Baupraxis : Bauen auf Polnisch

Mit einem fröhlichen „Dzien dobry wszystikim!“ beginnt Mariuz Banasiak seinen Arbeitstag. Der junge Projektleiter von UMB Polen hat viele gute Gründe „Guten Morgen allerseits!“ zu sagen. Unter seinem achtsamen Augen wächst der größte Businesspark der Stadt. Der Rohbau ist fertig. Die Fassadenbauer montieren Elemente. Die Innenausbauer stemmen Elektroleitungen. Trotz Wirtschaftskrise ist dieses Bürorojekt in der Zielgeraden. Ein Drittel der Flächen sind bereits vermietet ohne die Werbetrommel zu rühren.

Vor vier Jahren kaufte UBM Polska, eine Niederlassung der österreichischen UBM, das 1.600 Quadratmeter große Fabriksgrundstück. Es liegt strategisch güstig zwischen Flughafen und Stadtzentrum. Die Autobahn zum Flughafen ist seit einem Jahr fertig. Der Autobahnring um Warschau ist zwar noch eine Linie mit Unterbrechungen, soll aber in den nächsten Jahren geschlossen werden. Hier entwickelte Rolf Grossmayer, Leiter der Niederlassung Polen, ein modernes Büroviertel auf 16 Hektar. 14 Gebäude, darunter ein Hotel, ein Parkhaus und ein Logistikzentrum sollen große und kleine Firmen hierher locken. Von 6000 Quadratmetern in einem Stockwerk bis zu kleinen Büros, Schauräumen und Werkstätten für Gewerbebetriebe kann hier alles untergebracht werden.

Bürger mit Einfluss

Polen ist anders. „Die Genehmigungen dauerten länger als erwartet“, sagt Grossmayer, der Ausdauer und Geduld bewies. In eineinhalb Jahren wurde der Masterplan entwickelt und die Genehmigung erteilt. Zeit kosteten vor allem die polnischen Behördenwege. „Die Infrastrukturplanung war aufwändig, da jede kleine Änderung in einem rigiden Verfahren über den Geometer läuft, der drei Wochen Zeit braucht, um eine Leitung um einen Meter zu verlegen“, sagt Grossmayer rückblickend, aber sichtlich erleichtert. Vor Jahren ging dies noch schneller. Damals war der Bürgermeister noch die letzte Bauinstanz. Nach der Zentralisierung ist es heute Präsident Lech Kaczynski.

Besondere Macht haben in Polen Anrainer. Anders als in Österreich. In Polen können Anrainer Bauprojekte zum Stoppen bringen. Etwa die Kulturvereinigung, die sich um das Stadtbild kümmert, kann ein Projekt drei bis vier Monate lahm legen. Ist die Entscheidung gefallen und sind Pläne geändert geht es wieder weiter. Zur Erleichterung der Projektentwickler geschah dies im Business Park nicht. Ein hartnäckiger Bürger wurde mit einem Kanalanschluss auf die richtige Seite geholt.

Um 100 Millionen Euro ensteht in der ersten Bauphase einiges: 45.000 Quadratmeter Büroflächen – ein Drittel des Gesamtprojekts – sowie die komplette Infrastruktur am Gelände. Die Hälfte der Finanzierung übernimmt CA IMMO International. Obzwar die Investitionsbereitschaft in dem neuen EU-Land gesunken ist, bleibt die Nachfrage von Mietern bestehen. Ein Drittel der Flächen des Poleczki Business Park sind bereits vermietet. Mit Interessenten aus dem privaten und öffentlichen Bereich verhandelt UBM.

Der Bau schreitet zügig voran. Zwei noch stehende Fabriksgebäude wurden gleich zu Beginn abgerissen und der Boden auf Belastungen untersucht. Der Rohbau steht im Großen und Ganzen und alte Bauteile liegen bereit um bei den Straßen wieder eingebaut zu werden. „Polen verwendet zwar noch keine europäischen Normen, ist dem System jedoch schon relativ nah“, sagt Banasiak, der einige Jahre in Österreich gearbeitet hat. Was sofort auffällt ist, dass hier mehr mit Ziegel gebaut wird, als bei uns. Die Grundstruktur des Gebäudes – Decken, Steher und tragende Wände - besteht aus Beton, doch kleine Wände und Schächte werden geziegelt.

Inspector nadzuro

Draußen am Baugelände herrscht reger Betrieb. 200 Mann sind an der Arbeit und verlaufen sich auf dem großen Gelände. Man spricht polnisch. „Auf polnischen Baustellen arbeiten fast ausschließlich Polen, anders als in Wien“, sagt Projektleiter Banasiak. Vor eineinhalb Jahren war die Lage schwierig. In der Zeit des Aufschwunges durch den EU-Beitritt und den Wirtschaftshöhenflug gab es hierzulande böse Überraschungen auf der Baustelle. Der Polier sagte, dass er mit seinem Team nächste Woche nach England gehe. Und weg waren gute Arbeiter. Grossmayer und Banasiak haben diese schweren Zeiten gut überstanden. Manchmal holten sie sich koreanische oder russische Arbeiter auf den bau. Die polnischen Arbeiter kommen mittlerweile jedoch wieder zurück. Das Material fürs Bauen ist gesichert. Der Engpass an Zement im vorigen Sommer ist vorüber gegangen. Stahl sicherte sich Grossmayer bereits vertraglich ab.

Zurzeit ist die Warschauer Baustelle das größte Einzelprojekt im Land. Drei Prozent der Gesamtinvestitionen von Polen wiegt dieses Projekt. Der Baualltag ist einem österreichischen sehr ähnlich, aber nicht ganz. „Der Inspektor nadzuro könnte jeden Tag überraschend kommen“, scherzt Mariuz Banasiak und weist damit auf eine polnische Bauspezialität hin. Der Inspektor nadzuro ist der mächtigste Bauaufsichtler, der auf allen polnischen Baustellen das letzte Wort hat. Behördlich vorgeschrieben ist Nadzuro vergleichbar einem Ziviltechniker, der die Bewehrung abnimmt und die Qualität kontrolliert. In Wirklichkeit kommt diese spezielle Bauaufsicht – hier drei Personen - alle zwei Monate auf der Baustelle vorbei. Nach polnischem Gesetz erhält Nadzuro 0,3 Prozent der Bausumme. Acht weitere Bauaufsichtler vom Generalunternehmer PORR und von Investorenseite überwachen parallel dazu das Großprojekt.

Macht der Architekten

Strengere Vorschriften herrschen nicht nur bei der Abnahme. Polen gibt den Architekten über ein starkes Urheberrecht besondere Macht. „Es ist wichtig den Architekten die Autorenrechte abzukaufen, um später das Projekt verkaufen zu können“, erklärt Niederlassungsleiter Grossmayer. Dem Architektenteam RKW – Rhode, Kellermann und Wawrowsky – kaufte er das Urheberrecht ab. Sonst könne später keine bauliche Veränderung gemacht werden ohne die Zustimmung der Architekten einzuholen.

Obwohl schwierige Zeiten in Polen herrschen, bleibt Grossmayer für dieses Projekt zuversichtlich und guter Dinge. Dem 38-Millionen-Einwohner-Land geht es von den neuen EU-Ländern noch am besten. Für heuer prognostizieren Weltbank und EU-Kommission noch 2 Prozent Wachstum. Auch wenn dies auf Null revidiert werden müsste, steht das Land noch gut da. Die Leerstandsquote liegt bei 2,5 Prozent bei Büroimmobilien. Die Spitzenmietpreise fallen heuer auf das Niveau von 2007 zurück. Internationale Konzerne, die im Osten auf die Bremse steigen, stecken eher in den kleinen Märkten als im größten neuen EU-Land zurück.

Während das einstige Presitgeobjekt Sky-Tower in Wrozlaw gestoppt wurde, befindet sich der Poleczki Business Park in der Zielgeraden. Zumindest diese Bauphase. Denn Vorsicht ist für UBM-Leiter Grossmayer auf jeden Fall angebracht: „Die nächste Bauphase beginnen wir erst, wenn 80 Prozent vermietet sind.“ Dann heißt es wieder „An die Arbeit“ oder polnisch gesagt: Do roboty. (PK)

Facts:

Projektentwicklung: UBM Polska Sp z. o.o.Generalunternehmer: PORRBaukosten 1. Phase: 100 Millionen EuroBaukosten gesamt: 250 Millionen Euro