Materialfrage : Der ökologische Fußabdruck

Die Erwartungen an Kopenhagen sind groß. Im Dezember wird in der dänischen Hauptstadt über das Weltklima verhandelt. Bange warten Klimaschützer und CO2-Emittenten auf die Ergebnisse dieser Konferenz. Werden sich auch andere Industriestaaten und Schwellenländer dem europäischen Emissionszertifikatehandel anschließen? Wird die EU daraufhin ihr CO2-Reduktionsziel bis 2020 von 20 auf 30 Prozent erhöhen?

Diese Fragen beschäftigen auch die heimische (Baustoff-)Industrie. Spricht man mit ihren Vertretern, bekommt man zuerst ein Bekenntnis zum Klimaschutz. Dann folgen die Abers. Es sei ja schon bisher viel für den Klimaschutz geschehen. Während weltweit pro Tonne Zement durchschnittlich eine Tonne CO2 freigesetzt wird, sind es in Österreich nur 630 Kilogramm. Ein Ziegel hat heute eine dreifach bessere Wärmedämmwirkung als Anfang der 80er-Jahre. Die Voestalpine verweist auf zahlreiche CO2-Reduktionsmaßnahmen wie die Kunststoffeindüsung im Hochofen und nimmt am europäischen Gemeinschaftsprojekt ULCOS - Ultra Low CO2 Steelmaking - teil.

Internationale Spielregeln

„Unsere ganz große Hoffnung wäre, dass es gelingt, ein internationales Level-Playing-Field zu schaffen“, wünscht sich Felix Friemblicher die selben Umweltauflagen in sämtlichen Ländern dieser Welt. Doch das wird es wohl nicht spielen, ist sich der Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie bewusst. „Es ist für uns wenig hilfreich, wenn China oder die USA bei dem Abkommen mitmachen, die arabischen und nordafrikanischen Staaten aber nicht.“

Ins selbe Horn stößt Voest-Sprecher Peter Schiefer: „Zum Thema Emissionshandel ist festzuhalten, dass es der Voestalpine vor allem um eine Wettbewerbsgleichheit geht. Es ist relativ unverständlich, dass der umweltfreundlichste Hersteller gleichzeitig europaweit die größten Ausgaben für CO2-Emissionsrechte tätigen muss und weite Teile der Stahlindustrie überhaupt keine Zertifikate zukaufen müssen.“ Schiefer hofft, dass diese Situation mit der nächsten Emissionshandelsperiode von 2013 bis 2020 behoben und eine europaweit, eventuell auch weltweit, einheitliche Lösung gefunden wird. „Gibt es unterschiedliche Regeln in unterschiedlichen Regionen der Welt, sehen wir eine Bedrohung für den Standort Europa, da Stahl ein weltweit gehandeltes Gut ist und ein einseitiges Vorgehen Europas zu einer massiven Marktverzerrung führen könnte.“

Genau auf dieses Thema hat die Europäische Union unter dem Schlagwort „Carbon Leakage“ reagiert. Branchen, die durch den Emissionshandel in außereuropäische Länder abwandern würden, wie die Stahl-, Zement- oder Papierindustrie, werden auch nach 2013 gratis Zertifikate erhalten. Dazu wird ein Benchmarksystem eingeführt. Werke, die den Branchenstandard erreichen, zahlen nicht. Werke mit höheren Emissionen müssen die Differenz zur Benchmark durch die Ersteigerung von Zertifikaten ausgleichen.

Ziegelindustrie fürchtet Marktverzerrung

Was die Stahl- und Zementindustrie einigermaßen durchatmen lässt, bringt allerdings die Ziegelindustrie in Rage. Denn sie fällt nicht unter die „Carbon Leakage“-Regelung. Ein effizient arbeitendes Ziegelwerk muss im Jahr 2013 nach derzeitigem Stand 20 Prozent seiner Emissionszertifikate ersteigern, im Jahr 2020 bereits 70, und 2025 100 Prozent. „Damit bekommt beispielsweise die Betonbauweise eine Besserstellung gegenüber der Ziegelbauweise, was absurd ist, weil die einen um den Faktor 10 höheren CO2-Ausstoß hat“, ärgert sich Gerhard Koch vom Verband Österreichischer Ziegelwerke. „Es werden keine Ziegel aus China nach Österreich kommen. Aber auf den lokalen Märkten in Europa werden wir wesentlich benachteiligt. Meiner Meinung nach stellt das einen eklatanten Verstoß gegen das europäische Wettbewerbsrecht dar.“

Entspannt zurücklehnen kann sich derweil die Holzbaubranche. Sie hat sich beim Einfamilienhaus-Neubau bereits rund ein Drittel des Marktanteils erobert und kommt auch im mehrgeschoßigen Wohnbau langsam ins Geschäft. Als nachwachsender Rohstoff, der als Baum CO2 gebunden hat, schneidet Holz in der Klimabilanz unbestritten positiv ab. „Wie lange braucht der österreichische Wald, bis er das Holz für ein 140-Quadratmeter-Einfamilienhaus in Holzriegelbauweise produziert?“ fragt Rüdiger Lex, Geschäftsführer des Holzclusters Tirol, und gibt auch gleich die Antwort: „40 Sekunden.“

Doch auch in jedem Holzbalken steckt – fossile - Energie – vom Fichtenmoped über den Transport bis zu Holztrocknung und Sägewerk. „Interessant ist der Radius aus dem das Holz kommt“, meint Lex. „Holz ist ein Rohstoff der kurzen Wege, daran gibt es nichts zu rütteln. Wenn Holz aus Bayern ins Zillertal kommt, dann hat das oft wesentlich weniger Kilometer drauf, als käme es vom Arlberg.“ Größere Transportdistanzen gebe es nur bei Langholz oder nach Windwurfkatastrophen, wenn die regionalen Kapazitäten nicht für die rasche Verarbeitung reichen.

Klimafreundliche Baustoffe wählen

„Natürlich gibt es bei den Baustoffen einen deutlichen Unterschied beim ökologischen Fußabdruck, oder besser: Carbon Footprint. Dieses Thema wird mit schärfer werdenden Umweltvorgaben sicher wichtiger werden“, meint Jürgen Schneider, Programmleiter ? Wirtschaft & Wirkung im Umweltbundesamt. „Auch wenn Holz weit besser abschneidet als viele andere Baustoffe, heißt das aber nicht, dass andere Baustoffe überhaupt nicht eingesetzt werden sollen.“

Denn richtig eingesetzt, kann mit energieintensiven Baumaterialien viel für das Klima getan werden. Die Vorzüge von Stahl liegen in vergleichsweise einfache Montage und Demontage, der Schlankheit von Konstruktionen und der Recyclebarkeit. Mit Stahl lässt sich außergewöhnlicher Architektur realisieren. „Wenn man weiß wie viel Boden pro Minute versiegelt wird, fängt man schon zu denken an. Da haben Bauweisen, die leicht rückbaubar sind, schon Vorteile“, meint Walter Siokola vom Stahlbauunternehmen Zeman.

Die Zementindustrie ist weltweit für fünf Prozent des anthropogenen CO2-Ausstoßes verantwortlich. Beton speichert aber hervorragend Wärme, weshalb gerade in der Solararchitektur oft einzelne Betonwände oder -decken eingebaut werden. Beton kann außerdem als aktivierter Bauteil zur energieeffizienten Klimatisierung eingesetzt werden – von der konventionellen Fußbodenheizung bis zur Deckenkühlung mit Grundwasser.

Ziegel, Holzbeton- und Porenbetonsteine liegen beim Energieverbrauch für die Produktion im Mittelfeld. Dem energetischen Mehraufwand bei der Produktion steht eine längere Lebensdauer des Gebäudes im Vergleich zum Leichtbau gegenüber. Zahlreiche dieser Produkte wurden mit dem „natureplus“-Gütesiegel ausgezeichnet, was Bauherrn in einigen Bundesländern Vorteile bei der Wohnbauförderung einbringt. „Ziegel ist ja kein schlechtes Produkt“, meint selbst Holzlobbyist Lex. „Die Frage ist nur, ob alles geziegelt werden muss.“

ÜBERSICHT

Bauweisen im ökologischen Vergleich:Die Auflistung vergleicht Wandkonstruktionen aus Stahlbeton, Holz und Ziegel, die alle einen U-Wert von 0,12 besitzen. Nach Untersuchungen des IBO unterscheiden sich sich bei ökologischen Werten. Die Schalldämmung ist angegeben in Dezibel (dB), nicht erneuerbarer Primärenergie angegeben in MJ/m2 sowie das Treibhauspotenzial in kg Co2.

Stahlbeton-Außenwand mit Wärmedämmverbundsystem:58 dB - 2450 MJ/m2 - 130 kg Co2

Hochlochziegel-Außenwand mit Wärmedämmverbundsystem:48 dB - 2370 MJ/m2 - 115 kg Co2

Brettstapel-Außenwand mit hinterlüfteter Fassade (Holzverschalung):54 dB - 1470 MJ/m2 - minus 138 kg Co2

Holzständer-Außenwand, verputzt:51 dB - 1850 MJ/m2 - minus 14 kg Co2

(Quelle: IBO (Hrg.): Passivhaus-Bauteilkatalog - Ökologisch bewertete Konstruktionen. Springer, Wien 2008)