Baustoffe : Baustoff Holz – was steckt wirklich dahinter?
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Erst dieses Jahr wurde wieder der Rekord gebrochen – der Mjøsa Turm in Oslo ist mit 18 Stockwerken und 85,4 Metern Höhe seit März das höchste Wohngebäude aus Holz. Alle Holzbauten, die noch höher sind, sind Radiotürme oder Tempel.
Doch mehrere Projekte auf der ganzen Welt machen sich daran, Oslo bald wieder abzulösen. Ob in Tokio, London oder Chicago – diese und noch viele andere Städte haben derzeit Projekte in der Pipeline, deren Holzhochhäuser deutlich über 100, 200 oder sogar 300 Metern liegen.
Der Ur-Baustoff hat die Architektur bei kleineren und mittleren Bauten, sowie im Design, schon lange erfasst. Doch viele Planer haben ein Astauge auf Holz für Wolkenkratzer geworfen.
Damit neue Rekorde hier überhaupt möglich sind, braucht es allerdings da und dort Gesetzesänderungen, denn die Höhe für Holzbauten ist oft streng begrenzt. Eine entsprechende Änderung hat die kanadische Provinz British Columbia erst vor ein paar Monaten durchgezogen – hier sind jetzt zwölf statt sechs Stockwerke bei Holzbauten erlaubt.
Kanada hat guten Grund, sich auf Holz in der Architektur zu konzentrieren – denn die Ressourcen sind enorm. Knapp 350 Millionen Hektar Wald gibt es im Land, den Großteil davon in British Columbia. Beliebt ist hier vor allem der 3,2 Millionen Hektar große Altbestand mit seinen Zedern, Tannen und Fichten, wovon 1,42 Millionen Hektar frei zum Schlägern sind.
Ein Astauge auf den Urbaustoff geworfen
Dagegen gibt es seit vielen Jahren Proteste. Dabei nennen viele Architekten bereits eine Alternative zum Schlägern des Altbestandes – nämlich Holzwerkstoffe als Zuschlagstoff. Holzwerkstoffe entstehen durch Zerkleinerung und anschließende Zusammenfügung der kleinen Strukturelemente. Da große Teile des Altbestandes im Bau sowieso zerkleinert würden, könnte dieser Anteil auch leicht ersetzt werden, erklärt John Innes, Forscher für Waldwirtschaft an der University of British Columbia gegenüber dem Guardian. „Holzwerkstoff macht es möglich, das Schlägern von Altbestand zu reduzieren.“
British Columbia scheint mit seiner geänderten Gebäudevorschrift der ganzen Welt ein Beispiel zu sein, oder zumindest mitten im Trend. Die Ausweitung auf zwölf Stockwerke soll 2020 in ganz Kanada Anwendung finden. 2021 werden in den USA Holzbauten bis zu 18 Stockwerke erlaubt sein. China hat erst 2017 sein Gesetz auf fünf Stückwerke generell und 18 Stockwerke in den erdbebenärmsten Zonen geändert. Doch auch hier wird über eine Ausweitung nachgedacht.
https://youtu.be/cZ6TPFiqEQ8
In Europa sieht es etwas anders aus. Seit 2011 haben etwa Italien und Großbritannien keine Höhenbeschränkungen mehr. In Österreich sind über sechs Stockwerke erlaubt, doch dann werden objektspezifische Brandschutzkonzepte erforderlich.
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Wie gut hält Holz?
So auch im Fall HoHo in der Seestadt Aspern in Wien. Das Holz-Stahlbeton-Hybridhaus, das kürzlich in seine finale Bauphase ging, war eine Zeit lang mit 84 Metern der höchste Holzbau der Welt. Es besteht zu 75 Prozent aus Holzteilen – die 800 tragenden Säulen, die Holzverbunddecke, die Wandelemente. Das Fichtenholz dafür kommt aus Österreich. Die Fassadenplatten aber mussten speziell für den Brandschutz gewählt werden.
Dass Holzbauten aufgrund einer erhöhten Brandgefahr keine gute Idee sind, das kommt vielen Menschen als erstes in den Sinn. Was aber nicht stimmt. Für das HoHo wurde etwa ein Test mit einem Wand-Decken-Element in einer Brennkammer durchgeführt – auch nach 90 Minuten bei 1.000 Grad waren nur acht Zentimeter der äußeren Schicht verkohlt. Instabil war das Stück deswegen noch nicht, sondern immer noch tragfähig.
Auch dass Holz im Bau bei Erdbeben weniger stabil sei, ist bei der richtigen Konstruktion eine Unwahrheit. Die Plattform Thinkwood, die Architekten auf den natürlichen Baustoff aufmerksam machen will, nennt mehrere Faktoren, die Holz sogar als besonders erdbebensicher auszeichnen – wie das niedrigere Gewicht gegenüber Stahl oder Beton, sowie die Flexibilität.
Leicht oder leicht einstürzbar?
Die Leichtigkeit des Baustoffs hat natürlich nicht nur im Erdbebenfall, sondern schon in der Konstruktion enorme Vorteile. So wird etwa die Vorfertigung von Fertigteilen erleichtert, die auf der Baustelle zusammengesetzt werden. Das hat ein Projekt von Sidewalk Labs, einer Schwester von Google, vor, wenn es in Toronto das erste Holzviertel der modernen Welt errichten will – die Zustimmung zu den Plänen wurde erst vor einigen Tagen gegeben. Die meisten Teile der geplanten Bauten sollen vorgefertigt werden.
Solche Projekte und immer neue Höhenrekorde erregen viel Aufmerksam und lenken ab von den kleineren Möglichkeiten, die Holz im Bau bietet – dabei sind diese so gewaltig wie ihre Wolkenkratzer-Pendants. Am meisten wird Holz im Bau immer noch für kleine und mittelgroße Gebäude verwendet.
Das Potential für mehr besteht. Laut der TU Darmstadt könnten durch Ausbau auf deutschen Dächern 2,7 Millionen zusätzliche Wohnungen entstehen – die hätten viele Städte auch dringend nötig. Durch das niedrigere Gewicht von Holz wären solche Ausbauten auch leichter möglich. Davon abgesehen ist der Baustoff sehr viel nachhaltiger als etwa Beton. Er speichert CO2 anstatt es freizugeben und wächst nach.
Das haben viele schon bemerkt. Deswegen steigt der Anteil von Holz im Bau kontinuierlich. In Österreich hat sich der Holzbau im Hochbau in den letzten zwanzig Jahren von 14 auf 24 Prozent gesteigert – und hier werden sogar nur Bauten gezählt, die zu mehr als der Hälfte aus dem Baustoff sind. Es geht also voran – und nicht immer nur in die Höhe.
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