von Thomas Anderl (Baumeister und Jurist bei Wolftheiss)und Michael Müller (Associate bei Wolftheiss und Generalsekretär der ÖGEBAU)Im Unterschied zu den USA ist BIM in Europa und insbesondere in Österreich noch nicht so weit verbreitet, jedoch wird sich dies aufgrund europarechtlicher Vorgaben in den nächsten Jahren ändern.BIM stellt als interdisziplinäre Planungsform hinsichtlich der Formulierung von (Bau-)Werkverträgen eine Herausforderung dar. Im Unterschied zu bisherigen Bauprojekten erfordert die Umsetzung eines Bauprojekts mit BIM eine wesentlich stärkere Kooperation aller Beteiligten, die auch in den Rechtsverhältnissen mit sämtlichen Beteiligten vorzusehen ist. Spezifische Leistungsbeschreibung nötig Bei BIM erstellen die Projektbeteiligten anstelle einzelner abgrenzbarer Planungssphären ein gemeinsames und übergreifendes Gebäudemodell. Diese "BIM-Idee" muss sich auch in dem zu formulierenden Leistungs-Soll wiederfinden: Die verschiedenen Leistungsbeiträge der Planung sind in neuartiger Weise zusammen zu führen und derart in- und miteinander zu verschränken, dass am Ende als gemeinsames Leistungsergebnis das gesamte virtuelle und interdisziplinäre Gebäudemodell steht. Hierfür existiert im deutschsprachigen Rechtskreis (noch) keine Standardleistungsbeschreibung, weshalb eine BIM-gerechte Leistungsbeschreibung von der ausschreibenden Stelle originär geschaffen werden muss. Vertragsstruktur und Projektbeteiligte Die Umsetzung einer solchen BIM-spezifischen Leistungsbeschreibung hat Auswirkungen auf die Vertragsstruktur, da das disziplinen-übergreifende Gebäudemodell von verschiedenen Planungs- bzw. Projektbeteiligten anteilig zu erbringen ist. Die grundlegende Frage ist diesbezüglich, ob der Auftraggeber (AG) ein Vertragsverhältnis mit sämtlichen Beteiligten oder jeweils separate Verträge mit den verschiedenen Beteiligten eingehen will. Bei einem Mehrparteienvertrag schließt der AG mit sämtlichen Planern – und unter Umständen auch mit dem Auftragnehmer (AN) Bau – einen einzigen Vertrag. Bei einem solchen Vertrag gibt es nur zwei Vertragssphären: auf der einen Seite den BIM-fordernden AG, auf der anderen Seite sämtliche Planungsbeteiligte. Derartige Mehrparteienverträge sind jedoch komplex und deshalb in der Praxis schwer umsetzbar. Dementsprechend hat sich im anglo-amerikanischen Rechtskreis auch die Lösung durchgesetzt, mit sämtlichen Projektbeteiligten separate Verträge zu schließen. Die gewünschte Vernetzung und Abstimmung aller Beteiligten kann der AG dabei über eine BIM-Richtlinie oder entsprechende (allgemeine oder besondere) Vertragsbedingungen (BIM-AGB bzw. BIM-BVB) erreichen, die sämtlichen Verträgen zugrunde gelegt werden und die die organisatorischen Rahmenbedingungen sowie rechtlichen Problemfelder regeln und auf diese Weise als vertragliches Bindeglied zwischen sämtlichen Beteiligten des BIM-Bauprojekts fungieren können. Eine BIM-Umsetzung kann – und wird in der Praxis auch – über Zwischenlösungen erfolgen. In Betracht kommt hier etwa die Beauftragung eines Generalplaners oder eines Generalübernehmers, der zwar eine einheitliche BIM-Leistung gegenüber dem AG erbringt, jedoch für einzelne Planungsleistungen Sub-Planer heranzieht. In diesem Fall delegiert der AG die BIM-Administration an seinen Generalplaner (oder -übernehmer) und hat selbst – wie bisher bei klassischen Projekten – lediglich die von ihm verlangten Entscheidungen zu treffen. Einbindung des Auftragnehmers Bau Wann und wie der AN Bau in das jeweilige BIM-Projekt eingebunden wird, hängt davon ab, für welches Vertragsmodell sich der AG entscheidet. Der AN Bau kann als reiner Generalunternehmer fungieren (als solcher erbringt er keine BIM-Leistungen, sondern ruft diese gegebenenfalls lediglich ab), Teile der BIM-Planungsleistungen erbringen oder als Totalunternehmer (bzw. Generalübernehmer) sämtliche Planungs- und Ausführungsleistungen für ein BIM-Bauprojekt übernehmen. Ebenso ist es möglich – wenngleich wohl unüblich –, dass der AN Bau zusätzlich als AN-seitiger BIM-Koordinator tätig und als solcher für die BIM-Gesamtkoordination verantwortlich ist sowie gegebenenfalls auch die Zusammenführung der Fachmodelle übernimmt.Insbesondere ist in diesem Zusammenhang zu beachten, ob mit der Übernahme der Funktion als BIM-Administrator auch Haftungsfolgen verbunden sind, das heißt: ob er für etwaige Fehler des BIM-Modells einzustehen hat. Und die Claims? Fraglich sind auch die Auswirkungen der BIM-Methode auf Nachtragsforderungen (Claims) des AN Bau: Bei BIM wird das gesamte Gebäude und alle damit zusammenhängenden Fakten in einem Gebäudedatenmodell simuliert, was Entscheidungen hinsichtlich der Ausführung zu früheren Zeitpunkten als aktuell üblich erfordert.Bei konsequenter BIM-Anwendung werden Unstimmigkeiten somit bereits deutlich vor Beginn der Ausführung entdeckt, womit die Qualität der Ausschreibungsunterlagen erhöht wird und andernfalls mit Mehrkosten verbundene Umplanungen vermieden werden können. Eine derartige Planungstiefe kann in früherem Projektstadium jedoch nur dann erzielt werden, wenn der AG wichtige Entscheidungen und Weichenstellungen früher trifft, als dies bislang in aller Regel der Fall ist. Trifft der AG die von ihm zu treffenden Entscheidungen nicht früh genug oder kann er sie nicht früher treffen – etwa in solchen Fällen, in denen der AG als Investor nicht der spätere (alleinige) Nutzer des Projekts ist –, besteht auch bei der Anwendung von BIM eine Unsicherheit, die letztlich zur Gefahr von nachträglichem Mehraufwand des/der AN Bau und damit zu Nachtragsforderungen führt. Dies sogar mit dem Vorteil für den/die AN Bau, dass durch die BIM-Methode der anspruchsbegründende Sachverhalt der Nachtragsforderung für alle Beteiligten transparent hinterlegt ist, was die Dokumentation der Nachtragsforderungen erheblich erleichtern würde. Dem AG muss daher bewusst sein, dass auch durch die Verwendung von BIM Leistungsabweichungen (vom AG angeordnete Leistungsänderungen oder auftretende Störungen der Leistungserbringung) nicht ausgeschlossen sind. Aus diesem Grund sind im Vertrag mit dem AN Bau Regelungen zu treffen, wie mit etwaigen Leistungsabweichungen aufgrund der Verwendung des BIM-Modells umzugehen ist. Dies betrifft vor allem die Frage hinsichtlich der vom AN Bau einzuhaltenden Mitteilungs-, Hinweis- und/oder Anmeldeobliegenheiten, insbesondere ab welchem Zeitpunkt deren Fristen zu laufen beginnen. Denkbar wäre dafür etwa der Zeitpunkt der Abrufmöglichkeit der Ausführungsgrundlage(n). Weiters ist zu regeln, wie oft und in welchem Umfang der AN Bau das gesamte Gebäudemodell auf etwaige Änderungen gegenüber der/den Vorversion/en zu prüfen hat. Nationaler und internationaler Ausblick Die Bestrebungen zur Weiterentwicklung und Standardisierung von BIM in Österreich zeigen sich darin, dass das Austrian Standards Institute am 1.7.2015 zwei ÖNORMEN (A 6241-1 und ÖNORM A 6241-2) zur technischen Umsetzung von BIM herausgegeben hat. Ebenso gibt es diesbezüglich auf europäischer Ebene Bestrebungen: Das Europäische Komitee für Normung (CEN) hat das Technische Komitee TC 442 geschaffen, welches kürzlich die ersten Arbeitsgruppen eingerichtet hat. Auf EU-Ebene sieht Art 22 der neuen Vergabe-Richtlinie für öffentliche Auftraggeber (RL 2014/24/EU) und Art 40 der neuen Vergabe-Richtlinie für den Sektorenbereich (RL 2014/25/EU) vor, dass die Mitgliedstaaten die Nutzung spezifischer elektronischer Instrumente für Bauaufträge und Wettbewerbe verlangen können. Wie die Richtlinien im österreichischen Recht umgesetzt werden und wie vor allem die Ausgestaltung der BIM-unterstützten Anwendung aussehen wird, wird bis Mitte April 2016, dem Ende der Umsetzungsfrist, feststehen. Besonders zu erwähnen ist in diesem Kontext, dass die nächste für 2016 geplante EU-Vergaberichtlinie, welche bis spätestens 2018 in nationales Recht umgesetzt werden muss, voraussichtlich eine verpflichtende BIM-Anwendung für öffentliche Bauaufträge vorsehen wird.
Um BIM mit sämtlichen Vorteilen und Mehrwerten umsetzen zu können, bedarf es einer BIM-gerechten Leistungsbeschreibung. Neben der Beschreibung des Leistungs-Solls für das zentrale virtuelle Gebäudemodell und der Festlegung von inhaltlichen Voraussetzungen zu bestimmten Zeitpunkten ist insbesondere auch ein technisches Regelhandbuch für jene Detailinformationen, die einzelne Modellelemente haben müssen sowie deren Datenformate, zu erstellen.
Wesentlich ist, dass die kooperative Zusammenarbeit zwischen sämtlichen Projektbeteiligten sowohl aus organisatorischer als auch aus technischer Sicht ausreichend festgelegt wird. Ein Ausscheren einzelner muss verhindert werden, da andernfalls der Erfolg des gesamten BIM-Projekts gefährdet ist. Deshalb sind klare und einheitliche BIM-Spielregeln im Vertrag und/oder in BIM-AGB festzuschreiben. Zudem sind jedenfalls die Schnittstellen zwischen den Projektbeteiligten als auch die Zeitpunkte der Ablieferung der einzelnen Leistungen sowie deren Qualität klar zu definieren.
Von der Wahl des Vertragsmodells – Mehrparteienvertrag, separate Verträge zwischen den Projektbeteiligten oder Zwischenlösungen – hängt letztlich auch das Haftungsregime ab, insbesondere ob eine solidarische Haftung sämtlicher BIM-Projektbeteiligter gegenüber dem AG besteht.