt. Thomas Schanda, Bereichsleiter Büroimmobilien bei EHL, relativiert: „Viele Entwicklungen wurden einfach stark beschleunigt. Die Bürowelt erlebte innerhalb kürzester Zeit einen Digitalisierungs- und Innovationsschub, sodass sich die Tore für hybrides Arbeiten weit öffneten. Flexible Arbeitsmodelle sind gefragter denn je. Sie ermöglichen eine Kombination aus mobiler und stationärer Bürotätigkeit.“ Der überwiegende Anteil der Übersiedlungen beziehungsweise Neuanmietungen in Wien ist bereits mit einer kompletten Überarbeitung des Arbeitsumfelds verbunden. Dieser Trend wird in den kommenden Jahren anhalten.
Projektentwickler und Vermieter reagieren laut Schanda auf diese Entwicklungen mit entsprechend gestalteten Konzepten. So ortet er eine deutliche Zunahme der Gebäudeautomatisierung und denkt, dass hier auch noch große Potentiale liegen. Die Developer setzen außerdem auf flexible Ausbaukonzepte für einen möglichst variablen Mieterausbau sowie moderne Innenraumarchitektur mit Hotelambiente. Die Themen Anbindung und Infrastruktur fließen wiederum noch intensiver in die Standortwahl ein, primär wenn das physische Büro als Hub organisiert wird.
Echte Begegnungen gewünscht
Ins selbe Horn stößt Lucia Schramm-Kaineder (siehe Interview), die beim Graumann-Viertel in Traum den Community-Aufbau verantwortet: „Flexible wie hybride Lösungen werden nachgefragt. Die Möglichkeit, konzentriert zu arbeiten und einen eigenen Rückzugsraum zu haben, ist enorm wichtig – aber auch Möglichkeit für Austausch, vor allem für echte Begegnung, wird gewünscht. Die Zoom-Fatigue, die massive Ermüdung durch reine Online-Interaktionen, ist deutlich spürbar.“
Trotz Zoom-Fatigue sind Homeoffice-Elemente wie erwähnt gekommen, um zu bleiben. Drängt sich die Frage auf, ob nun der große Leerstand von Offices droht. Laut den Experten der Catella Property Consultants GmbH lautet die klare Antwort: nein. Zum einen wird es noch Jahre dauern, bis Unternehmen den richtigen Mix „Bürofläche pro Beschäftigten + Kommunikationsflächen“ für sich individuell definiert haben; einen ökonomischen Auf- oder Abschwung nicht eingerechnet. Hinzu kommt die Laufzeit der klassischen Verträge in der Büroflächenvermietung. Diese liegen im Schnitt bei fünf bis zehn Jahren, also eine planbare Größe mit einer eher geringen Ausfallwahrscheinlichkeit. Was allerdings auch absehbar ist: Je zentraler gelegen und stärker an den öffentlichen Personennahverkehr angeschlossen, desto stärker der Wunsch ins Office zurückzukommen. Investoren, Unternehmen, aber auch Planungsbehörden sollten diese Aspekte in den Vordergrund ihrer strategischen Überlegungen stellen.
Niedrige Leerstandsrate in Wien
Punkto Leerstand prognostiziert Schanda für den Wiener Büroimmobilienmarkt: „Die gute Absorption der Neuflächenproduktion in den letzten Jahre führt zu einer weiterhin kontinuierlich sinkenden Leerstandsrate. Diese liegt aktuell bei 4,5 Prozent und damit auf einem, im internationalen Vergleich, sehr niedrigen Niveau.“ Und die Mietpreise? Die sind in der gesamten Bundeshauptstadt stabil. Das Preisniveau von Top-Büroobjekten bleibt laut Schanda von den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie derzeit weitgehend unberührt.
Auf dem glatten Immobilien-Parkett zählen Wohn- sowie Logistikgebäude zu den Gewinnern der Krise. Nach einem Stolpern kommt das Segment der Büroflächen wieder auf die Beine. Denn ein wesentlicher Teil des modernen Arbeitens wieder in den neuen Gegebenheiten angepassten, innerstädtischen Offices erfolgen wird. Die Marktteilnehmer sind längst dabei, diesem Faktum Tribut zu zollen.