Ab August 2015 gilt ein weltweites Herstellungs- und Anwendungsverbot des auch in Wärmedämmverbundsystemen angewandten Brandschutzmittels Hexabromcyclododecan, kurz HBCD. Dieses Verbot wird auch lückenlos eingehalten werden, ist Clemens Hecht, der Sprecher der Qualitätsgruppe WDVS, überzeugt: "Sämtliche Hersteller, die in Österreich das EPS F herstellen, haben bereits komplett auf ein neues polymeres Flammschutzmittel umgestellt."Allerdings: nur weil eine bestimmte Substanz ab jetzt nicht mehr hergestellt oder verbaut wird, heißt das noch nicht, dass es damit keine Probleme mehr geben wird. Der gelernte Chemiker und Geschäftsführer der Wiener Firma Risk Experts, Michael Buser, spitzt es zu: "Es stecken mittlerweile mehrere Tausend Tonnen dieses als hochgradig toxisch eingestuften Stoffs in Hausfassaden. Man spricht von Dämmstoffen inzwischen als potenziellen künftigen Asbest-Fall." Ohne Dämmstoffe geht's nicht Bei Busers Kritik geht es einerseits um das Thema Recycling, andererseits um die Brandgefahr, der etwa der "Spiegel" vor kurzem eine große Story widmete. Dabei ist ihm klar, dass es ohne geschäumte Dämmstoffe vermutlich nicht geht. "Rein klimatechnisch müssen wir sie einsetzen. Sie sind preislich besser, haben höhere Dämmwerte, sind formbar, man kann sie leichter verarbeiten, wie etwa in WDVS. Das ist die Vorderseite der Medaille."Aber, so meint Buser, es gibt auch eine nicht zu unterschätzende Rückseite. Und er warnt in diesem Zusammenhang vor allem vor Brandszenarien. "Es gibt heute namhafte Feuerwehrleute in ganz Europa, die öffentlich Brandszenarien mit Außenfassaden kommunizieren, die für die Feuerwehr nicht beherrschbar sind. Sprich: die Brände sind nicht löschbar." Zwischen Entflammbarkeit und Brennbarkeit Da die Dämmstoffe erdölbasiert sind, würde man sich laut Buser eigentlich Heizöl an die Wand nageln. Die Stoffe würden sehr heiß brennen (was zu hoher Ausbreitungsgefahr führt), bei hoher Temperatur flüssig werden (also etwa über Dachmulden fließen) und noch dazu extreme Rauchentwicklung aufweisen (beim Brand des Düsseldorfer Flughafens im April 1996 etwa gab es 17 Tote, unter anderem weil die Menschen nicht hinaus gefunden hätten, obwohl der Airport an sich sehr hell und transparent ist).Zusätzlich kritisiert Buser auch eine gewisse "Volksverdämmung", weil die Dämmstoffe als Brandschutzklasse B1 (schwer entflammbar) klassifiziert seien: "Für den Brandschützer gibt es eigentlich nur eine Übersetzung für schwer entflammbar, und das ist brennbar." Die großen Probleme sieht er dabei im laufenden Betrieb eines Hauses - einerseits durch zB brennende Abfallcontainer in der Nähe von Fassaden, aber auch durch Flammen, die aus Fenstern von brennenden Räumen heraus schlagen und sich über die Fassaden ausbreiten oder etwas, woran seltener gedacht wird: "Selbst risikotechnisch sehr gut abgesicherte Gebäude brennen trotz Sprinkleranlage ab. Warum? Eine der nach wie vor größten Brandursachen sind Heißarbeiten auf dem Dach. Da brennt die Fassade von außen ab und sie finden im Brandschutt funktionierende Sprinkleranlagen, die niemals ausgelöst haben, weil die Gebäudesubstanz davor schon kollabiert ist." Brandriegel, richtiger Einbau Was tun? Während Buser als Risikoschützer klarerweise in Richtung Brandriegel und Alternativen wie Steinwolle denkt, sieht das WDVS-Vertreter Clemens Hecht naturgemäß etwas anders - zunächst was die Brandproblematik betrifft: "Ja, am Ende des Tages kommt Erdöl auf die Fassade. Aber das Erdöl ist aufbereitet und mit einem Flammschutzmittel versehen, das die Entzündung hintanhält. Wir sprechen außerdem über Systeme, die auch Schichten aus nicht brennbarem Material haben. Ein fertiges System inklusive Deckputz können sie - das sagen Studien aus Deutschland - durch Brandstiftung gar nicht entzünden." Und zum Beispiel Düsseldorf, wo der Brand durch eingebaute Styroporplatten entstanden war, meint er: "Styropor kennt ja jeder als Verpackungsmaterial und damit zündeln ja viele in ihrer Jugend auch. Fassadenmaterial aber wird nur schmelzen, nicht brennen. Für den Bauherrn ist wichtig: im System arbeiten - dann habe ich automatisch auch geprüftes Material. Ich muss auf die Leistungserklärung für das Gesamtsystem achten, nicht nur für die einzelnen Punkte. Das stellt natürlich auch auf den Planer ab und die Befolgung der gültigen Normen über Brandschutzriegel, Brandschutzbanderolen, zulässige Größen von Gebäuden für zB EPS-Dämmung. Wenn ich das verwende, gibt es kein Risiko." Recycling: in die Zukunft geschoben Und auch was das Thema der schwierigen Trennung der Materialien im Recyclingfall betrifft, hat Hecht eine pragmatische Antwort: "Welche Mengen erwarten uns da? Wir gehen davon aus, dass in Wien zB in den drei Müllverbrennungsanlagen mehr als 700.000 Tonnen Material verbrannt werden, um Energie damit zu erzeugen. beim derzeitigen Stand würden von WDVS-Seite grob 600 Tonnen dazu kommen. Das ist irrelevant. In den nächsten Jahren wird das zwar deutlich mehr, aber trotzdem ist es klassische Zukunftsmusik." Und bei allem, das mit dem neuen Flammschutzmittel verbaut wird, wird der klassische und immer mehr verbesserte Recyclingprozess greifen.Entscheidend wird in jedem Fall sein - und da sind sich die beiden Kontrahenten einig -, dass die Dämmungen fachgerecht und ordnugnsgemäß verbaut und dann auch betrieben und gewartet werden.
Erstmals erschienen in SOLID 7+8/2015, Autor: Thomas Pöll