Osten : Blick nach Bulgarien

Aller Anfang ist schwer. Für Besucher ist es strapaziös die Baustelle zu erreichen. Zweieinhalb Stunden dauert die Fahrt vom Flughafen Sofia in den Südosten zur Baustelle vom Kraftwerk Tsankov-Kamak. Die Straße führt in die Rhodopen, das Grenzgebirge zu Griechenland. Handballgroße Steine überraschen den Fahrer nicht, der durch seine täglichen Fahrten eine Stunde im Kurven, rechtzeitigen Bremsen und Umfahren von Schlaglöchern einspart. Schwer war der Anfang für die Bauarbeiten des größten Wasserkraftwerks in Bulgarien. „Wir haben die Arbeiter in den Kraftwerksbau und unsere Methoden eingelernt“, erzählt Peter Gfrerer, Niederlassungsleiter der Alpine in Bulgarien. Tausend Mitarbeiter führt er bei dem Projekt, auf das die Alpine stolz sein kann. Das Salzburger Unternehmen ist Generalunternehmer des 250 Millionen Euro Bau-Projekts.

Säcke statt Transportbeton

Der Anfang war holprig wie die bulgarischen Straßen. Beim Beginn der Betonierungsarbeiten der 131 Meter hohen Staumauer wartete man auf die Lieferung des ersten Betons. Eine Woche. Zwei Wochen. Nach mehr als zwei Monaten kam der erste Lastwagen. Er brachte Zementsäcke. Dreißig Manner öffneten schließlich händisch die Säcke. Die Staubwolken erfüllten das Vacha-Tal. Heute ist dies eine Geschichte, über die alle lachen können, genauso wie die Mühen der Bürokratie, an die man sich mittlerweile gewöhnte.

Obwohl in Bulgarien die Europäische Union ihre Fördermittel stoppte, wird diese Großbaustelle sicher nicht gestoppt. Am 24. Juli wurde der 500.000 Kubikmeter Beton feierlich auf die Mauer gegossen. Alpine-Chef Aluta-Oltyan kündigte beim Festakt an: „In einem Jahr sind wir hier weg.“ Diesem Tag war viel vorangegangen. Im Jahr 2004 startete das Projekt. Die spektakuläre Staumauer im Vacha-Tal, das Einlaufbauwerk im Gashnya-Tal, das Kraftwerk und so nebenbei noch 20 Kilometer Bergstraße – davon 880 Meter Tunnel – gehören alle dazu.

Zweieinhalb Monate wird es dauern bis die Vacha das Becken hinter der doppelt gebogenen Staumauer im Juni 2010 anfüllt. 188 Gigawattstunden Strom werden pro Jahr hier von zwei Turbinen erzeugt werden. Ein Strom der Mehrwert besitzt. Denn zugleich nützt das Projekt die flexiblen Instrumente des Kyoto-Abkommens und generiert 250.000 Tonnen CO2-Reduktion pro Jahr.

Verzögerung, Verteuerung

Eigentlich sollte das Kraftwerk nach den ersten Plänen bereits seit Anfang 2008 Strom und Mehrwert produzieren. Doch bei großen Projekten überholt die Wirklichkeit die besten Pläne. Die Kosten erhöhten sich von 160 auf 250 Millionen Euro. Der Bauherr NEK – die Natsionalna Elektricheska Kompania EAD - wird mitsamt den Turbinen von der VA-Tech sogar 326 Millionen bezahlen. Der Hauptgrund für diese beachtlichen Zeit- und Geldüberschreitung liegt in der Geologie. Trotz Probebohrungen eröffneten sich Karst-Hohlräume und erwies sich das Gestein als schwieriger als erwartet. Statt mit Spritzbeton muss nun mit plombierten Beton die Wanne im Gashnya-Tal abgedichtet werden.

Nach so vielen Jahren der Pionier-Arbeit ist ein Folgeprojekt nun beinahe unter Dach und Fach. Nur 80 Kilometer entfernt von Tsankov-Kamak sind zwei Staustufen in Gorna Arda geplant. Der Ministerratsbeschluss wurde gefasst, Vorverträge unterschrieben und jetzt geht es nur noch um die Anteilsverteilung. Gfrerer und sein Team sind jedenfalls bereit.