SOLID 12/2014 - 01/2015 : Angelika Bein von Fermacell - Standbeinwechsel? Bingo!
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Bei einem nicht so ganz kleinen Jobwechsel wie dem von Angelika Bein, einer der wenigen Frauen in diesen Businessregionen der Bauwirtschaft, aus der Führungsetage des Befestigungsspezialisten Halfen hinüber in die Führungsetage von Fermacell fragt man sich: Hat der wechselnde Mensch von der Strategie erfahren oder die Strategie von dem Menschen?„Die Strategie hat von mir erfahren“, sagt Bein, die gerade noch dabei ist, sich an ihrem 16. Tag im Unternehmen in ihrem neuen Büro in Wr. Neudorf und in der neuen IT einzurichten, im SOLID-Gespräch, in dem sie immer wieder das Wort „Bingo!“ einwirft, wenn was genau passt. Die Drehscheibe dabei war ein Headhunter, der die resolute Hobbydressurreiterin bereits zu Halfen gebracht und für sie in ihrer dortigen Position auch Personal rekrutiert hatte. Dieser hatte von der neuen Aufteilung der Märkte in der Xella- Gruppe Wind bekommen und war ans Werk gegangen.
„Das hat für mich extrem gut gepasst, auch aufgrund des jungen Führungsteams in Deutschland.“ Denn im Endeffekt, sagt Bein, arbeitet man für und mit Menschen. „Wenn man das leugnet, ist man auf dem falschen Weg.“Der CEO, der Marketing- und der Produktionsmanager der Xella-Zentrale in Duisburg haben allesamt noch keinen 4er vorne stehen. Und während sich viele in der Branche vor dem Augenblick fürchten, in dem sie einmal jüngere Vorgesetzte haben, geht die Mittvierzigerin Angelika Bein direkt darauf zu und sagt: „Wenn junge Leute gut sind, dann sind sie RICHTIG gut!“ Diese richtig guten Jungen sind top ausgebildet und haben zur gleichen Zeit einen sehr realistischen Blick für die Welt, wie sie heute eben ist – und die hat mit der „Oldest Economy“ (wie Angelika Bein sagt), der alten Bauwelt, in der man sich die Dinge noch ganz gern auf freundschaftlicher und traditioneller Basis ausgemacht hat, nur mehr sehr wenig zu tun. „Leider zählen menschliche und Kundenbindungen weniger als früher. Im Gasthaus kann ich mir das Geschäft nicht mehr richten.“ Auch wenn man sich 30 Jahre kennt, müssen Preis und Leistung passen. „Auch die Hard Facts müssen wesentlich präziser kommuniziert werden.“Trotz all dieser Euphorie hat der Wechsel von Halfen zu Fermacell einige Zeit in Anspruch genommen, sprich: Angelika Bein hat sich mit guten sechs Wochen ab dem Angebot mehr Zeit für die Entscheidung genommen, als die Auftraggeber eigentlich erwartet hätten. „Ich brauche für solche Entscheidungen länger – ansonsten kann ich aber sagen, dass ich im Berufsleben sehr gerne Entscheidungen treffe. Es gibt ja nur zwei Möglichkeiten: Etwas ist entweder falsch oder es ist richtig. Aber wenn man es nicht entscheidet, wird es nicht besser.“Die neue Fermacell-Strategie, bei der die gebürtige Grazerin eine entscheidende Rolle spielt, ist eine Umordnung der Markträume. Bein wird am Ende der gerade stattfindenden Neuaufteilung Area Director für Österreich, Slowenien, Kroatien und – neu – Polen und Tschechien sein. Dabei gibt es in Slowenien und Kroatien Exklusivvertriebspartner und in Polen und Tschechieneigene Organisationen.Für diesen Osteuropa-Part bringt Bein durch eine siebenjährige Erfahrung als dortige Produktmanagerin bei Rigips (1998–2005) das beste Rüstzeug mit, obwohl sie keine der osteuropäischen Sprachen spricht. „Ich habe versucht, Tschechisch zu lernen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich mich für sprachenaffin gehalten, aber da hab ich meine Grenze erreicht“, sagt sie. „In Wahrheit gibt es da 28 Fälle, wenn man es sich genau durchrechnet.“Von Latein über Chemie in den Vertrieb Die Geschichte, wie es Angelika Bein in die Vertriebsführung eines multinationalen Baustoff- und Baulösungskonzerns verschlagen hat, ist durchaus hörenswert und zeigt, wie das Leben oft wirklich ist, abseits von mit der Schnur gezogenen und am Reißbrett entworfenen Karrieren samt Ausbildungswahl mit direktem Jobanspruch.Bein besuchte den neusprachlichen Zweig eines Realgymnasiums in Graz. Da hat man viel Latein und Französisch, weniger Mathematik und ganz wenig Naturwissenschaften. „Ich war so schlecht in Chemie und hatte den Lehrer so gegen mich, dass ich jedes Semester eine Entscheidungsprüfung hatte. Auf diese Art habe ich so viel gelernt, dass es mich irgendwann zu interessieren begonnen hat. Ich habe aber auch in Mathematik maturiert.“Dazu kommt ein gewisses Kunstinteresse, das Bein sowohl im Freundeskreis als auch durch den Besitz einiger zeitgenössischer Werke auslebt (nur der Haken im neuen Büro ist noch leer, „ich weiß aber schon, was hinkommt“). Im Beruf hat sie es aber doch lieber geradlinig, strukturiert und ausrechenbar wie in der Baubranche – „falls Sie es wagen würden, mich zu fragen, was eine Frau in der Baubranche macht.“Natürlich wagen wir – nachdem uns Bein von der Chemie-FH und dem nach vier Semestern abgebrochenen Studium der technischen Chemie („Die Uni wäre absolut meine Welt gewesen, aber die schweigende Arbeit im Labor war es nicht“) berichtet hat. „Mir liegt das einfach und als Frau in der Baubranche hat man ja auch alle Möglichkeiten. Bis auf wenige Momente habe ich nie einen Nachteil verspürt. Und Bauen ist eine hochspannende Angelegenheit! Ich kann eigentlich nicht nachvollziehen, warum diese Branche so relativ wenige Frauen anzieht, gerade im Vertrieb.“Doch wir waren erst bei Technischer Chemie – und das hat mit Vertrieb auch noch nicht so viel zu tun. Der Weg dorthin verlief bei Angelika Bein über das Projektmanagement in Umwelttechnik und Abfallwirtschaft. Nach dem Abbruch des Studiums ging Bein nach Wien und fand binnen zwei Tagen („das war wirklich wie im Märchen“) ab Eintreffen einen spannenden Job bei der Firma Geoconsult. Man untersuchte dort – es war die Zeit der Mitterndorfer Senke – Altlasten- und Verdachtsflächen für öffentliche Auftraggeber.Dort lernte Bein Schreibtischarbeit und Projektleitung kennen. Der nächste Schritt war Mitte der 1990er die ASA-Abfallserviceholding mit deren Deponiestandorterrichtungsprojekten – und nach kurzer Zeit die Gesetzesänderung mit dem Aus für Deponien und deren Ersatz durch Verbrennungsanlagen.Via Verpackungssammlungsthema und dortigen Vorkontakten ihrer Firma zur Baubranche lernte Bein Rigips, Wienerberger und andere potenzielle Kunden kennen. „Zum Vertrieb bin ich gekommen, weil wir uns dachten: Männer reden gern mit Frauen, also ist die Frau die Richtige für den Vertrieb.“ Und das hat sie nie bereut, ganz im Gegenteil, kann man doch dort kommunikative Kompetenz mit Fachwissen gepaart so richtig ausspielen.Natürlich muss dazu auch das Produkt passen. Denn die Zeiten sind härter geworden, zumal seit 2008/09, als die gesamte Branche permanent hohe zweistellige Wachstumsraten schrieb und neu gebaute Büros zum Zeitpunkt des Bezugs oft schon zu klein waren. „Spanien ist weg – und das hat sehr viele künstlich mit Siedlungen in der Wüste ernährt.“ Das Investitionsklima ist extrem schwierig und eigentlich hauptsächlich noch im Wohnbau nennenswert.„Mit Fermacell werden wir versuchen, uns in die Schienen zu bewegen, in denen wir mit unserem Sortiment einen eindeutigen Vorteil haben. Denn eigentlich müssten wir noch mehr jammern als Knauf und Rigips, weil unsere Produkte teurer sind und wir gegen die Substitution durch billigere Werkstoffe kämpfen. Und heutzutage leistet sich der Markt nicht mehr so leicht einen qualitativ besseren, aber teureren Werkstoff wie vor 2008.“Fermacell muss sich, sagt Bein, nicht in der Konkurrenz zum Gipskarton bewegen, sondern im Brandschutz (mit der eigenen Marke Aestuver), im Bodenbereich und im Holzbau. Dabei ist der Baustoffhandel weiter ein ganz wichtiger Vertriebspartner für die Flächendeckung.Allerdings brauchen die Produkte Schulung, weil die technischen Lösungen und die Normensituation immer komplexer werden, und da kommt der Baustoffhandel nicht mehr mit. Eine der Aufgaben ist es also, eine gute Informationsschiene aufzubauen. Dabei spielt das Internet eine entscheidende Rolle. „Das kann man sich jetzt schon auf der deutschen Fermacell- Seite ansehen und in Österreich kommt das 2015 auch. Das geht nicht mehr vom Produkt aus, sondern von den Bedürfnissen des Kunden. Bingo!“ Einrichtungszugänge wie bei IKEA, Interaktivität, Berechnungsapplikationen nicht nur für den Verarbeiter, sondern auch für den Planer und dergleichen: das ist die neue Welt der Baustofflösungsbranche.Dabei bleibt der gewerbliche Kunde weiter im Fokus, da im privaten Einfamilienhausbau das Fertigteilhaus trotz manch anderslautender Unkenrufe immer mehr zulegt. „Private und auch Landwirte haben einfach keine Kapazität mehr, in der Freizeit Ziegel zu stemmen.“ Allerdings wird auch – mangels Großprojekten – das Gewerbe immer kleinteiliger. „Die Frage ist also: Wie können wir eine Vielzahl eher kleinerer gewerblicher Kunden erreichen? Und da ist natürlich das Internet prädestiniert. Und dann beibt natürlich schon auch noch die Frage: Wie kann ich die erreichen, die nicht so internetaffin sind?“Fermacell hat insgesamt eine bessere Entwicklung hinter sich als der Großteil der Branche. Die Zuwachsraten haben in der Regel zwei Stellen und 2011/12 gab es sogar einen Produktionsengpass, so dass sogar ein vom ursprünglichen Eigentümer nicht mehr zu finanzierendes Werk in Spanien fertig gebaut und in Betrieb genommen wurde. „Da haben uns sicher unsere hochqualitativen und spezifischen Lösungen zum Thema Dämmung, Energiesparen und Brandschutz auf dem Hintergrund immer neuer Normen geholfen.“Klingt nach Bingo.(SOLID 12/2014 - 01/2015)_____________________Manche mögen’s hartFermacells Flaggschiff sind Produkte für hohe Beanspruchung und Gefahren durch Feuer, Wasser und Mechanik.Überall, wo Baustoffe hoher Beanspruchung ausgesetzt sind, heißt die Antwort von Fermacell Powerpanel. Zementgebundene Platten, die teils mit einer Gewebearmierung aus Glasfaser verstärkt sind, sorgen für die nötige Widerstandskraft. Durch die individuellen Rezepturen erhalten diese Platten ganz spezifische Eigenschaften für besondere Einsätze.Aestuver-Brandschutzplatten sind universell einsetzbar: z. B. für Träger- und Stützenbekleidungen, zur Bekleidung von Klebearmierungen, für Trenn- und Schachtwände, Brandschutzunterdecken und natürlich überall dort, wo baulicher Brandschutz gefordert wird.Sowohl die industrielle Verarbeitung zu standardisierten Bauteilen und Bausystemen als auch die individuelle, maßgeschneiderte Herstellung von Bauteilen auf der Baustelle sind möglich. Die Brandschutzplatte fermacell Firepanel A1 besteht im Wesentlichen aus Gips und Papierfasern, die in einem Recyclingverfahren aus Papier gewonnen werden. Die noch besseren Brandschutzeigenschaften für den Baustoff und das Bauteil werden durch die erweiterte Rezeptur und den Austausch eines bestimmten Anteils von Papierfasern durch nichtbrennbares Material möglich.Die natürlichen Rohstoffe werden gemischt und nach Zugabe von Wasser ohne weitere Bindemittel unter hohem Druck zu stabilen Platten gepresst, getrocknet, beidseitig oberflächenhydrophobiert und auf die benötigten Formate zugeschnitten. Durch Wasser reagiert der Gips, durchdringt und umhüllt die Fasern. Das bewirkt die hohe Stabilität und Nichtbrennbarkeit der europäischen Baustoffklasse A1.Aufgrund der Materialzusammensetzung ist die fermacell Firepanel A1 eine Feuerschutz-, Bau- und Feuchtraumplatte zugleich, die beidseitig homogene Platteneigenschaften besitzt. (SOLID 12/2014 - 01/2015)