SOLID: Bis 2015/16 hieß es allgemein: Baubetriebe, nehmt euch in acht, irgendwann muss jetzt die Zinswende kommen und dann wird es für einige von euch schwierig, weil ihr eure Schulden nicht mehr bedienen könnt. Jetzt ist das umgeschlagen in eine gewisse Jubelstimmung in der Branche. Wie sehen Sie vom KSV das?
Ricardo-José Vybiral: Wir haben erst vor ein paar Wochen eine aktuelle Umfrage gemacht und dabei eine unglaublich positive Stimmung festgestellt. Das heißt aber noch lange nicht, dass es deshalb überbordende Investitionen gibt. Also positiv mit ein bisschen Vorsicht und genauem Hinsehen, wo Investitionen getätigt werden. In den letzten Jahren hatten wir in der Baubranche eine Insolvenzquote in einer Bandbreite zwischen zwei und sechs Prozent, aktuell liegen wir bei 2,8 Prozent. Das ist im Vergleich zu restlichen Wirtschaft mit 1,3 Prozent zwar überdurchschnittlich, aber das war immer so.
Wie entwickelt sich denn die Bauwirtschaft überhaupt im Vergleich mit den anderen Branchen?
Vybiral: Gemessen am BIP verliert die Bauwirtschaft sanft an Bedeutung. Wir sind aber immerhin in Österreich noch bei einem Wert von 6,4 % verglichen mit 5,4 % über die gesamte EU.
Warum verliert sie an Bedeutung?
Vybiral: Weil die anderen Sektoren, vor allem die Dienstleistung extrem zunehmen und weil der Markt enger wird und eine stärkere Auslandsorientierung stattfindet, vor allem bei den Großen. Gleichzeitig entstehen aber nach wie vor immer wieder kleine Firmen, vor allem im Baunebengewerbe. Insgesamt sehen wir ca. 36.000 Betriebe, die WKO ca. 34.000.
Stichwort Neugründungen: Wie sieht es mit kurzfristigen Gründungen aus, wo die Betriebe gar nicht darauf angelegt sind, länger existent zu bleiben?
Vybiral: Das gibt es natürlich auch, dafür ist die Baubranche auch bekannt. Bewusste Insolvenzen bringen etwa Generalunternehmer schon in Schlittersituationen.
Können Sie beziffern, wie viele Betriebe in der Baubranche substanziell sind und wie viele nur temporär?
Vybiral: Die 2,8 %, die wir derzeit an Insolvenzquote haben, sind sicher nicht alles schwarze Schafe. Manchmal entstehen einfach Situationen, in denen es nicht weiter geht oder man unverschuldet mitgezogen wird. Wahrscheinlich ist es etwa ein Drittel von diesen 2,8 %, das diese Dinge bewusst betreibt.
In der Zeit, als die Zinswende so ein großes Thema war, haben die Banken sehr stark thematisiert, dass die Firmen ihre Finanzstruktur in Ordnung bringen sollten durch Kreditumschuldungen in Fixverzinsungen etc. Hat das gewirkt?
Vybiral: Ich glaube nicht, dass es da massive Veränderungen gegeben hat. Die Guten haben weiterhin gut gewirtschaftet, aber es gibt weiterhin eine Menge Betriebe, die ihre Kapitalstruktur schwer managen können. Das ist jetzt gar kein Vorwurf, denn Betriebe müssen immer mehr in Vorleistung gehen. Die Ausschreibungsverfahren werden auch immer fordernder.
Wie sehen sie vor diesem Hintergrund die Bestbieter-versus-Billigstbieter-Debatte?
Vybiral: Es wird zwar viel vom Bestbieterprinzip gesprochen, aber am Ende des Tages wird meinem Eindruck nach doch nach wie vor sehr oft der Billigstbieter ausgewählt. Das hat natürlich Konsequenzen. Viele KMU hoffen darauf, dass sie in Verfahren zwar günstig hinein gehen und später durch veränderte Rahmenbedingungen einen Mehrwert generieren zu können. Das geht nur leider nicht auf, oder zumindest nicht mehr. Im Sinn der Insolvenzquote ist das Billigstbieterprinzip sicher ein ganz großer Treiber.
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