Baustoffrecycling : Absurdistan lässt grüßen
Zöllner, früher auf der Suche nach Schmuggelzigaretten im Gepäck von Reisenden, beschäftigen sich heute des Öfteren mit Aufschüttungen auf Baustellen. Wie einst bei den Rauchwaren geht es dabei um Gebühren - in diesem Fall um den Altlastenbeitrag. Was Fachleute dabei öfters auf die Palme bringt: Nicht immer spielt dabei für den Zoll allein die vorschriftengerechte Aufbereitung der Materialien eine Rolle. Werden ordnungsgemäß recycelte Baustoffe in mehr als dem unbedingt erforderlichen Ausmaß verbaut, fällt ebenfalls der Altlastenbeitrag an.
Wer etwa einen zwei Meter hohen Lärmschutzdamm aus bestem Recyclingmaterial baut und der Zoll meint danach, ein Meter hätte gereicht, muss für das in den Augen der Beamten zuviel verbaute Material acht Euro pro Tonne berappen. Denn jedes auf der Baustelle im Zuge von Aushub- oder Abbrucharbeiten anfallende Material unter-liegt nach den geltenden Regelungen auch in recycelter Form den Richtlinien für Recyclingbaustoffe. Absurdistan lässt grüßen: Das gleiche Material aus der Sand- oder Kiesgrube wäre Baustoff. Selbst wenn man dieses mit Lastwagen antransportiert und die daraus gebaute Lärmschutzwand das unbedingt erforderliche Ausmaß um mehrere Meter übersteigt, wäre kein Altlastenbeitrag zu zahlen. Österreich prescht vorAbgesehen von solchen bürokratischen Hürden macht es allerdings für die Umwelt und die Kostenrechnung Sinn, aus Aushubmaterialien und Bauschutt wieder verwendbare Materialen herzustellen. Deshalb boomt Recycling: Pro Österreicher wurde im Vorjahr mehr als 700 Kilogramm Baustoffe aus der Kreislaufwirtschaft eingesetzt, „der höchste Wert in der 20-jährigen Geschichte des Recyclings im Bauwesen“, ist der Österreichischer Baustoff-Recycling Verband BRV stolz. Die Porr-Gruppe führt jährlich mehrere hunderttausend Tonnen baunaher Abfälle einer Wiederverwendung zu. „Das Ausmaß der Aktivitäten richtet sich nach den Baumaterialien, die abgebrochen werden, in manchen Bereichen beläuft sich die Rückführungsquote mittlerweile auf rund 95 Prozent“, erzählt Wolfgang Stanek, Geschäftsführer der Porr Umwelttechnik. Damit übertrifft der Baukonzern bereits die Europäische Abfallrichtlinie, die bis zum Jahr 2020 eine Verwertungsquote von 70 Prozent vorsieht. Den Grund für diesen Erfolg sieht Stanek vor allem in den zahlreiche Großbaustellen der öffentlichen Hand: „Im Rahmen solcher Großprojekte können konzise Strategien durch komplexes Verwertungsmanagement umgesetzt werden.“Aufbereitet werden die Recyclingbaustoffe bei Porr in mehreren fix installieren Verwertungsanlagen. Darüber hinaus hat die Gruppe mobile Aufbereitungsanlagen im Einsatz. Auf ein ähnliches Konzept setzt der Strabag-Konzern. Er betreibt Baustoffrecycling auf 20 Plätzen in ganz Österreich, „einige sind mit fixen Anlagen ausgestattet, andere fungieren als Sammelplätze, auf denen bei Erreichen einer bestimmte Menge Bauschutt mobile Aufbereitungsanlagen eingesetzt werden“, erklärt Herbert Billmaier, Leiter der Strabag-Tocher TPA, die sich um Forschung und Entwicklung sowie Qualitätssicherung im Konzern kümmert.Der Boom beim Baustoffrecycling freut die Hersteller der Aufbereitungsanlagen. Einige der weltweit erfolgreichen Firmen haben in Österreich ihren Sitz und ihren Fixplatz am Markt. Die Maschinenfabrik Liezen MFL bietet von mobile Einschwingen-Backenbrecher für Naturstein und Bauschutt bis zu Mittel- und Feinzerkleinerung von härtestem Gestein und Erzen durch Kegelbrecher. Rubblemaster HMH konzentriert sich auf die Kompaktklasse des mobilen Recyclings und sieht sich heute als Marktführer in diesem Segment. Korman Rockster punktet am Markt mit einer flexiblen Besonderheit. Auf raupenmobile Brecher spezialisiert lassen sich die Modelle R900 und R800 innerhalb von Stunden vom Prall- zum Backenbrecher und vice versa umbauen. Hartl Anlagenbau bietet eine breit gefächerte Palette von raupenmobilen Backenbrechern, Prallmühlen, Siebanlagen, Kegelbrechern und Vertikalmühlen.Bald werden heimische Maschinen auch im fernen Osten gefertigt: Alexander Hartl unterzeichnete im Februar ein Kooperationsabkommen mit dem chinesischen Zementriesen Dunshi. Im Rahmen eines Joint Ventures sollen die Hartl-Maschinen künftig im Tianjan, einer großen Hafenstadt südöstlich von Peking, hergestellt werden. Ein Pickerl für QualitätHochwertige Maschinen allein sichern allerdings noch nicht die Qualität des recycelten Materials. Besonders bei mobilen Anlagen, die oft von Kleinunternehmen betrieben werden, vermuten viele, dass hinten zerkleinerter Schutt anstelle hochwertigen Recyclingmaterials rauskommt. Der BRV hat deshalb im Vorjahr ein Gütezeichen für mobile Anlagen ins Leben gerufen. Bei Hartl Anlagenbau begrüßt man solche Qualitätsbemühungen: “Wir stehen voll dahinter und es wird ohne Gütesiegel in Zukunft für Unternehmen sicher schwieriger werden, am Markt zu bestehen“, sagt Klaus Stüber. Der Verkaufsleiter bei Hartl sieht von der Maschinenseite keine Probleme beim Erreichen der Qualitätskriterien - zumindest bei seinen Erzeugnissen.Das erste Gütezeichen für mobiles Recycling erhielt Anfang März die Ökotechna Entsorgungs- und Umwelttechnik. Firmenchef Martin Wieser hofft, dass ihm die Auszeichnung Wettbewerbsvorteile bringen wird und zwar sowohl bei den Kunden als auch im Verhältnis mit den Behörden. Bei ersteren ist er allerdings selbst etwas skeptisch: „In der Baubranche ist meistens der Preis ausschlaggebend und erst darüber hinaus zählt die Qualität“, sagt Wieser. Die großen heimischen Bauunternehmen setzen ebenfalls auf Qualität: „Nur durch Einhaltung der technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen ist es möglich, eine rechts- und marktkonforme Wiederverwendung und Verwertung durchzuführen“, sagt etwa Wolfgang Stanek von der Porr, der auch Präsident des Österreichischen Güteschutzverbandes Recycling Baustoffe und Vorstandsmitglied des BRV ist. Ähnlich äußert sich Herbert Billmaier von der Strabag: „Selbstverständlich ist es für uns oberste Priorität die Richtlinien des Baustoffrecyclings einzuhalten.“ Wer schwindelt, zahltZu den zusätzlichen Kosten für höherer Qualität fällt Billmaier das Stichwort Toyota ein: „Dort meinte ein Manager, er könne sich die Kosten für die Rückrufaktion sparen. Der Imageschaden durch dieses falsche Sparen beträgt jetzt Milliarden“. Bei nicht entsprechend den Regelungen produzierten Recyclingbaustoffen wird sich der Schaden nicht in solchen Höhen bewegen. Aber zumindest der Altlastenbeitrag von acht Euro pro Tonne fällt an. Denn diesen kassiert der Zoll, wenn nicht normgerecht recyceltes Material verbaut wurde - unabhängig davon, ob das unbedingt erforderlichen Ausmaß der Aufschüttung überschritten wurde oder nicht. „Und mittlerweile ist die Gefahr sehr groß, dass man ertappt wird“, sagt Martin Wieser von Ökotechna.