Anlagenbau : Andritz liefert Ausrüstung für Ilisu

Der Auftrag könne voraussichtlich noch vor Ende Juni verbucht werden, teilte Andritz ad hoc mit. Andritz Hydro wird im Laufe von sieben Jahren sechs Francis-Turbinen mit je 200 MW Leistung, sechs Generatoren, Zusatzausrüstungen sowie Engineering-Leistungen liefern.

Das gesamte Projekt beim Bau von Ilisu habe ein Volumen von 1,1 Milliarden Euro wobei die türkische Firma Nurol federführend tätig sei. Zum Lieferkonsortium gehören "weitere europäische und türkische Firmen", heißt es in der Aussendung.Seit 1997 schwer umstritten Durch die Verwirklichung des Projekts soll ab 2015 Strom für zwei Millionen Haushalte erzeugt werden. Die türkische Regierung habe "über die Einhaltung der umfassenden gesetzlichen Bestimmungen hinaus" verbindlich zugesagt, dass sie Umweltschutz sowie soziale und kulturelle Aspekte berücksichtigen werde, betont Andritz in der Aussendung. Das Projekt ist seit seiner Ankündigung im Jahr 1997 schwer umstritten. Umweltgruppen und NGOs kritisieren einerseits den Eingriff in das Ökosystem der Region, andererseits, dass tausende Menschen umgesiedelt werden müssen und dass die historische Stadt Hasankeyf untergehen wird.Andritz verweist darauf, dass durch das Kraftwerk die Infrastruktur für die lokale Bevölkerung verbessert werde. Für drei Städte, darunter Diyarbakir mit etwa 800.000 Einwohnern, sollen moderne Kläranlagen gebaut werden, die Trinkwasserversorgung werde verbessert, Brücken und Straßen werden gebaut. Insgesamt sollen rund 4.000 neue Arbeitsplätze entstehen.

Der Staudamm am Tigris im südosttürkischen Ilisu sei nun "nach allen Regeln der Kunst" in der Türkei genehmigt - und das Land habe als EU-Beitrittskandidat ein von allen Seiten anerkanntes Rechtssystem, erklärte Andritz-Chef Wolfgang Leitner im Gespräch mit der APA, warum sein Unternehmen an der Lieferung von Turbinen und Generatoren für das umstrittene Großprojekt festhält.Die Türkei habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie an dem Projekt festhält, auch nachdem die Exportversicherer aus Österreich, Deutschland und der Schweiz ausgestiegen sind. Daher gebe es aus Sicht von Andritz jetzt kein neues Projekt, sondern nur eine Fortsetzung. Der Auftrag sei schon vor eineinhalb Jahren erteilt worden.Erbitterter Widerstand von Umweltschützern Leitner erwartet, dass in Ilisu ein besonders modernes Kraftwerk mit hoher sozialer und umweltmäßiger Absicherung entstehen wird. Nicht zuletzt aufgrund der Proteste der Umweltschützer schütze das türkische Recht nun die Bürger bei Grundstücksablösen besser als früher. Auch das jüngste Urteil eines Gerichts in der Region, dass einige Grundstücksablösen rechtswidrig waren, zeige, dass das Rechtssystem funktioniert, argumentiert Leitner.Leitner äußert sich nicht über die Umweltverträglichkeit des neuen Großstaudamms. Dazu gebe es die türkischen Prüfungen. Aber das historische Erbe der Stadt Hasankeyf sei erst im Fokus der internationalen Aufmerksamkeit, seitdem dort ein Staudamm geplant ist. Davor war der Ort "weder als Wiege der Menschheit noch als archäologisch besonders wertvoll" eingestuft, die Steine seien als Baumaterialreserve genutzt worden, erinnert Leitner. Ohne Eingriffe wäre Hasankeyf wohl in einem Jahrzehnt verschwunden gewesen.

In Ilisu sei Andritz kein Betreiber und habe nie für das Projekt lobbyiert. Auch hänge die Verwirklichung nicht an dem österreichischen Unternehmen, denn die Konsortialführung liege bei der türkischen Nurol, die einen Ersatz finden müsse, falls Andritz als Lieferant ausfallen sollte. Die chinesischen Konkurrenten könnten "spielend" einspringen, haben sie doch für andere Projekte drei- bis viermal so große Turbinen geliefert, so Leitner. Auch sei Andritz nicht der einzig verbliebene europäische Lieferant.Ein Drittel der Gelder für Andritz Für Andritz sei dies ein großes, aber nicht für Wohl und Wehe ausschlaggebendes Projekt, das dem Unternehmen über sieben Jahre einen Umsatz von 340 Millionen Euro bringen soll - bei einem Gesamtprojektvolumen von 1,1 Milliarden Euro. Der durchschnittliche jährliche Umsatz von 49 Millionen Euro entspricht 4 Prozent des letzten Hydro-Umsatz von 1,38 Milliarden Euro (2009) bzw. 1,5 Prozent des Andritz-Umsatzes von 3,2 Milliarden Euro (2009).Kontaktpflege wichtiger als anderes Über einen drohenden Arbeitsplatzverlust bei einem Verzicht will Leitner aber keinesfalls spekulieren. Andritz habe das Geschäft wie jedes andere auch abgesichert und daher "kein Zahlungseingangsrisiko". Wichtig sei es für Andritz, die langjährigen Kontakte der VA Tech Hydro, die 2006 übernommen wurde, zu pflegen und Verlässlichkeit zu signalisieren. Auch in diesem Zusammenhang sei die Abwicklung des Auftrages wichtig. (APA/pm)