Coronakrise : „Bauwirtschaft wird glimpflicher davon kommen als manche andere Branchen“
Normalerweise ist die Baubranche beim Kreditschutzverband einer der notorischen Dauerkunden. Bei der Anzahl der Insolvenzen rangiert sie regelmäßig unter den Top 3 – was allerdings oft genug mit Firmengründungen zu tun hat, die von vornherein nicht auf lange Dauer ausgelegt sind. Jetzt, in der Corona-Krise, dürfte die Bauwirtschaft allerdings einer der Wirtschaftszweige sein, der noch relativ glimpflich davon kommen könnte – wenn die Krise nicht zu lange dauert.
Der Leiter der Insolvenzabteilung des KSV1870, Hans-Georg Kantner, sieht die Bauwirtschaft auf jeden Fall gegenüber anderen Branchen ausnahmsweise im Vorteil: „Ich bin für die Bauwirtschaft aus folgenden Gründen relativ zuversichtlich: Zum einen ist ein Großteil der Bauwirtschaft lokal gesourced – vielleicht mit Ausnahme der Menschen, die einen Gutteil der Arbeiten erledigen. Baumaterialien kommen in der Regel aus der näheren Umgebung – damit ist ein Umkreis von 100 bis 170 Kilometern gemeint. Mit Ausnahme von Spezialdingen ist man da nicht auf chinesische oder andere aus der Ferne kommenden Lieferungen angewiesen und das Problem der unterbrochenen Lieferketten, das wir in vielen anderen Industriezweigen haben, ist damit sicherlich geringer. Das Zweite ist, dass die Bauherren natürlich ein Interesse haben, dass ihr Projekt fertig wird. Wenn die Finanzierung also von Anfang an da war und da ist, wird auch fertig gebaut werden.“
Was für Kantner ein Fragezeichen bleibt, sind die aus Stillständen direkt entstehenden Kosten auf Baustellen und in Betrieben. Generell gilt aber: „Ich glaube, dass die Bauwirtschaft glimpflicher davon kommen wird als manche andere Branchen, für die 2020 wirklich ein Katastrophenjahr sein wird – vorausgesetzt natürlich, dass der Betrieb der Baustellen einigermaßen stabil losgeht.“
Was die Insolvenzzahlen betrifft, so befinden wir uns laut Kantner generell in einer schwierig zu beurteilenden Situation: „In den aktuellen Zahlen sieht man schon insgesamt einen Rückgang der Insolvenzanträge. Im zweiten Quartal wird es so weiter gehen, dass wir jetzt einmal einen Insolvenzrückgang von ca. 50 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2019 haben. Dazu tragen direkte Hilfen ebenso bei wie dass der Gesetzgeber insolventen Firmen in der jetzigen Situation wesentlich mehr Zeit lässt, eine Sanierung vorzubereiten. Aber ab Juli ist schon mit einem Nachholeffekt jedenfalls zu rechnen. Zum wirklichen Zuwachs gegenüber 2019 kann ich allerdings jetzt noch keine seriöse Einschätzung treffen.“ Erste echte Aussagen werde man laut Kantner am Ende von Q3 machen können.
Der aktuelle Austrian Business QuickCheck des KSV1870 zeigte auf jeden Fall eine dramatische Verschlechterung der finanziellen Stabilität innerhalb der heimischen Wirtschaft. Während vor einigen Wochen noch 63 % der Unternehmen ihre Geschäftslage mit sehr gut bzw. gut bewertet haben, sind es jetzt gerade einmal 31 %, davon lediglich 9 % mit sehr gut. „Die vergangenen Wochen haben massive Auswirkungen auf die Betriebe. Gerade deshalb müssen die Unternehmen spätestens jetzt anfangen, visionäre Strategien zu entwickeln und umzusetzen, um das wirtschaftliche Überleben langfristig zu sichern. Für Führungskräfte heißt das, ab auf die Kommandobrücke und die Krise auch als Chance wahrnehmen“, erklärte Ricardo-José Vybiral, der CEO der KSV1870 Holding AG.
Auf SOLID-Anfrage präzisierte er: „Als Unternehmen muss ich jetzt vielleicht mehr denn je herausfinden, wo meine Stärken liegen und worauf ich in Zukunft setzen möchte und was braucht es, um meine definierten Ziele zu erreichen. Sind etwa die Arbeitsbedingungen noch zeitgemäß, muss ich die digitale Entwicklung intern und extern noch rascher vorantreiben als bisher? Das heißt, müssen interne Prozesse und Strukturen adaptiert werden, damit ich in weiterer Folge meine Produkte bzw. Services schneller zur Verfügung stellen kann? Decke ich mit meinen Leistungen die Kundenbedürfnisse ab?
Grundsätzlich habe Österreichs Wirtschaft aber in den vergangenen Jahren insgesamt gut gewirtschaftet und dabei die Eigenkapitalquote kontinuierlich erhöht. „Das kommt den Unternehmen gerade jetzt zugute. Viele Unternehmen versuchen, Investitionen mittels Eigenkapital und dem Cashflow zu finanzieren. Gleichzeitig sollte aber auch über alternative Möglichkeiten nachgedacht werden: etwa, ob ich mir Investoren ins Boot hole, oder ob ich Kooperationen eingehen möchte, durch die es eventuell möglich ist, veränderte Kundenbedürfnisse abdecken zu können.“