von Thomas PöllLesen Sie in diesem Artikel:- Wie die großen Software-Firmen um die Marktführerschaft kämpfen- Was das für die Anwender an Kosten und Risiken bedeuten kann- und wie eine mögliche Lösung aussiehtSOLID: Wo stehen wir beim Thema BIM softwareseitig tatsächlich? Wie sieht es mit den Kompatibilitäten aus, wie mit der Datensicherheit, wie mit den Einblicken, die man in die Arbeit von anderen bekommt etc.? Frank Weiß: Wir beobachten heute eine Tendenz in der Diskussion, die sehr ähnlich ist wie vor 15 bis 20 Jahren, als Projekträume etc. eingeführt wurden. Man konzentriert sich unglaublich stark auf die Authoring-Tool-Hersteller. Die Modellierung steht absolut im Vordergrund. Und der Prozess, wie die Leute das bauen, wird völlig negiert. Negiert von den Softwareherstellern? Weiß: Nein, von den Menschen, die es bauen! Man ignoriert, dass wir eine ganz andere, viel mehr in Einzelprojekte und -tasks unterteilte Welt haben als früher und da eine Sprache brauchen, in der wir uns alle verständigen und wo das auch einen Verbindlichkeitsgrad hat. Was ist die praktische Konsequenz dieses Ignorierens? Die mächtigen CAD-Hersteller versuchen, den Markt zu erobern und zu beherrschen. Das ist auch völlig normal. Autodesk versucht dem Markt zu vermitteln, dass BIM Autodesk ist und Autodesk BIM. In Deutschland haben wir aber zB die Nemetschek-Gruppe (seit 1.10. Nevaris, Anm.d. Red.), die sich mit zwei Produktlinien Allplan und Graphisoft sogar intern konkurriert. dazu kommt die RIB-Gruppe aus Stuttgart und auf der Insel in UK Bentley. Und man muss auch Tekla-Trimble erwähnen, die sind aber eher für das Thema Kollisionsprüfungen und andere Speziallösungen relevant. So weit eine normale Marktsituation. Was ist problematisch daran? Weiß: Dass jeder der vier oder fünf Erstgenannten gerne der Standard sein möchte. - Als wir vor 15-20 Jahren conject (www.conject.com) gegründet haben, hatten wir eben genau die gleiche Situation: wie und mit welchem Format können wir Dateien austauschen? Damals ging es um DXF etc. und da kam von den Benutzern natürlich die Klage über den Datenverlust bei so einem Austausch.Ein Modellhersteller ist aber kein Prozessspezialist. dafür braucht man etwas anderes und da sind wir von conject dran. Wir glauben zu erkennen, dass die anderen Hersteller unser Thema nicht können. Sie bieten quasi alten Wein in neuen Schläuchen an - die ganze Lösung aus einer Hand. Das aber entspricht der Realität am Bau nicht, wo immer wieder unterschiedliche Firmen und Menschen miteinander arbeiten und eben nicht alle das selbe Programm verwenden wollen oder können.An dieser Stelle müssen wir einen Schritt zurück gehen: was ist notwendig, damit das Thema BIM ein Erfolg werden kann? Wie beim Fußball sind Spielregeln wichtig, wenn man miteinander spielen will. Für diese Regeln ist der Gesetzgeber zuständig oder große freiwillige Zusammenschlüsse wie buildingsmart (www.buildingsmart.de bzw. com). Dabei stehen Sie vor der Frage: gebe ich ein Produkt vor oder einen Rahmen? Und die Antwort kann natürlich nur zugunsten des Rahmens, der Methode ausfallen. Das gibt es ja in Österreich mit der Ö-Norm - in Deutschland interessanter Weise noch nicht. Warum? Weiß: Deutschland ist etwas hinten nach. In Finnland gibt es seit 2007 einen Standard, in Norwegen, Holland etc. England hat 2010 eine sehr geschickte Entscheidung getroffen und BIM ab dem 1.1.2016 BIM verbindlich für alle öffentlichen Bauprojekte gemacht und sagt: Wenn wir da vorn dran sind, geben wir das als unseren Standard in der EU vor und profitieren davon.Aber selbst in England wird immer vom offenen Format geredet. Was heißt und was bedeutet das genau? Weiß: Open BIM wurde ursprünglich von Nemetschek gegründet und hat das Format IFC - Industry Foundation Classes - befeuert. Das ist quasi das DXF der Planwelt. Das IFC-Format hat einen ziemlich steinigen Weg hinter sich. Anfangs war es sehr betriebsfern und sperrig. Deshalb wurde der Standard IFC 2/3 erst letztes Jahr auf IFC 4 angehoben. Diese Version ist wesentlich flexibler und offener. Aktuell sind die großen Softwarehersteller in den Zertifizierungsprozessen für die IFC-4-Fähigkeit ihrer Pakete.Der zweite Standard BCF - BIM Collaboration Format - hat sich aus Tekla und Solibri heraus formiert. Ist IFC nicht nach wie vor eigentlich ein 3-D-Format? Weiß: Nein, Sie können dort mehr Informationen ablegen als reine Geometrie. Aber es passiert Ihnen noch bei sehr vielen, dass 3-D für BIM gehalten wird und IFC dann tatsächlich nur 3-D ist.Wir sind am Bau ja nicht in der Automobilindustrie, wo große Hersteller wie Daimler, BMW oder VW ihrer Supply-Chain vorgeben können, dass alles in einem Programm stattfinden muss, sonst bist du aus dem Geschäft - das wäre dann Closed BIM. Ist das in der Bauindustrie tatsächlich undenkbar? Weiß: In der Bauindustrie haben wir weltweit 93 Prozent der Unternehmen mit zehn oder weniger Mitarbeitern. 80 bis 85 Prozent der Architekturbüros im Festland-Europa rechnen betriebswirtschaftlich gerade einmal mit einer schwarzen Null. Die müssten eine nicht vorhandene Kapitaldecke investieren. Selbst wenn ein Fünf-Mann-Büro sich für Revit entscheidet, was ein Investment von locker 100.000 Euro plus zwei bis drei Jahre Schulung bedeutet, heißt das nicht, dass sie nicht beim nächsten Auftrag mit einem Auftraggeber zu tun haben, der mit Bentley arbeitet. Das können diese Büros nicht. Gilt das sinngemäß auch für Zulieferer und Nachunternehmer? Weiß: Da ist es genau gleich. Was machen die dann? Weiß: Die Konsequenz muss zunächst einmal sein, dass der geschlossene Ansatz einfach nicht funktioniert, wir brauchen einen offenen. Dann ist die nächste Frage, wie offen genau? Die Idealisten sprechen von einem Model Server und würde heißen: alle arbeiten gleichzeitig an dem selben Modell. Dieses Ziel wurde de facto aufgegeben, weil man erkannt hat, dass die dafür nötige Koordinationsleistung eine Illusion ist. Was kommt anstelle des Model Servers? Weiß: Wir werden verschiedene Sub Communities haben - das Tragwerksteam, das Architekturteam, Fassadenplanung etc. Diese werden je nach ihrem eigenen Standard und mit ihrem Paket arbeiten. Und die Frage ist die der Übersetzungsarbeit. Dafür haben wir unser conject BIM Tool entwickelt. Es ist quasi die Plattform in der Mitte. Wie wird dann synchronisiert? Weiß: Dafür ist der BIM-Manager da, der seine Teilmodelle einsammelt und sie zu bestimmten Zeitpunkten auf Kollisionen überprüfen muss. Und das geht dann weiter in den Prozess. Wir sind weit weg vom automatischen Bauen - Gott sei Dank! Am Schluss braucht es immer noch kluge Experten, die die Wertschöpfungspotenziale heben können.