Der Arbeitskreis "BIM in der Praxis" der Österreichischen Bautechnik Vereinigung hat in Zusammenwirken zwischen maßgeblichen Vertretern der Auftraggeber, der Bauunternehmungen, der Planer und der Lehre und Forschung in mehrjähriger Tätigkeit die nun vorliegende öbv-Richtlinie "BIM in der Praxis - AIA" sowie die zugehörige webbasierte adaptive AIA erarbeitet.
Building Information Modeling (BIM) ist eine über den gesamten Lebenszyklus reichende, interdisziplinär anwendbare Arbeitsmethode für die Planung, Errichtung und das Betreiben von Bauwerken. Soweit die Theorie - aber wie sieht es in der Praxis aus?
Mit der Gründung des Arbeitskreises vor rund drei Jahren begann zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Arbeitskreises ein reger Austausch über BIM Projekte und den jeweiligen Entwicklungen in den eigenen Firmen zum Thema BIM. Die internationale Vernetzung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Richtlinie stellt sicher, dass Erfahrungen aus dem D-A-CH-Raum, aus Europa und international Berücksichtigung gefunden haben. Die Erkenntnisse wurden im Rahmen der Plattform 4.0 veröffentlicht und können unter https://platform4zero.at/schriften/ nachgelesen werden.
Es konnte auf jeden Fall die generelle Aussage getätigt werden, dass im Rahmen dieses Austausches kein Projekt gefunden wurde, welches vollumfänglich der Definition von BIM entsprach. Die Projekte waren größtenteils aus Eigeninitiative der Firmen als BIM Projekte durchgeführt worden bis auf Ausnahmen außerhalb von Österreich und traten zumeist im Bereich der Planung und/oder der Bauausführung („Planen und Bauen“ Projekte) auf.
Die Diskussion mit den Vertretern der Auftraggeber führte zu der Erkenntnis, dass es bei den Auftraggebern (teilweise auch bei Auftragnehmern) Unsicherheiten über BIM generell und über die zusätzlichen BIM Rollenbilder im speziellen gab und gibt. Weiters war ein wesentliches Thema, welche Leistungen im Rahmen eines BIM Projektes vom Markt abgerufen werden können.
Genau diese Entwicklungsgeschichten im Arbeitskreis, als auch die Beobachtung der unterschiedlichen Auftraggeber, die sehr verschiedene Anforderungen in ihren BIM-Ausschreibungen formulierten, führten zur Idee, eine Richtlinie zu erstellen, welche einerseits die Auftraggeber bei der Ausschreibung und Umsetzung von BIM in Projekten unterstützen und andererseits Sicherheit zur Umsetzbarkeit vom Markt garantieren soll.
Wie kann die öbv-Richtlinie "BIM in der Praxis - AIA" die Auftraggeber bei der Implementierung von BIM im Projekt unterstützen?
Die anzuwendende Methodik bei einer Projektabwicklung mit BIM wird im Wesentlichen durch das Dokument Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA) beschrieben. Bis dato werden zumeist Ziele definiert, welche durch die BIM Implementierung im Projekt erreicht werden sollen. In vielen Fällen sind diese Zieldefinitionen oft zu ungenau, um die zu erbringende Leistung vollumfänglich klar zu beschreiben.
Die Grundaussagen der Ziele sind zumeist: Effizienzsteigerung, verbesserte Koordination, Terminsicherheit und Kostensicherheit. Das Resultat daraus sind, Ausschreibungen die nicht vergleichbar sind, stark unterschiedliche Preisbildungen resultieren auf unzureichenden Informationen und ggf. eingerechneten Risikozuschlägen. Zusätzlich entsteht die Problematik, dass Qualitäten nachträglich im laufenden Projekt „ausgehandelt“ werden müssen.
Die öbv-Richtlinie "BIM in der Praxis - AIA" bedient sich hierbei der Definition von BIM Anwendungsfällen, also einer Definition von Leistungen unter Berücksichtigung von Qualitätsstufen. Dies bildet die Grundlage für ein klares Verständnis, der zu erbringenden Leistungen, deren Qualität und gewährleistet die Vergleichbarkeit der Preisbildungen anhand der Anwendungsfälle.
Zusätzlich wirkt die öbv-Richtlinie "BIM in der Praxis - AIA" auch als ein Leistungskatalog mit einheitlicher BIM-Sprache, aus welchem die Auftraggeber die gewünschten BIM Leistungen für ihr Projekt auswählen und gleichzeitig sicher sein können, dass die Marktteilnehmer die Leistungen auch liefern können.
Es wird festgehalten, dass es noch keine vollumfassende Implementierung von BIM bei den Auftragnehmern (und Auftraggebern) gibt. Daher sollte zur qualitativen Bewertung der Angebote, sowohl ein BIM-Projektabwicklungsplan, als auch persönliche Referenzen zu den Personen, welche die zusätzlichen BIM Rollenbilder besetzen, eingefordert werden.
Wozu noch eine Richtline zur AIA?
Zugegeben es ist in der Zeit des Internet leicht möglich, mit den Stichworten „AIA BIM“ (oder alternativ „EIR BIM“ in Englisch) zu Dokumenten zu kommen, welche sich mit der AIA beschäftigen. Vielleich sind sogar ein oder zwei AIA darunter, die tatsächlich zur Umsetzung gekommen sind. Die Problematik ist hierbei nur, dass es sich bei diesen Dokumenten um AIA´s handelt, die für ein spezielles Projekt zugeschnitten wurden. Somit gibt es hierbei keinerlei Übersicht, welche Leistungen und vor allem welche Qualitäten möglich und vom Markt umsetzbar sind. Die öbv-Richtlinie "BIM in der Praxis – AIA“ bietet hier Abhilfe. Sie ist adaptiv und softwareneutral konzeptioniert. Zusätzlich ist es wichtig, die Anwendungsfälle immer in Abhängigkeit zu den Projektphasen zu sehen.
Daraus folgt, dass der Auftraggeber definierte Anwendungsfälle und Qualitäten für sein Projekt auswählen kann, ohne befürchten zu müssen, dass es die Marktteilnehmer nicht leisten können.
Der wesentliche Unterschied zwischen dem Kauf eines Autos und einem BIM Projekt ist einerseits, das einheitliche Verständnis des Sprachgebrauches durch jahrzehntelange Erfahrung zwischen Besteller und Auftragnehmer und andererseits, dass es sich beim Autokauf meist um ein persönliches Geschäft handelt, bei dem der Auftragnehmer die Möglichkeit hat solange rückzufragen, bis für ihn ein klares Bild besteht.
Die öbv-Richtlinie "BIM in der Praxis - AIA" hat das Potential die Grundlage für einen einheitlichen Sprachgebrauch zu liefern und damit die Kommunikation bei der Entstehung von BIM Projekten entscheidend zu verbessern sowie die Besteller/Auftraggeber Anforderungen gegenüber dem Auftragnehmer klar zu definieren.