SOLID 10/2018 : Bautechtalk: ein Gebäude zum Wiederverwenden
Nachhaltiges Bauen beschäftigt schon länger. Doch Architekt Prof. Dr. Dr.E.h. Dr.h.c. Werner Sobek geht noch ein paar Schritte weiter. Heuer im Frühjahr wurde am Campus der Swiss Federal Laboratories for Materials Science and Technology (Empa) in Dübendorf bei Zürich die Urban Mining and Recycling Unit (UMAR) im NEST Forschungsgebäude fertiggestellt.
Ein spannender Ansatz, dem sich auch der erste Bautechtalk der Österreichischen Bautechnik Vereinigung am 19. November im Wiener Tech Gate widmet. Werner Sobek spricht dabei, ob sich Hochbau auf Zeit umsetzen lässt. Anschließend wird es eine Podiumsdiskussion zum Thema geben.
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Der Grundgedanke ist es, dass alle zur Herstellung eines Gebäudes benötigten Ressourcen vollständig wiederverwendbar, wiederverwertbar oder kompostierbar sein müssen. Der Gebäudekreislauf spielt somit eine zentrale Rolle. Die verwendeten Materialien werden nicht verbraucht und dann entsorgt: Vielmehr sind sie für eine bestimmte Zeit aus einem technischen bzw. natürlichen Kreislauf entnommen und werden später wieder in diese Kreisläufe zurückgeführt. Dadurch fungiert UMAR als temporäres Materiallager und Materiallabor.
Wiederverwendung und Wiederverwertung spielen hierbei eine ebenso große Rolle wie Recycling und Upcycling (sowohl auf systemischer wie auf molekularer bzw. biologischer Ebene, z.B. durch Einschmelzen oder Kompostierung).
Dem Entwurf liegen die folgenden Ansätze zugrunde:
– temporäres Entnehmen bzw. Entleihen statt permanentem Erwerben und Entsorgen
– maximale Modularisierung und Vorfertigung
– sortenreine Entnehmbarkeit aller Materialien und Produkte
Modulbauweise unterstützt Idee
Der komplett vorfabrizierte und im Werk getestete Bau ist in Modulbauweise ausgeführt. Das Tragwerk besteht ebenso wie große Teile der Fassade aus unbehandeltem Holz, das nach dem Rückbau wiederverwendet bzw. kompostiert werden kann. Die Fassade ist aus Aluminium und Kupfer. Beide Metallarten können sortenrein eingeschmolzen und rezykliert werden. Im Innenbereich werden verschiedenste, seriell verarbeitete Bauprodukte eingesetzt, deren unterschiedliche Materialien sortenrein und rückstandsfrei in ihre unterschiedlichen Stoffkreisläufe zurückgeführt werden können. Unter anderem kommen hier gewachsene Myzeliumplatten, innovative Recyclingsteine, wiederverwertete Isolationsmaterialien, geliehene Bodenbedeckungen, sowie eine multifunktionale Solarthermieanlage zum Einsatz. Doch es geht nicht nur um die Materialien, sondern auch um die Verbindungstechnik. Neue Lösungen waren für Bereiche gefragt, wo sonst mit PU-Schaum gefüllt, mit Silikon abgedichtet oder chemisch geklebt wird. Doch biologische und technische Kreisläufe dürfen nicht vermischt werden, da es sonst mir der Kompostierbarkeit nicht mehr klappt.
Besucher können sich im Eingangsbereich der Unit sowie in einer eigenen Materialbibliothek über alle eingesetzten Materialien und Produkte informieren. Ziel ist es, mit Partnern aus Planung, Verwaltung und Produktion zentrale Fragen des Bauwesens und des Ressourcenverbrauchs zu betrachten und daraus innovative Werkzeuge und Methoden zu entwickeln.
Über Prof. Werner Sobek
Mit Prof. Werner Sobek haben die 1. Bautechtalks einen bekannten Architekten und Bauingenieur (ausgezeichnet mit dem Fritz Leonhart Preis, dem höchsten europäischen Preis im Bauwesen) zugleich. Er leitet das Institut für Leichtbau an der Universität Stuttgart, von 2008 bis 2014 war er Mies-van-der-Rohe-Professor am Illinois Institute of Technology in Chicago. Werner Sobek steht weltweit für Engineering, Design und Nachhaltigkeit. Die Arbeiten des Büros zeichnen sich durch hochklassige Gestaltung auf der Basis von herausragendem Engineering und ausgeklügelten Konzepten zur Minimierung von Energie- und Materialverbrauch aus. Tragwerksplanung und Fassadengestaltung von z.B. vom DC-Tower mit 250 Metern, dem höchsten Tower Wiens, Mercedes-Museum in Stuttgart, Sony-Center in Berlin oder Flughafen Kuwait, 74 geschoßiger ADNOC-Tower in Dubai wurden umgesetzt.