Energie : Bedrohliche Pläne für neue Bohrinseln in der Ostsee

Dass vor allem Norwegen und Großbritannien in der Nordsee Erdöl- und Erdgas-Bohrinseln betreiben, ist in der Öffentlichkeit wohl hinlänglich bekannt. Weitgehend unbekannt ist dagegen, dass auch in der Ostsee Erdöl gefördert wird.Gerade die Ostsee gilt wegen ihres geringen Wasseraustausches mit dem Atlantik, ihrer im Durchschnitt geringen Tiefe als ökologisch besonders anfällig und vor allem wegen Überdüngung, Überfischung und ständig zunehmenden Schiffsverkehrs als akut gefährdetes Meer.Derzeit gibt es zumindest zwei operative Bohrinseln in der Ostsee. Eine davon, Baltic Beta, befindet sich in der polnischen exklusiven Wirtschaftszone nördlich von Danzig, die andere namens IRFP-D6 vor der Küste der russischen Exklave Kaliningrad. Die polnische Betreibergesellschaft von Baltic Beta, Lotos, listet auf ihrer Homepage zwei weitere Bohrinseln namens Petrobaltic und PG-1 auf. Erstgenannte sollte noch in diesem Frühjahr mit vorbereitenden Bohrungen beginnen.Für das Jahr 2008 bezifferte Lotos seine Ostsee-Fördermenge mit 257.800 Tonnen Rohöl. Bis 2012 hatte sich das polnische Unternehmen zum Ziel gesetzt, jährlich eine Million Tonnen Erdöl aus dem Meeresboden holen zu wollen. Zuletzt hieß es jedoch, dieser Termin sei nicht einzuhalten, die Expansionspläne bestünden aber weiterhin.Während die Baltic Beta 80 Kilometer nördlich der polnischen Küste liegt und sich das Bohrloch in rund 90 Metern Tiefe befindet, bohrt die russische IRFP-D6 in einer Tiefe von 30 Metern in rund 22 Kilometer Entfernung von der Kaliningrader Küste. Betreiber Lukoil schätzt die Menge der Erdölvorkommen in ihrem Konzessionsgebiet auf 21,5 Millionen Tonnen, etwas über neun Millionen Tonnen davon als abbaubar. Gefördert wird vor Kaliningrad seit 2004, derzeit mit einer jährlichen Ausbeute von rund 600.000 Tonnen.Sicherheitsbedenken in LitauenVor allem im benachbarten Litauen, das gemeinsam mit Russland den als UNESCO-Welterbe eingestuften, grenzübergreifenden Nationalpark Kurische Nehrung eingerichtet hat, aber auch in anderen Ostsee-Anrainerstaaten gibt es bis heute Bedenken wegen möglicherweise ungenügender Sicherheitsvorkehrungen und umwelttechnischer Prüfungen der Plattform.Laut der in Helsinki ansässigen Ostsee-Schutzkommission Helcom wurden beim Betrieb der beiden Plattformen bisher keine Beobachtungen gemacht, die "nennenswerten ökologischen Bedenken" hervorgerufen hätten. Allerdings sei die Situation angesichts der existierenden Ausbaupläne weiter genau zu beobachten und könnte in Zukunft durchaus Grund zu ökologischer Sorge liefern, so Helcom-Sprecher Nikolay Vlasov.Erdölvorkommen werden auch in den angrenzenden Wirtschaftszonen Litauens, Lettlands und Schwedens vermutet. Der saudische Ölscheich Mohammed al-Amoudi und seine schwedischen Firmen SPE und Opab versuchen seit Jahren, Genehmigungen für Bohrungen in der schwedischen Wirtschaftszone zu bekommen. Der jüngste Versuch, vor der Küste der Insel Gotland in großem Stil nach Öl zu suchen, erhielt zuletzt im November 2009 wegen Unsicherheiten bei den Umweltvorkehrungen eine Abfuhr seitens der schwedischen Regierung.Die Hoffnung auf Öl hat übrigens auch Auswirkungen auf die Grenzziehung zwischen den baltischen Staaten Litauen und Lettland: Ein 1999 von beiden Ländern unterzeichnetes Abkommen über den Verlauf der Seegrenze und der exklusiven Wirtschaftszonen hängt seit über zehn Jahren im lettischen Parlament fest. Vergangenes Jahr wurde von einer Expertengruppe ein Memorandum ausgearbeitet, in dem ein Rahmen für die Zusammenarbeit der beiden Staaten im Hinblick auf die Ausbeutung von Bodenschätzen im Bereich des baltischen Kontinentalsockels vorgesehen ist. Nach Auskunft des lettischen Außenministeriums ist der Vorschlag derzeit im "Stadium der Erwägung" beider Seiten.(Andreas Stangl / APA)