Forschung und Entwicklung : Baustoffe der Zukunft – was bald Beton und Kunststoff ersetzen könnte
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Wie oft haben wir es nicht schon gehört – der Sand wird knapp, Zement ist zu CO2-intensiv in der Produktion, Baustoffe werden zu wenig recycelt. Glücklicherweise kommt die Forschung beim Thema Baustoffe aber mit großen Schritten voran – kaum ein Monat vergeht, in dem wir nicht von einem neuen Supermaterial lesen, das härter als Stahl ist, oder von einem neuen Rekord im Holzhochbau. Die Bauwelt sieht immer mehr die Notwendigkeiten für Alternativen zu Beton, Stahl und Kunststoff – und so wird auch in neuen Bauprojekten immer öfter eine neue Richtung eingeschlagen. Ob gut sichtbar in der Architektur oder unsichtbar als Dämmstoff in der Wand. Ob eine gänzlich neue Erfindung oder eher Neuentdeckung eines alten Bekannten.
Wachsender Beton – Gib dem Bakterium Zucker
Das größte Problem bei Beton ist vermutlich der Zement. Wäre dieser ein Land, er wäre der größte Verursacher von Treibhausgasen nach den USA und China. Nichts anderes in der Industrie stößt so viel CO2 aus – acht Prozent der globalen Emissionen.
Das liegt auch daran, dass Zement immer noch sehr viel in der Bauindustrie verwendet wird. Es gibt bereits einige Ansätze, wie dieser oder Beton als ganzes ersetzt werden könnte – eine gänzlich neue Idee hat nun ein Team der University of Colorado Boulder vorgestellt. Und diese Idee liefert weit mehr als den CO2-Vorteil.
Die Entwicklung der Forscher ist ein betonähnliches Material, das sich selbst vervielfältigen und heilen kann. Es ist eine Mischung aus Sand und Gelatine – und Bakterien. Die Gelatine – auch ein anderes Hydrogel könnte verwendet werden – dient Cyanobakterien als Feuchtigkeits- und Nährstoffquelle. Davon versorgt machen sie sich an die Arbeit und verfestigen die Masse zu Stein. Dabei wird kaum CO2 freigesetzt.
Was die Bakterien hier genau machen, ist die Erzeugung von Calciumcarbonat – die Mineralisierung des Materials wird in Gang gesetzt, so wie sich auch Muschelschalen bilden.
Solange die Bakterien ihre feuchte und nährstoffreiche Basis haben, arbeiten sie immer weiter. Zerbricht man den von ihnen gefertigten Stein etwa, bilden sie die zwei Bruchstücke zu zwei neuen Steinen heraus.
Muss man sich nun also vorstellen, dass ein Haus aus diesem neuen Beton ständig weiterwachsen würde? Kaum, denn die Bakterien können durch den Entzug ihrer Basis in eine Art Dämmerzustand versetzt werden. Sie sterben nicht, sondern halten das Material stabil. Zeigen sich Schäden in der Substanz, etwa Risse, können die kleinen Arbeiter durch Hydrogelzugabe ganz leicht wieder aufgeweckt werden – so behauptet es zumindest das Forscherteam – und sich an die Reparatur machen.
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Bambus – mehr als eine Fashion Choice
Nicht neu ist hingegen Bambus – und selbst in der Baubranche wird der Urstoff schon eingesetzt. Allerdings vor allem in Asien und in erster Linie für Baugerüste. Davon abgesehen gilt Bambus immer noch eher als Design-Wahl, etwa für Böden oder Fassadenelemente, denn vielversprechendes Baumaterial.
https://youtu.be/QqUS4JGbb3I
Dabei spricht viel dafür. Kaum eine Pflanze wächst so schnell wie Bambus – mehrere Zentimeter am Tag – und schnell nachwachsende Ressourcen bedeuten hohe Nachhaltigkeit.
https://youtu.be/A3OBbGojx_k
Bambusholz ist zudem hart und stabil. Die Zug-, Druck- und Biegefestigkeit ist sehr hoch, gleichzeitig ist das Gewicht sehr niedrig. Aufgrund seines hohen Silikangehalts gilt es außerdem als schwer entflammbar.
Doch bei Bambus gibt es nicht nur Vorteile. Zwar hat er ein eher geringes Quell- und Schwindverhalten, doch ist er in unbehandelter Form auf Dauer doch nicht ganz witterungsbeständig. Das hat bisher einem vermehrten Einsatz im Außenbereich im Wege gestanden. Die restliche Beschaffenheit des Materials – und auch Praxisbeispiele aus tausenden von Jahren – sprechen aber für Bambus in verschiedenen Einsatzgebieten, von der Wand- bis zur Dachkonstruktion. Ein neuer Fokus darauf, diesen Urstoff vermehrt anpflanzen und durch – möglichst umweltschonende – Lacke beständiger zu machen, könnte noch ein neues Zeitalter für Bambus einläuten.
Holzschaum – wenn man nach Nachteilen suchen muss
Aus alt mach neu könnte es bei einem Vorlaufforschungsprojekt des Fraunhofer Instituts für Holzforschung WKI in Braunschweig geheißen haben. Oder eher: aus Baum mach Schaum. Dass Holz immer mehr in der Baubranche verwendet wird, ist bekannt – dafür werden auch Bauregulierungen auf der ganzen Welt überarbeitet, um etwa noch höhere Holzbauten zu ermöglichen. Und auch holzbasierte Dämmstoffe sind nicht unbedingt etwas neues, wenn auch nicht sehr bekanntes – doch mit diesem neuen Holzschaum hat Fraunhofer möglicherweise einen wichtigen Weg in die Zukunft geebnet.
Mit einem neuen Verfahren des Instituts wird ein Schaumstoff aus reinem Holz hergestellt. Dieser Holzwerkstoff benötigt keinerlei Klebstoffe – allein aufgrund seiner holzeigenen Bindungskräfte wird bereits eine hohe Festigkeit erreicht. Der Stoff ist also zu 100 Prozent natürlich und somit umweltfreundlich.
Verwendet werden könnte der Werkstoff etwa sehr gut für Leichtbauplatten oder als Dämmmaterial. Die Wärmeleitfähigkeit ist ähnlich Polystyrol Holzfaserdämmplatten, die Druckfestigkeit ist hoch, die Dickenquellung niedrig – das Material bleibt somit formstabil und entspricht den geltenden Dämmstoff-Normen, auf die es bereits getestet wurde.
Auch um in Flammen aufgehenden Wänden braucht man sich keine Sorgen zu machen. Das Brandverhalten ähnelt dem von Naturfaserdämmstoffen und durch Additive könnet der Flammschutz noch verbessert werden. Im Gegensatz zu anderen holzbasierten Dämmstoffen ist der neue Holzschaum formstabiler – und dennoch muss nicht auf erdölbasierte Kunststoffe gesetzt werden. Ein weiterer großer Vorteil ist, dass sich sowohl Nadel- als auch Laubhölzer für das Verfahren eignen. Sogar Sägespäne kommt in Frage, da das Holz für die Schaumherstellung ohnedies stark zerkleinert werden muss.
Derzeit arbeitet Fraunhofer an der Weiterentwicklung von Holzschäumen. Die Verfahrenstechnik wird noch optimiert und weitere Materialien werden ausgetestet. Aber schon in wenigen Jahren sollen eine Fertigung im großen Stil und die Markteinführung möglich sein.
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