SOLID 06/2018 : Baudienstleistung am Wendepunkt
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Wer ist heutzutage am Bau eigentlich kein Dienstleister? Die Frage mag auf den ersten Blick absurd erscheinen – ein genauerer Blick zeigt aber, dass sich nicht nur die Bereitsteller von Baustellen-WCs, Schalungsfirmen oder Vermieter von Baumaschinen als Dienstleister verstehen, sondern beim richtigen Thema auch schon mal die großen Baufirmen selber. Das heißt dann „Wir sind streng genommen Technologiedienstleister für Bauprojekte“ und stammt aus der Vorstandsetage einer der ganz großen österreichischen Firmen.
Die schlechte Nachricht: Wenn sich alle das selbe Schild umhängen, wird das für die Differenzierung und das Herausstellen der eigenen Leistungsfähigkeit nicht leichter.
Die gute Nachricht: Die derzeit herrschende Baukonjunktur und deren Geschichte spielt den tatsächlichen Baudienstleistern in die Karten.
Es wird viel gebaut und die Baufirmen kommen mit den eigenen Ressourcen in keiner Weise aus – und vor dem Aufbau neuer Ressourcen steht ein großes ängstliches Fragezeichen: was, wenn es mal nicht mehr so gut läuft?
Mehr als mieten
In Österreich sind es vor allem drei Firmen, die sich dem Thema Baulogistik in seiner Gesamtheit widmen und spannender Weise durchaus unterschiedliche Zugänge haben: (in alphabetischer Reihenfolge) Cramo, HKL und Zeppelin Rental.
Das „Rental“ im Namen von Zeppelin Rental zeigt dabei auch schon ein bisschen das Problem: das Vermieten von Hilfestellungsinfrastruktur ist bei allen dreien historisch der Ausgangspunkt der Baulogistik. In Summe aber ist es viel mehr, was jetzt schon angeboten wird – und es soll noch mehr kommen, wenn es nach den Chefs der Österreich-Niederlassungen der Firmen Christian Heigl (Cramo), Burkhard Winterfeld (HKL) und Dominik Müller (Zeppelin Rental) geht.
„Ich glaube, dass Dienstleister auch übersetzbar ist mit Kümmerer“, sagt etwa Dominik Müller, der selber aus der Baulogistik kommt. „Das ist auch das, was wir den Kunden vermitteln wollen: dass wir in den Dienst des Auftraggebers einsteigen, um ihn in allen Belangen zu unterstützen, die neben dem eigentlichen Projekt anfallen.“
Erst im vergangenen Jahr wurde bei Zeppelin Rental ein Deal endgültig gefinisht, der die Firma vom reinen Gerätevermieter zum Komplett-Logistikanbieter gemacht hat: die Übernahme der Streif Baulogistik, aus der Müller eben kommt.
Streif war dabei vor ca. vier Jahren auf den Markt gekommen und war davor eine 100 % Hochtief-Tochter, die vom spanischen Hochtief-Eigner ACS abgestoßen wurde. Zeppelin Rental Deutschland übernahm 2014 den Geschäftsbereich Projektservice der Streif Baulogistik, der Abschluss der Integration und Verschmelzung zur Zeppelin Rental Österreich GmbH & Co. KG erfolgte 2017.
Auch Cramo verfolgt einen ähnlichen Weg. Das Unternehmen wurde als Vermiet-Dienstleister gegründet. Dabei war man in den 1970er Jahren – damals unter dem Namen Theisen – noch als Händler von Baumaschinen in Österreich tätig, aber schon 1993 erkannte man, dass die Kunden wesentliches Interesse an der Nutzung der Maschine haben und nicht unbedingt am Besitz. Am Anfang standen ausschließlich Maschinen für den Tiefbau bzw. Erdbau in der Vermietflotte. Diese wurde im Laufe der Jahre jedoch ständig erweitert, sodass Cramo heute in Österreich im Wesentlichen in drei Sektoren Maschinen und Geräte anbietet: Werkzeuge, Baumaschinen, Zugangstechnik. Der Bogen reicht dabei von der Bohrmaschine über Bagger von 1-16 Tonnen bis hin zur 43m Arbeitsbühne. Christian Heigl: „Heute verstehen wir uns als Partner unserer Kunden, der ihnen verlässlich das Thema Versorgung mit Bauequipment abnimmt. Wesentlich ist, dass sich der Kunde auf seine Kerntätigkeit konzentrieren kann. Ob diese Kerntätigkeit Fensterreinigung, Hochbau oder Leitungsverlegung ist – Cramo stellt das passende Gerät so auf die Baustelle, sodass der Kunde keine weitere Zeit verliert. Unsere Dienstleistung ist demnach sehr breit strukturiert. Logistik, Betankung, Wartung, Reparaturen, Vorhaltung – all das nehmen wir als Vermiet-Dienstleister unserem Partner ab.
Und ebenso wie bei Zeppelin Rental wurde durch die Übernahme von KBS Baulogistik durch Cramo in Deutschland eine neue Dimension eröffnet. Heigl: „Da wird ganz klar eine Marschroute von Konzernseite vorgegeben, wo es hingehen soll.“
HKL-Österreich-Geschäftsführer Burkhard Winterfeld sieht sein Unternehmen von Anfang an nicht als reinen Vermieter. „Für uns gehören Dienstleistungen von Anfang an mit zur grundsätzlichen Basis des Geschäfts. Es ist dabei nicht Aufgabe, einen ausgewählten Hersteller oder deren Produkte am Mietmarkt zu platzieren, sondern den Kunden bei der Lösung seiner individuellen Anforderungen zu helfen. Schnell und einfach. Wie genau und womit es der Vermieter dann schafft, den Kunden zu unterstützen, ist dann die eigentliche Spezialität und zeigt am Ende die Qualität des Anbieters. Je weniger der Kunde mit den Details befasst ist, desto mehr Freiraum erhält er für die eigentliche Umsetzung seiner Arbeiten.“
Das Schaffen von Freiräumen für die Auftraggeber ist wohl der gemeinsame Nenner, auf den sich die Baudienstleister einigen können. Wie weit das aber geht, ist durchaus unterschiedlich. Das Spektrum reicht dabei von der Notfallsfeuerwehr, wenn auf der Baustelle plötzlich was fehlt oder nicht klappt, über die klassische Vermiet- und Serviceleistung bis zur Mithilfe bei der Planung des gesamten Bauablaufs – und da wird es dann so richtig spannend.
So ist Zeppelin Rental aktuell beim ARE-Signa-Projekt Forum Donaustadt mit der Baulogistikplanung beauftragt. „Wir unterstützen die Projektentwickler, Projektsteuerung und zukünftige Örtliche Bauaufsicht dabei, heute schon zu erkennen, wo die verschiedenen logistischen Themen entstehen können. Wir bringen unsere Erfahrung ein, um aufzuzeigen, welche Themen man als Auftraggeber beim Neubau dieser Hochhäuser vielleicht gar nicht auf dem Schirm hat, weil man heute noch nicht dran denkt.“
Behörden- und rechtliche Themen, setzt Dominik Müller fort, seien beim Bauherrn in der Regel ja gut aufgehoben. „Aber tatsächlich machen sich wenige Gedanken über die Abwicklung der Bauleistung – und das machen wir für sie. Wir unterstützen dort, wo man Strom benötigt, wo es um das Freihalten von Wegen geht etc. Darüber hinaus koordinieren wir die Bereitstellung von Flächen und stehen dem Bauherrn beratend zur Seite, wenn es darum geht, wie viel an zB Kran, Aufzug, Stapler in welcher Kapazität zu welcher Zeit erforderlich ist.“
Langsamer kann schneller sein
Das kann dann sogar so weit gehen, dass Logistiker dem Bauherrn empfehlen, Teile zurück zu stellen, also verspätet zu bauen, weil man sich durch gleichzeitiges Bauen aller Bauteile selbst behindern würde. Auf diese Weise konnte etwa beim deutschen Uniklinikum Giessen der Terminplan bei den verbleibenden Gebäuden optimiert werden, was in Summe dazu führte, dass das Klinikum zeitgerecht in Betrieb gehen konnte.
Dominik Müller: „Dieses frühe Involvement entspricht auch einer anderen Leistung. Wir sind beim Forum Donaustadt zunächst nicht als Baulogistiker, sondern als Baulogistikplaner beauftragt. Das ist eine ganz eigenständige Leistung und wird auch in Deutschland von vielen Baulogistikern angeboten.“
Die digitale Kristallkugel
Und dann wären dann noch die beiden großen D der aktuellen Wirtschaftsdiskussion: Digitalisierung und Disruption. Was denken die Logistiker, wenn sie sich etwa eine Dienstleistung wie den Saubermacher-Spinoff wastebox.biz ansehen, der damit begonnen hat, Entsorgungsdienstleistungen nach dem Uber-Prinzip zu vermitteln und sich anschickt, das nun auch auf andere Themen wie eben Maschinenvermietung auszurollen?
Christian Heigl von Cramo gibt sich betont entspannt: „Ob wastebox.biz eine Disruption im engeren Sinne ist, wäre eine eigene Diskussion. Jedenfalls haben wir keine Angst vor Weiterentwicklungen, seien sie digitaler oder sonstiger Art. Ich sehe die Entwicklung jedenfalls so, dass die Geschäftsanbahnung, die Abwicklung, die Einbindung von Dienstleistern in Bauprozesse etc. jedenfalls mehr und mehr digitalisiert und die Anbindung damit enger wird. Wir bei Cramo können das unseren Kunden bereits bieten. Wenn der Kunde es wünscht, kann der gesamte Mietprozess papierlos abgewickelt werden.
So lange man aber Löcher im Boden graben muss, Baumaterialien bewegen muss etc., so lange wird es Maschinen geben, die das auch bewerkstelligen. Diese Maschinen muss jemand zur Verfügung stellen, warten und transportieren. Insofern ist Angst in keinster Weise angebracht. Die Digitalisierung wird sich im Bereich der Prozesse jedoch sehr schnell durchsetzen. Auch das Thema Internet of Things, Verwendung telematischer Daten aus den Maschinen zu Steuerungszwecken und zur Ablaufverbesserung wird sehr schnell kommen.“
Auch Burkhard Winterfeld (HKL) sieht sein Unternehmen gewappnet und freut sich auf die Herausforderung: „Digitale Prozesse laufen in Teilbereichen schon heute und werden zukünftig sukzessiv überall zu finden sein. Flexible und individuelle Miet- und Bestellmöglichkeiten online sind dabei nur ein Anfang. Dabei muss natürlich auch berücksichtigt werden, wie sich die neue Datenschutzverordnung auf das Geschäft auswirken wird. Das Kundenverhalten hat sich durch die Digitalisierung bereits verändert und wird das auch weiterhin tun! Anfragen, Angebote und Umsetzung der Kundenanforderungen können aber heute wesentlich schneller bearbeitet werden, dabei hilft uns die Digitalisierung und fordert uns, unsere Arbeitsweise und Logistik stetig anzupassen!“
Und Dominik Müller (Zeppelin Rental) denkt schon an den nächsten Schritt: „Ich glaube, dass wir als Baulogistiker uns in den nächsten Jahren verändern werden und das auch müssen. Das Thema BIM – auch wenn das schon zerredet wird – wird dazu führen, dass wir als Baulogistiker sehr früh gefragt sein werden. Wir sind hier in der glücklichen Situation, dass wir schon seit mehreren Jahren auf unseren Baustellen unendlich viele Informationen darüber sammeln, wie es tatsächlich läuft – und das digital, weil wir selber alle unsere Leistungen digitalisiert haben. Ich kann mit unserem Online-Logistik-Tool heute alles dokumentieren und zB vergleichen, wofür wie viel geplant war und wie lange es tatsächlich gedauert hat – und das über zig Baustellen hinweg.“
Müllers Vorstellung ist, diese Information später in ein Datensystem einspielen zu können, um im Vorfeld den Terminplan oder die Flächenbedarfsanalyse mit den aus der Realität errechneten Mittelwerten besser generieren zu können. „Wir könnten das allein mit den Informationen, die wir heute schon haben, optimieren.“
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