SOLID-Rechtsfragen am Bau : Baurecht: Streit um Bauteile - Hilft die Produkthaftung?
Auch am Bau kommt es im Zusammenhang mit mangel- und schadhaften Bauteilen aller Art, wie z. B. bei Dämmungen, Installationen, Fenstern, Steuerungsanlagen etc., immer wieder vor, dass der vermeintliche Verursacher mit der Produkthaftung konfrontiert wird. Dies geschieht nach anwaltlicher Erfahrung zumeist in der Phase nach Ablauf der Gewährleistungsfrist. Der Verfasser hat in den letzten 10 Jahren überdies die Erfahrung gemacht, dass das Thema Produkthaftung seitens der am Bau beteiligten Techniker auffallend oft dann als taugliche Anspruchgrundlage angesehen wird, wenn infolge eines vorliegenden technischen Gutachtens bereits feststeht, dass die Ursache des Problems ein Planungs- oder Konstruktionsfehler des Produkts (= Bauteils) ist.Es scheint unter den Beteiligten also eine Art „Assoziationsmuster“ zwischen den Begriffen „Mangel“ und „Produkthaftung“ zu geben. Dass diese „Idee der Haftungsgrundlage“ aus rechtlicher Sicht in vielen Fällen scheitern muss, ist Gegenstand dieses aufklärenden Beitrages. Zudem erfolgt ein Vergleich zur normalgesetzlichen Schadenersatzhaftung nach dem ABGB. Produkthaftung: Was meint der Begriff Unter Produkthaftung, die in einem eigenen Gesetz – dem Produkthaftungsgesetz (PHG) – geregelt ist, versteht man die Haftung des Herstellers für die Gefährlichkeit seiner Erzeugnisse. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Gefährdungshaftung. Ein Händler oder Verkäufer des fehlerhaften Produkts kann nach dem PHG nur in Anspruch genommen werden, wenn er seine Benennungspflicht – die Pflicht, bekanntzugeben, wer ihm das fehlerhafte Produkt geliefert hat – verletzt.Nach dem PHG werden Personen- und/ oder Sachschäden geschützt, die durch Fehler eines Erzeugnisses eingetreten sind, welche dieses Erzeugnis beim Inverkehrbringen aufgewiesen hat. Als ein solches Produkt wird auch angesehen, was zunächst beweglich war und erst durch Verbindung mit anderen Sachen unbeweglich geworden ist.Planungen bewegen sich nicht Nicht der Produkthaftung unterliegt aber z. B. die Planung einer Bauwerkskonstruktion: Auch wenn ein Planer bei der Konstruktionsplanung Fehler begeht und das Bauwerk deswegen Schaden nimmt, kann er nicht nach dem PHG in Anspruch genommen werden. Der Planung mangelt es an der für das PHG erforderlichen „Körperlichkeit“ (keine bewegliche Sache) des Leistungsgegenstandes. Nach ABGB ist die Haftung nicht auf bewegliche „Schadensverursacher“ beschränkt. Auch unbewegliche Sachen, Dienstleistungen und geistig-schöpferische Leistungen (Planung) kommen als „Verursachungsvehikel“ in Frage.Sachschäden sind nach dem PHG nur insoweit ersatzfähig, als sie an vom Produkt verschiedenen körperlichen Sachen eintreten. Der Minderwert des fehlerhaften Produkts selbst (z. B. Preisminderung) kann deswegen nicht nach dem PHG geltend gemacht werden. Auch sogenannte „Weiterfresserschäden“ sind nicht ersatzfähig.Beispiele Ein in einer Heizungssteuerungsanlage eingebauter fehlerhafter Regler, der zu einer Beschädigung der Heizungsanlage („weiterfressen“) führt, fällt nicht unter das PHG. Entgangener Gewinn und entgangene Nutzungen können ebenfalls nicht nach dem PHG geltend gemacht werden. Bei der Haftung nach dem PHG gilt außerdem ein Selbstbehalt des Geschädigten mit 500 Euro. Nach ABGB kann auch der Mangelschaden selbst und bei entsprechendem Verschuldensgrad auch der entgangene Gewinn geltend gemacht werden (Preisminderung). Das ABGB kennt auch keinen Selbstbehalt. Ausgeschlossen sind überdies – und dies ist der Hauptgrund für die meistens zu diagnostizierende Untauglichkeit des PHG für Haftungen am Bau – Schäden an unternehmerisch genutzten Sachen. Mit anderen Worten: Dem PHG unterliegen nur Schäden an vom Produkt verschiedenen körperlichen Sachen, wenn der Geschädigte ein Verbraucher oder der Geschädigte ein Unternehmer ist, der Schaden jedoch in seiner Privatsphäre eintrat. Dies ist im B2B-Bereich ganz überwiegend nicht der Fall. Anders natürlich, wenn ein Verbraucher die Bauteile direkt bestellt und beauftragt – in diesem Fall sind Ansprüche durchaus denkbar.Nächste Seite: Warum die unterschiedlichen Ursachen für Schäden entscheidend sind - und welche „Fehler“ am Produkt das PHG meint >>
Voraussetzung für die Schadenersatzhaftung nach dem PHG ist, dass das Produkt einen Fehler hat, der den Schaden kausal verursacht hat. Auch diese Voraussetzung ist am Bau mitunter nicht leicht zu beweisen. Bei klassischen „Mängelthemen“ liegen häufig multikausale Verursachungsmomente vor.
Kausale Zusammenhänge Häufig treten Fehler am Produkt neben einem Ausführungsfehler des Handwerkers auf oder können Ausführungsfehler zumindest nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Auch das Hinzutreten von Planungsfehlern, die seitens des AG zwar nicht nach dem PHG, aber natürlich nach dem regulären Schadenersatzrecht verfolgt werden können, führen zu einer Art „Haftungsaufteilung“ zwischen den Haftpflichtigen und somit aus Sicht des Bauherrn zumeist zu einer solidarischen Haftung für den entstandenen Schaden. Dies bringt eigene juristische Probleme mit sich, die in der nächsten SOLID-Ausgabe näher erläutert werden. Welche „Fehler“ am Produkt meint nun das PHG? Ein Produkt ist dann fehlerhaft, wenn es nicht jene Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände erwarten darf. Dabei kommt es auch auf die Darbietung der Sache an sowie auf den Gebrauch, mit dem vernünftigerweise zu rechnen ist.Die Fehler müssen dem Erzeuger/Hersteller zugerechnet werden können: also Konstruktionsfehler und Produktionsfehler, die zum Fehler geführt haben. Das allgemeine Deliktsrecht sieht auch eine Produktbeobachtungspflicht des Produzenten vor: Der Produzent hat seine Erzeugnisse im Auge zu behalten und die Erwerber zu warnen, sollten sich gefährliche Eigenschaften herausstellen. Dies kann für den Bau bei Konstruktionselementen und Aufhängungen aller Art durchaus relevant sein. State of the art Ein Haftungsausschluss oder eine Freizeichnung von der Haftung nach dem PHG ist unzulässig und unwirksam. Die Ersatzpflicht entfällt jedoch, wenn es dem Hersteller zu beweisen gelingt, dass er zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens den Stand der Wissenschaft und Technik eingehalten hat.Die potenzielle Haftung nach PHG besteht nur für die Dauer von zehn Jahren ab dem Zeitpunkt des Inverkehrbringens. Nach ABGB kann eine Haftung absolut 30 Jahre lang geltend gemacht werden. Zu beachten ist aber, dass ein Schaden binnen drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger geltend zu machen ist, da sonst die sogenannte „relative Verjährungsfrist“ verjährt.(SOLID Printausgabe 3 / 2013)