Bauschaden-Report : Bauschäden: Luft für den Dachboden?
Beim Haus mit Steildach wird statt dem Dachstuhl meist nur die oberste Geschossdecke gedämmt - eine günstige Variante besonders bei Filigran- oder Ortbetondecken, da mit dieser die Luftdichtheit bereits gegeben ist. Bei der Holzdecke sieht die Sache etwas anders aus, da könnte gleich die Dachschräge gedämmt und brandschutztechnisch berücksichtigt werden.
Bei der Deckendämmung bleibt der Dachraum selbst dem Außenklima ausgesetzt. Dass ein gut nutzbarer Raum so oft hergeschenkt wird, erkläre ich mit schlechter Beratung. Frost und Hitze, da sind Lagerungen nur eingeschränkt möglich, sogar aus Brandschutzgründen gleich gar nicht erlaubt! Ausgenommen, es wird plan- und ausführungstechnisch der Dachraum berücksichtigt. Die Dämmung für die Dachschräge kostet nicht mehr als die für den Dachboden, es braucht dann noch eine Dampfbremse und eine Brandschutzverkleidung: fertig ist der legale und voll nutzbare Lagerraum. Wer hier dennoch sparen möchte, sieht sich beim ungedämmten Dachboden mit einer Frage konfrontiert:
Dachboden belüften oder nicht?
Für die Belüftung gibt es vier Möglichkeiten:
1. Firstentlüftung über das Unterdach bzw. die Unterspannung
2. Lüftungsschlitz umlaufend im Bereich der Mauerbank
3. Lüftungsöffnungen im Bereich allfälliger Giebelwände
4. Elektro-Mechanische Lüftung
Bei Variante 2 und 3 liegen die Lüftungsöffnungen relativ frei, sind daher eher ungeschützt gegen Flugschneeeintrieb. Die Variante 1 ist unter der Dachdeckung zwar besser geschützt, aber auch nicht sicher gegen Flugschnee. Die mechanische Lüftung ist zwar eine Option und auch mit Feuchtesteuerung lieferbar, wird aber für einen „Blindboden" aus Kostengründen kaum genutzt.
„Planung und Ausführung von Unterdächern und Unterspannungen". Bei der Planung von Unterdächern seien insbesondere zu berücksichtigen:
+ windbedingter Eintrieb von Regenwasser durch die Fugen der Dacheindeckung
+ windbedingter Eintrieb von Schnee durch die Dacheindeckung (Flugschnee)
Unter 4.5 „Anforderungen an Unterdächer" wird sinnvollerweise deutlich formuliert: „Folgende auszugsweisen Eigenschaften von Unterdächern werden gefordert:
+ Dichtheit gegen Eintrieb von Flugschnee durch das Unterdach
+ Schutz der Wärmedämmung vor Wärmeverlust durch Luftströmungen"
Der letzte Punkt beschreibt die Notwendigkeit, „winddicht" auszuführen, dabei werden die Dachschalungsbahnen im Überlappungsbereich „strömungsdicht" verklebt. Daraus ergibt sich dem Normenleser recht eindeutig, dass der Dachraum nicht belüftet werden darf. Würde doch kalter Wind und Flugschnee recht ungehindert hereingeblasen werden? Dafür sprechen auch immer wieder auftretende Reklamationen von Hauseigentümern, die beim ersten Mal schockiert feststellen, dass große Haufen Schnee im Dachboden liegen. Der letzte, der sich beschwert hat, dass einige Familienbilder kaputt wurden, bekam von seiner Hausbaufirma zur Antwort: „Da dürfen Sie ja eh nix lagern."
Ein anderer hatte die Dachbodendämmplatten mit Gipskartonplatten abgedeckt, die wurden nach der unbemerkten Schneeanhäufung schimmelig.
Also keinesfalls belüften?
Irrtum! Die Norm widerspricht sich: Unter 4.3 „Konstruktive Grundsätze" steht: „Nicht ausgebaute Dachräume (z. B. Spitzböden) sind zu belüften." (!) Ein Widerspruch zur Gebrauchstauglichkeit eines Dachbodens? Die normative Vorsicht erklärt sich vermutlich durch häufig vorkommenden Pilzbefall am Dachstuhl durch Kondenswasserausfall. Der entsteht aber nicht durch einen diffusen Feuchtetransport durch die oberste Geschossdecke! Hier sind nahezu ausschließlich bauschädliche Luftundichtheiten und damit Baumängel verantwortlich. Durch eine Dachraumbelüftung kann eine kleinere Menge einströmender Leckluft abgelüftet bzw. egalisiert werden. Das zeigt auch die Praxis: Von im Vorjahr begutachteten 18 Dachstühlen mit Pilzbefall war bei immerhin 6 eine Belüftung vorhanden.
Demnach bleibt die Empfehlung, die Qualität der Luftdichtheitsebene sicherzustellen. Dann kann auch der Dachboden frei von Schnee bleiben.
Und schlussendlich der Hinweis, dass Normen ständigen Änderungen unterworfen sind und schon deswegen nur Empfehlungscharakter haben können. Die oben genannte Norm ersetzt die ONR 22219-2 aus dem November 2004. Immerhin bis 2010 geisterte damit der normative Unsinn der „überlüfteten Wärmedämmung" durch die Dachlandschaften. Bleibt die Hoffnung, dass bei der nächsten Ausgabe die Vorgabe zur Dachraumbelüftung einer Eigenverantwortung von Planer und Ausführenden weicht.
Günther Nussbaum-Sekora ist EU-zertifizierter Bau-Sachverständiger, Spengler und Dachdeckermeister, Gebäudethermograf und Luftdichtheitsprüfer.