Blog Baurecht : "Bei Absprachen bis zu acht Jahren Auftragssperre!"
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Die derzeit stattfindenden Hausdurchsuchungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft bzw des Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung sowie der Bundeswettbewerbsbehörde bei etlichen österreichischen Bauunternehmen sind ein heißes Thema in der Baubranche. Im Raum steht der Vorwurf illegaler Preisabsprachen. Während den Branchen-Unternehmen die allfälligen straf- und kartellrechtlichen Konsequenzen durchaus bekannt sind, ist dies hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf öffentliche Ausschreibungen nicht in gleicher Weise der Fall. Insbesondere auf Grund des derzeit im Parlament diskutierten Entwurfs des Bundesvergabegesetzes 2017 (der noch im September in Kraft treten soll) sind nämlich gravierende Verschärfungen zu erwarten.
Geltende Rechtslage
Bereits bisher drohte Unternehmen aus vergaberechtlicher Sicht der Verlust der beruflichen Zuverlässigkeit und somit der Ausschluss von Vergabeverfahren, wenn das Vorliegen einer schweren beruflichen Verfehlung festgestellt wurde. Nach derzeitiger Rechtslage ist es für Unternehmen jedoch vergleichsweise einfach möglich, ihre berufliche Zuverlässigkeit durch "Selbstreinigung" wieder zu erlangen. Unternehmen müssen derzeit lediglich glaubhaft machen, dass sie geeignete Maßnahme getroffen haben, um das nochmalige Setzen der betreffenden Verfehlung zu verhindern. Die möglichen Maßnahmen sind im Gesetz nur beispielhaft genannt, eine Mindestanzahl an Maßnahmen ist nicht vorgeschrieben, diese müssen lediglich im Verhältnis zur Schwere der Straftat oder Verfehlung stehen.
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Massive Verschärfungen bei Selbstreinigung neu
Der Entwurf des Bundesvergabegesetzes 2017 sieht hinsichtlich der "Selbstreinigung" in Umsetzung der Richtlinie 2014/24/EU einige massive Verschärfungen vor.
Zwar besteht für Unternehmen auch weiterhin die Möglichkeit einer Selbstreinigung, dafür müssen zukünftig jedoch drei Mindesterfordernisse kumulativ (also gemeinsam) erfüllt werden: Zunächst haben die betroffenen Unternehmen jeglichen durch die Straftat oder Verfehlung verursachten Schaden wieder auszugleichen oder sich zumindest zur Zahlung eines Ausgleichs zu verpflichten. Weiters sind sie zur umfassenden Mitwirkung an der Klärung der Straftat oder Verfehlung durch aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden verpflichtet.
Schließlich haben die Unternehmen zusätzlich auch noch – wie bereits bisher – ausreichende Maßnahmen zur Verhinderung einer nochmaligen Begehung der betreffenden Straftat oder Verfehlung zu setzen (personelle und/oder organisatorische Konsequenzen; Schulungen der Mitarbeiter; Anpassung der Dienstverträge; Erlassen von Compliance-Richtlinien etc).
Erhebliche Unklarheiten
Für Unternehmen ist die neue Regelung allerdings mit erheblichen Unklarheiten verbunden. So ist aus dem Gesetzestext nicht ersichtlich, ab welchem Zeitpunkt die umfassende Mitwirkungspflicht schlagend wird und welches Ausmaß an aktiver Mitwirkung konkret erforderlich ist.
Auch die Erläuterungen zum Gesetzesentwurf schweigen sich zu diesen heiklen Punkten gänzlich aus. Im ungünstigsten Fall ist daher davon auszugehen, dass die Mitwirkungspflicht bereits dann eintritt, sobald man von Ermittlungen der Behörden erfährt und dass die Unternehmen auch selbst forensische Untersuchungen im eigenen Haus durchgeführt werden müssen. Jedenfalls aber werden Unternehmen bei drohender Einleitung eines Strafverfahrens noch früher und genauer als bisher abzuwägen haben, welches Risikoszenario bedrohlicher erscheint: das Risiko einer möglichen Verurteilung und der Zahlung von Schadenersatz vs der Sperre von öffentlichen Aufträgen. Dadurch sind betroffene Unternehmen aber faktisch zu einer Selbstbelastung gezwungen (Zwang zur Selbstbezichtigung?), um sich nicht dem Vorwurf einer unzureichenden Mitwirkung auszusetzen. Betroffene Unternehmen stehen somit vor dem Dilemma, infolge der vergaberechtlichen Konsequenzen auch im Strafverfahren "erpressbar" zu werden. Gleichzeitig bestehen auch erhebliche Unklarheiten in Hinblick auf die gebotene Schadenswiedergutmachung.
Vom Wortlaut des Gesetzesentwurfes kann abgeleitet werden, dass das Gebot des Schadensausgleiches auch bei Vorliegen des Ausschlussgrundes "Vorliegen hinreichend plausibler Anhaltspunkte von für den AG nachteiliger Abreden" gilt und nicht nur bei Verurteilung wegen bestimmter strafbarer Handlungen oder Begehen von schweren beruflichen Verfehlungen. Das würde aber bedeuten, dass Unternehmen einen Schadensausgleich leisten müssen bzw sich zum Schadensausgleich verpflichten müssen, wenn noch nicht einmal der Schaden, geschweige denn ihre Schuld feststeht.
Das Problem der unbekannten Schadenshöhe könnte ggf insoweit gelöst werden, als sich die betroffenen Unternehmen nur "dem Grunde nach" (nicht aber der Höhe nach) zum Ausgleich von jeglichem durch die Straftat oder Verfehlung verursachten Schaden verpflichten. Das Grundproblem, dass man sich Jahre vor der zivilprozessualen Aufarbeitung zum Schadenersatz verpflichten soll, bleibt aber bestehen. Eine weitere Unklarheit betrifft die Dauer der "Nachwirkung" einer Feststellung des "Vorliegens hinreichend plausibler Anhaltspunkte von nachteiligen Abreden":
Zukünftig droht eine Auftragssperre von bis zu fünf Jahren bei gerichtlichen Verurteilungen bzw bis zu drei Jahren bei weniger gravierenden Verfehlungen (wenn der betreffende Bieter dem öffentlichen Auftraggeber nicht überzeugend darstellen kann, dass er auf Grund der gesetzten selbstreinigenden Maßnahmen wieder beruflich zuverlässig ist). Fraglich ist dabei, ab welchem Zeitpunkt diese Maximal-Zeiträume für Auftragssperren laufen. Während bei der rechtskräftigen Verurteilung der Anknüpfungspunkt klar die Verurteilung ist, ist dieser im Fall des "Vorliegens hinreichend plausibler Anhaltspunkte von für den AG nachteiliger Abreden" unklar:
Entweder das relevante "Ereignis" ist die seinerzeitige (vermutete) Absprache oder der relevante Anknüpfungs-punkt ist der Zeitpunkt des "Vorliegens der hinreichend plausiblen Anhaltspunkte". Im ersteren Fall wäre der Maximal-Zeitraum der zulässigen Auftragssperre aber regelmäßig schon überschritten, wenn die Absprachen festgestellt werden. Es spricht daher vieles dafür, dass erst der Zeitpunkt des "Vorliegens der hinreichend plausiblen Anhaltspunkte" relevant ist.
Sukzessive Sperren möglich
Zu bedenken ist weiters, dass es wohl auch zu sukzessiven Sperren kommen kann. Wird man zuerst von einem Auftraggeber aufgrund hinreichend plausibler Anhaltspunkte für gravierende Verfehlungen (für maximal drei Jahre) gesperrt, kann es nach Ablauf dieser Sperre immer noch zu einer gerichtlichen Verurteilung auf Grundlage desselben Sachverhalts kommen. In diesem Fall würde jedoch eine neue maximal fünfjährige Sperrfrist ausgelöst werden. Insgesamt wären somit aus denselben Gründen bis zu maximal acht Jahren Auftragssperre denkmöglich.
Fazit
Mit dem Bundesvergabegesetz 2017 wird die Position der Kartell- und Strafverfolgungsbehörden sowie auch der öffentlichen Auftraggeber massiv gestärkt. Am besten ist es zweifellos, gar nicht erst in den Verdacht kartellrechtswidriger Absprachen zu kommen. Sollte eine solche Situation dennoch eintreten, gilt es so früh wie möglich das konkrete Bedrohungsszenario zu analysieren und entsprechende Maßnahmen zur Schadensabwehr zu setzen.
Hinzuweisen ist darauf, dass die verschärften Selbstreinigungs-Bestimmungen des Bundesver-gabegesetzes 2017 in allen Vergabeverfahren anzuwenden sein werden, die nach dessen Inkrafttreten eingeleitet werden. In diesen Verfahren werden somit auch (allenfalls strafbare) Sachverhalte, die bereits vor Inkrafttreten des Bundesvergabegesetzes 2017 gesetzt wurden, nach den neuen strengeren Selbstreinigungs-Bestimmungen zu prüfen sein. Auftragssperren werden im Übrigen auch nicht durch Auslandsaktivitäten umgangen werden können. Ist die berufliche Unzuverlässigkeit in Österreich einmal festgestellt, gilt sie für die gesamte EU.
Zum Trost: Während in Österreich lediglich die EU-Richtlinie praktisch wortgleich umgesetzt wird, fordert der deutsche Gesetzgeber von den Unternehmen sogar eine "aktive Zusammenarbeit" nicht nur mit den Behörden, sondern sogar mit den öffentlichen Auftraggebern. Diese Regelung hat bereits dazu geführt, dass Auftraggeber Bieter in Vergabeverfahren zur Offenlegung von Informationen genötigt haben, die sie im Gegenzug in parallel laufenden Schadenersatzklagen gegen diese Bieter verwenden konnten. Ob diese deutsche Regelung von der EU-Richtlinie gedeckt ist, wird der EuGH zu klären haben.
Tipp
Es wäre daher zu überlegen, dass Bieter bei kritischen Sachverhalten zumindest gegenüber den für sie wichtigsten öffentlichen Auftraggebern noch vor Inkrafttreten des Bundesvergabegesetzes 2017 eine Selbstreinigung nach den derzeit noch geltenden weniger strengen Bestimmungen versuchen. In diesem Fall bestünde zumindest die Möglichkeit, dass diese Auftraggeber die betreffenden Sachverhalte in den zukünftigen Vergabeverfahren (auch bei allfälligem Vorliegen einer Verurteilung) nicht nochmals nach den verschärften Bestimmungen prüfen werden.
* Co-Autor: Thomas Blecha
Zu den Autoren: Manfred Essletzbichler ist Rechtsanwalt und Partner von Wolf Theiss und leitet das Vergabe-rechtsteam. Thomas Blecha ist Rechtsanwalt im Vergaberechtsteam von Wolf Theiss.