Österreich : Baubranche warnt vor Krise ab 2021
Ein seltenes Bild - ein Gewerkschafter im Schulterschluss mit einem Baumagnaten: Vor einer massiven Verschärfung der Krise in der Baubranche im Gefolge der Coronapandemie warnten heute der Chef der Gewerkschaft Bau-Holz, Josef Muchitsch, und der Präsident der Vereinigung Österreichischer Projektentwickler, Erwin Soravia. Der gemeinsame Appell: Zügige Baugenehmigungen wären jetzt eine große Hilfe.
"Die Wirtschaftskrise wird spätestens Ende 2021 an vielen Türen klopfen und läuten", befürchtet der GBH-Bundesvorsitzende und SPÖ-Sozialsprecher Muchitsch unter Verweis auf die aktuelle Rekordarbeitslosigkeit in der Zweiten Republik. "Die Arbeitslosenzahlen sinken zwar wieder, aber die sinken immer langsamer." VÖPE-Präsident und Bauunternehmer Soravia sieht das genauso: "'21 erwischt uns richtig", mahnte er in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Muchitsch. "Ab dem zweiten Quartal '21 sind die Aufträge nicht mehr vorhanden."
Die Branche hofft nun auf all die Baugenehmigungen, die bereits - fertig zur Umsetzung - bei den Behörden beantragt sind, und drängt hier auf eine rasche Endbearbeitung. In Summe gehe es da um ein Bauvolumen von 25 Mrd. Euro, das man da in den nächsten zwei bis drei Jahren ins Rollen bringen könnte - beträchtliche Summen, auch im Vergleich zu jedem Konjunkturprogramm der Regierung.
"Der Staat alleine wird diese Krise nicht stemmen können - es braucht das Drehen an zusätzlichen Schrauben", meinte Muchtisch mit Blick auf eine Ankurbelung der Bautätigkeit auch im privaten Sektor. "Jetzt finden wir einen teilweisen Stillstand bei den Genehmigungen vor", stellte der Gewerkschafter fest, der sich um die Beschäftigung am Bau sorgt. Im Lockdown sei es natürlich nicht möglich gewesen, örtliche Bauverhandlungen durchzuführen. Es gelte, das so schnell wie möglich aufzuholen, es gelte aber auch, einen Blick in die Zukunft zu richten. "Fakt ist, seit dem Lockdown kommen keine Aufträge nach und das macht uns große Sorge."
Wenn man das mit ein bisschen Ehrgeiz mache, könne man gewisse Projekte von 2021 in 2020 holen und von 2022 in 2021 - "und darum geht's: einfach ein bisschen vorziehen (...) und wenn wir nur fünf, sechs Monate vorziehen, haben wir die Krise um fünf, sechs Monate verkürzt." Die Banken seien jetzt, was Neufinanzierungen angehe, "etwas restriktiver". "Das ist verständlich, weil sie risikoscheu sind. Aber die Projekte im Genehmigungsverfahren sind alle ausfinanziert - das liegt nur an der Abwicklung."
"Das ist kein Vorwurf, sondern ein Appell: Bitte sehen wir nach, wo kann man Genehmigungen vorziehen, um hier der Konjunktur einen Schub zu geben", betonte Soravia. A la longue wünschenswert wären "planbare, verlässliche 'Timelines'", also letztlich genau definierte Zeitfenster für die einzelnen Schritte bei den Bauansuchen. Damit gemeint seien Zeitlimits für die Bauwerber, die Bearbeiter der Anträge und die Anrainerbefragungen. Das würde die Behördenwege verkürzen.
Der Aufruf der beiden Branchenvertreter, nun fast fertige Baugenehmigungen möglichst schnell abzuhandeln, richtet sich an die dafür zuständigen Behörden - von Landesamtsverwaltungen über Landesamtsdirektionen heruntergebrochen auf die Gebietskörperschaften in den Gemeinden und Städten. "Hier werden wir auch noch persönlich nachstoßen", kündigte Muchitsch an. "Wir suchen das Gespräch", so Soravia. (APA)