SOLID 03 / 2015 : Asamer ohne Asamers
Aktive Mitgliedschaft erforderlich
Das WEKA PRIME Digital-Jahresabo gewährt Ihnen exklusive Vorteile. Jetzt WEKA PRIME Mitglied werden!
Sie haben bereits eine PRIME Mitgliedschaft?
Bitte melden Sie sich hier an.
Thomas Bernhard hat sich als Menschenfreund kaum um große Nachrede bemüht. Es darf als verschmitzte Boshaftigkeit verstanden werden, wenn er eine der Nebenfiguren seines Werkes „Die Jagdgesellschaft“, uraufgeführt 1974 in Berlin, mit dem Namen „Asamer“ belegt. Der Familien- und Unternehmensnamen Asamer ist aber nicht nur den Jüngern der Thomas Bernhard-Gemeinde geläufig. In den vergangenen 18 Monaten wurden die Asamer-Brüder Manfred (Jahrgang 1962), Kurt (1963) und Andreas (1965) kreuz und quer durch die heimische Wirtschaftsberichterstattung gejagt. Vater Hans mischt dabei immer wieder mit, obwohl er sich seit 1996 aus dem operativen Kies-, Beton- und Schottergeschäft zurückgezogen hat. Sein operatives Feld waren in den vergangenen 18 Jahren ausschließlich die Immobiliengeschäfte der Asamer-Gruppe – mit teilweise verheerenden Resultaten. Seine Flops sorgten dafür, dass der Holding die finanzielle Substanz fehlte, als diese am meisten benötigt wurde.
Nachdem die Banken Ende 2013 die Reißleine gezogen hatten, war eine ihrer Sanierungsbedingungen, dass sich die Familie Asamer - Junioren wie Senior – samt und sonders aus den operativen Funktionen zurückziehen. Nicht einmal der Aufsichtsratsvorsitz blieb in der Familie. Seither findet Asamer so gut wie ohne die Asamers statt. Und dies wird solange vorhalten, bis die Banken – allen voran die RLB Oberösterreich – wieder eine Chance sehen, zu ihrem Geld zu kommen. Für ein Unternehmen mit einer derart ausgeprägten Familienphilosophie wie bei den Asamers ist dies eine wahre Katastrophe. Back to the roots In der Hochblüte (2007/2008) machte die Asamer Holding 650 Mio. Euro und beschäftigte 5500 Mitarbeiter in 16 Ländern. Glaubt man beteiligten Bankern, dann verdiente die Gruppe damals in ihrem Stammgeschäft prächtig. Das Geschäft mit Kies, Schotter, Zement und Beton ernährte ihre Eigentümer auf das Trefflichste. Heute sind aus der einstigen Goldgrube noch 800 Mitarbeiter in 3 Ländern übrig, die nur mehr einen Bruchteil des Umsatzes an Land ziehen (2014: 170 Mio. Euro). Aber es werden wieder operativ schwarze Zahlen geschrieben, wie Klaus Födinger, aktueller Geschäftsführer der Asamer Baustoffe AG, nicht müde wird zu betonen: „Wir haben im Stammgeschäft im vergangenen Jahr Geld verdient und werden auch heuer wieder positive Ergebnisse liefern“, kämpft der einstige Verantwortliche der Asamer-Zementsparte und Vertrauensmann der Banken um frische Glaubwürdigkeit des geschrumpften Unternehmens.
In seinem Einflussbereich sammelt sich der Rest vom einstigen Fest, in dem das österreichische Kerngeschäft sowie ein Zementwerk in der Slowakei und Standorte in Bosnien zusammengefasst wurden. Die heutige Asamer Baustoffe AG repräsentiert rund 40 Prozent der einstigen Holding – der Rest ist verkauft, pleite oder harrt in einer eigenen Verwertungsgesellschaft neuer Eigentümer (siehe Kasten). Der Crash ist das Ergebnis schriller Strategien, die durch den Zusammenbruch des libyschen Staates torpediert wurden. „Etwas weniger Bauchgefühl und etwas mehr Vorsicht hätten die Auswirkungen des arabischen Frühlings besser verdaulich gemacht“, ist sich einer der involvierten Sanierer sicher.
Instinkt zählte unter dem Senior, aber auch unter den akademisch ausgebildeten Söhnen, mehr als Due Dilligence. Als Mitte der 90er Jahre das Bauimperium Maculan mit Verbindlichkeiten von elf Milliarden Schilling in eine der größten heimischen Nachkriegspleiten schlitterten, standen plötzlich jede Menge Standorte und Assets zum Verkauf.
Der Linzer Wirtschaftsanwalt Gerhard Wildmoser, seit jeher enger Freund der Familie und aktueller Aufsichtsratsvorsitzender der Verwertungsgesellschaft Quadracir, gab Hans Asamer den Tipp, dass auch ein Zementwerk in der Slowakei zum Verkauf steht. Der ist Feuer und Flamme, rechnet aber damit, dass in zwei, drei Tagen alle Mitbewerber davon Wind bekommen werden. Also setzt er sich ins Auto, fährt in die Slowakei und kauft die Anlage für 350 Millionen Schilling. „Das war ein Deal auf drei Tage", erinnert sich Kurt Asamer in einem INDUSTRIEMAGAZIN-Porträt.
Der mittlere der drei Brüder war bis zuletzt zuständig für das Zementgeschäft und ist der Einfädler des Libyen-Engagements. Dessen Zustandekommen steht für die Art und Weise, wie der Asamer-Clan seine Geschäfte zu tätigen pflegte: In der zweiten Hälfte der Nullerjahre war in der Gruppe unveränderte Turbo-Wachstum angesagt. Unter anderem wollte man das kapitalintensive Zement-Segment weiter treiben, was nach dreistelligen Millioneninvestitionen verlangte. Libyen wurde dabei als mögliches Investitionsziel ausgemacht, da dort noch keine Privatisierungen stattgefunden hatten.
Doch wo lernt ein Ohlsdorfer Manager Entscheidungsträger aus Tripolis kennen? In diesem Fall fuhr Kurt Asamer nach Sarajewo, um auf einem Kongress nach Gesprächspartnern Ausschau zu halten. „Mir war so langweilig, dass ich mit meinem Sitznachbarn ins Gespräch gekommen bin", erinnerte sich später Kurt Asamer. Er lernte so Ferdinand Heilig kennen, der als Umweltökonom auf internationale Klimaschutzprojekte spezialisiert war und bei der OPEC die richtigen Leute kannte. Heindl stellte für Kurt die Kontakte her und im Juni 2008 verfügte die Asamer-Gruppe über ein Joint Venture an drei ehemals staatlichen Fabriken in Libyen. Kostenpunkt der Libyan Cement Company LCC: 235 Mio. Euro.
Weitere Investitionen im dreistelligen Millionenbereich brachten die Wüsten-Werke auf ein respektables Produktionsniveau, das operativ bis Ausbruch der Kriegswirren „extrem gute Erträge lieferte“, wie der heutige CEO und damalige Zement-Abteilungsleiter Klaus Födinger beteuert. Allerdings kamen die Investitionen für das Libyen-Abenteuer praktisch zur Gänze von den Banken, allen voran die RLB Oberösterreich. Laut einem Artikel des Wochenmagazins Profil betrugen die Verbindlichkeiten 2011 überschaubare 385 Millionen Euro. Ende 2013 wurden Schulden von 900 Millionen Euro ausgewiesen – je zur Hälfte verursacht durch die Investments in den Kernbereich Baustoffe und zur Hälfte durch Immobilieneinkäufe. Männerfreundschaften
Hans Asamer bezeichnet den einstigen RLB OOe-General Ludwig Scharinger in einem Interview als eines seiner „beruflichen Vorbilder“. Die Wege der beiden Bauernsöhne aus dem Mühl- und Traunviertel kreuzten sich früh und führten zu einer engen Männerfreundschaft, die im oberösterreichischen Wirtschaftsleben lange den Ton angab. Scharinger saß bis Sommer 2014 auch im Aufsichtsrat der alten Asamer Holding – neben Christoph Leitl, Ex-Wienerberger-Vorstand Wolfgang Reithofer und dem ehemalige Strabag-Chef Ernst Nußbaumer.
Wer die beiden alten Patriarchen Asamer und Scharinger jemals in Aktion erlebt hat, weiß, dass es für die bedien nicht schwer war, auf einer Welle zu schwimmen. Weltsicht, Führungsstil und Jagdpassion ließen wenig Spielraum für Divergenzen. Nur blöd, dass Ludwig Scharinger 2013 in Pension ging und gleich darauf schwer verunglückte.
Als es 2014 bei den Asamers hart auf hart ging, hatte mit Heinrich Schaller ein völlig neuer Managertyp das Ruder in der wichtigsten Gläubigerbank in der Hand. Und der wollte bei Außenständen von rund 600 Mio. Euro (aus einem Gesamtobligo von 900 Mio. Euro) Fakten schaffen und keine Versprechen mehr hören. Er setzte einen Sanierungsprozess in Gang, der den Asamers keine Wahl ließ: In der Asamer Baustoff AG, die das Österreich-Geschäft sowie zwei Zementwerke in Bosnien und der Slowakei umfasst, haben die Brüder Andreas, Kurt und Manfred Asamer zwar mit knapp 75 Prozent noch die Mehrheit und jeweils auch einen Sitz im Aufsichtsrat. Das Sagen haben sie aber derzeit nicht mehr. Und Nettigkeiten wie die zwei Firmenjets wurden eingezogen. Wie viel sonst noch vom Privatvermögen der Asamer-Familie in die Sanierung eingeflossen ist, lässt sich nur schwer beurteilen. Die Immobilien-Deals des Vaters wurden zurückgefahren, Hotel-Projekte auf Eis gelegt bzw. verkauft.
Es stehen aber immer noch etliche Immobilien in besten Lagen im Einflussbereich der Familienstiftungen „Traunsee“ und „Kato“. Als Kurt Asamer mitten in den schrägsten Sanierungswirren seine neue See-Villa in Gmunden beziehen konnte, hielt sich das Mitleid der Attergauer Bevölkerung mit dem Clan im überschaubaren Bereich. Auch der Erstgeborene und langjährige Vorstandsvorsitzende der Asamer Holding, Manfred Asamer, konnte einen spürbaren sozialen Abstieg durch die wirtschaftliche Malaise vermeiden. Er ist unverändert Bundesobmann des Fachverbandes der Stein- und keramischen Industrie, einer nicht unwichtigen Teilorganisation der Wirtschaftskammer Österreich.
Und Andreas Asamer, der Jüngste, trennte sein berufliches Schicksal von seinen Brüdern und holte sich gemeinsam mit Kompagnons ehemalige Asamer-Standorte im Osten aus der Verwertungsgesellschaft, die er jetzt auf eigene Rechnung betreibt.
Unter den manngifaltigen Beteiligungen der erfolgreichen Zeiten findet sich ein wenig strategisches Investment beim Traunseer Bootsbauer Frauscher, aber auch Pacht und Betrieb von 26 ha Weingärten im Stift Göttweig (unter anderem mit Ex-Werbezampano Hans Schmid).
Wer im Portfolio weiterblätterte, stieß auf ein Unternehmen für die Gewinnung und Vertrieb des vulkanischen Silikatgesteins Zeolit, das als Entgiftungsmittel in Swimmingpools oder Aquarien für Furore sorgen sollte.
Spannend war auch das Engagement in der Asamer Rubber Technology GmbH, in der aus Altreifen 80 cm hohe Lärmschutzwände für Eisenbahnen entwickelt werden oder Leitschienen, die stürzenden Motorradfahrern einen besseren Schutz gewährleisten sollten.
Das in Ohlsdorf ansässige Werk fand Ende 2013 einen 50 Prozent-Partner in den Kirchdorfer Zementwerken, die die Bestimmung der Altreifen weniger im Lärmschutz denn als Energielieferant für ihre Zementöfen sahen.
Zu einer gewissen Berühmtheit brachte es das ebenfalls in Ohlsdorf ansässige Forschungs- und Entwicklungsunternehmen Asamer Basaltic Fibers, das seit 2006 auf Basis eines ukrainischen Patentes forschte, wie man aus Balsalt eine Hochleistungsfaser für verschiedenste Anwendungen machen konnte. Bis 2014 wurden acht Patente angemeldet. Jetzt käme das Projekt in die Phase der industriellen Verwertung, die weitere 35 Mio. Euro verschlungen hätte – und die nicht mehr aufgebracht werden konnten. Im Sommer 2014 ging die Basaltic Pleite.
Laut KSV betrug das Asamer-Investement bis dahin 32,2 Millionen Euro. Vor wenigen Wochen wurde das Unternehmen aus der Konkursmasse um ein paar hunderttausend Euro an Öko-Investor Ferdinand Heilig verkauft, der seit seinem Small-Talk in Bosnien der Asamer-Gruppe stets verbunden blieb. Ungarisches Roulette
Das ganze Beteiligungsrisiko hätte in Summe die Asamer-Gruppe nicht gefährden können, wenn nicht vorher schon jede Menge Geld in die ungarische Tiefebene gepflanzt worden wäre. In Bezenye nahe an der ungarisch-österreichischen Grenze wollte Senior Hans Asamer gemeinsam mit weiteren Investoren auf 16 Hektar eine riesiges Spielcasino inklusive Vier-Stern-Hotel und Wellness-Bereich errichten.
Ursprünglich war geplant, mehrere Milliarden Euro zu investieren, was sich aber als nicht realisierbar herausgestellt hat. Am Ende wurde der Investitionsbedarf mit 300 Millionen Euro beziffert, 1.200 Jobs sollten durch das Projekt entstehen. Ursprünglich wollte der Vater von Michael Jackson einsteigen, einst als Schläger seiner Söhne und Töchter bekannt geworden. Hans Asamer jettete dutzende Male mit dem firmeneigenen Lear Jet über den Ozean, um das Projekt unter Dach und Fach zu bringen. Vergebens. 2008 wollten nach fast zehn Jahren Entwicklung australische Investoren Eurovegas schließlich um 240 Millionen Euro übernehmen - alles war fix, eine Anzahlung über 5 Mio. Dollar geleistet.
Dann kam die Pleite der Lehman Brothers, und die Australier stornierten sämtliche Expansionsschritte. Mitte Jänner dieses Jahres entzog die ungarische Regierung die vor Jahren erteilte Casino-Lizenz. Jetzt hat das Grundstück nur mehr landwirtschaftlichen Wert.
Ein ähnlich unglückliches Händchen als Immobilienexperte beweis Hans Asamer mit seinem Investment ins Hotel Schloss Mondsee und das Schlosshotel Freisitz Roith – ersteres wurde bereits verkauft, zweiteres gilt nicht als wirtschaftlicher Bringer. Und dann gab es noch das Projekt „Lacus Felix“, wo auf elitären Seegrundstücken mitten in Gmunden ein architektonisch „anspruchsvolles“ Hotelprojekt errichtet werden sollte. Die Gmundener Gemeindepolitik erbebte ob der erteilten Baugenehmigungen und der offensichtlich guten Kontakte zum Bürgermeisteramt.
Jetzt wurde ein Teil der Grundstücke an die Kommune zurückverkauft und die Idee des „Lacus Felix“ begraben- gemeinsam mit viel Kapital, das die Holding in der Krise bitter benötigt hätte. Thomas Bernhard hätte dies ein Schmunzeln gekostet.
Ende 2013 stimmten die 17 Gläubigerbanken der Asamer Holding AG einem Sanierungsplan zu, der den Konzern wurde in eine gesunde Gesellschaft und eine Abbaugesellschaft mit problematischen Beteiligungen geteilt. Die heutige Asamer Baustoffe AG umfasst das Österreich-Geschäft sowie Standorte in der Slowakei und Bosnien.
Das sind exakt 23 Kieswerke und Steinbrüche, 18 Beton- und zwei Zementwerke. Geführt wird die Baustoffe AG von Klaus Födinger und – seit 1. März – dem neuen Finanzvorstand Markus Richter.
In der Verwertungsgesellschaft Quadracir soll durch Verkauf von nicht betriebsnotwendigen oder unrentablen Unternehmen jenes Geld aufgebracht werden, das den Schuldenstand der Familie nach unten drückt. Der Erfolg ist bislang überschaubar: Der jüngst vorgelegte Bilanz für 2013 weist mehr als 380 Millionen € Verlust und fast eine halbe Milliarde € Schulden aus. Daraufhin wurde die Quadracir in Liquidation geschickt: Binnen eines Jahres muss die Verwertung abgewickelt sein.