Vergaberecht : 5 Jahre verpflichtende E-Vergabe am Bau - eine vergaberechtliche Bestandsaufnahme

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© WEKA Industrie Medien GmbH / Johanna Kellermayr

Elektronische Form verpflichtend

Der 18. Oktober 2018 ist wohl jener Tag in der jüngeren Vergangenheit im Vergaberecht, der die größte Auswirkung auf die praktische Abwicklung von Vergabeverfahren in Österreich hatte. An diesem Tag wurde in Österreich – mit etwas Verspätung bei der Umsetzung – für sämtliche öffentliche Auftraggeber die Durchführung von Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich in elektronischer Form verpflichtend.
Vorbei waren damit die Zeiten von in Kuverts verschlossenen Angeboten (in doppelter Ausfertigung natürlich), von Boten, die in letzter Sekunde noch schnell die Türschwelle zur Angebotsabgabe durchschritten haben, und hochformalistischen Angebotsöffnungen mit Publikumsbeteiligung.

Wiewohl die elektronische Vergabe für alle Seiten eine Vereinfachung in vielerlei Hinsicht gebracht hat, zeigt sich in der Praxis auch, dass durch den Wegfall alter Fallstricke (z.B. die Verletzung der Rügepflicht bei der Angebotsöffnung), die möglichen (fatalen) Fehlerquellen im Vergabeverfahren nicht zwingend weniger geworden sind. Zur Schaffung eines besseren Problembewusstseins im Folgenden ein Abriss der häufigsten Fehlerquellen, welche sich in der E-Vergabepraxis leider immer wieder ereignen:

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Unterlassene Registrierung

An erster Stelle einer jeden Verfahrensbeteiligung steht naturgemäß der Bezug der Ausschreibungsunterlagen. Diesbezüglich regelt das Bundesvergabegesetz, dass Ausschreibungsunterlagen "ausschließlich auf elektronischem Weg kostenlos, direkt, uneingeschränkt und vollständig zur Verfügung zu stellen" sind. Lange Zeit war strittig, ob diese Kette an Adjektiven so zu verstehen ist, dass eine verpflichtende vorherige (kostenlose) Registrierung auf der Vergabeplattform zum Bezug der Unterlagen zulässig ist.
Die Überlegung hinter dieser Registrierungspflicht ist verständlich, da so Interessenten automatisch über Änderungen im Verfahren verständigt werden. Ungeachtet dieser legitimen Zielsetzung hat das BMJ nunmehr in einem Rundschreiben vom 25.7.2023 (GZ 2023-0.321.850) klargestellt, dass eine Registrierungspflicht nicht zulässig ist. Betroffene Plattformbetreiber haben bereits reagiert, sodass der Bezug der Unterlagen in Zukunft jedenfalls ohne vorherige Registrierung auf allen einschlägigen Plattformen möglich sein wird.

Dessen ungeachtet empfiehlt es sich dennoch, eine solche Registrierung durchzuführen, da so Situationen vermieden werden können, in denen man als Bieter wichtige Änderungen schlicht übersieht, was in der Praxis immer wieder passiert. Übersieht man beispielsweise Änderungen an Formblättern oder dem Preisblatt, kann die Abgabe einer veralteten Version zum zwingenden Ausscheiden aus dem Vergabeverfahren führen (weil z.B. neue Preisbestandteile fehlen).

Empfangsbereite E-Mail-Adresse hinterlegen

Im Zusammenhang mit der Registrierung ist es zudem wichtig, dass eine stets empfangsbereite E-Mail-Adresse für Verständigungen hinterlegt wird. In der Vergabepraxis zeigt sich immer wieder, dass die persönlichen E-Mail-Adressen von einzelnen Ansprechpersonen hinterlegt werden, wo Verständigungen aus diversen Gründen nicht ordnungsgemäß zugestellt werden können (Person ist auf Urlaub, aus dem Unternehmen ausgeschieden o.ä.). Das Risiko zum Empfang einer ordnungsgemäß abgesendeten Verständigung liegt in der Sphäre des Bieters. Wird also beispielsweise aufgrund der Hinterlegung einer unbrauchbaren E-Mail-Adresse eine Aufklärungsfrist verpasst, ist dies das alleinige Risiko des jeweiligen Bieters.

Zur Vermeidung von solchen Situationen empfiehlt es sich daher, E-Mail-Verteiler als Zustelladressen auf Vergabeplattformen zu hinterlegen (klassischer Anwendungsfall sind die "office@"-Adressen). Dadurch kann sichergestellt werden, dass Verständigungen auch empfangen werden können, wenn eine Person – aus welchem Grund auch immer – nicht verfügbar sein sollte.

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Rechtzeitige Abgabevorbereitung

Angebotsfristen erscheinen mit Bezug der Ausschreibungsunterlagen meist noch in weiter Ferne, sodass die Organisation der erforderlichen Unterlagen und vor allem ein Vertrautmachen mit der Funktionsweise der Plattform aufgeschoben wird. Oftmals kommt es dann zu Situationen, in denen sich das Fristende für die Abgabe mit großen Schritten nähert und dadurch eine wohl vorbereitete Angebotsabgabe gefährdet wird.
In solchen Situationen passieren dann selbst erfahrenen Bietern immer wieder Fehler, die unerfreuliche Folgen haben können. Wesentliche Dokumente werden dem Angebot beizufügen vergessen, die zur elektronischen Unterfertigung des Angebots bevollmächtigte Person ist nicht verfügbar oder es kommt beim Abgabeprozess zu technischen Schwierigkeiten, die zum Versäumen der Abgabefrist führen. Derartige technische Probleme gehen fast immer zu Lasten der Bieter, denn sie werden in der Regel nicht durch die Vergabeplattform verursacht, sondern liegen in der Sphäre der IT des Bieters.

Um derartige Probleme bei der Angebotsabgabe zu vermeiden, empfiehlt es sich, den Abgabeprozess frühzeitig zu starten und das Angebot/ den Teilnahmeantrag idealerweise bereits am Tag vor Fristende abzugeben. Auf diese Weise kann bei technischen Problemen noch gegengesteuert werden (z.B. auch durch Ersuchen um Fristerstreckung). Hingegen kann eine einmal abgelaufene Frist rechtlich und technisch nicht mehr verlängert werden.

Prüfung von Abgabefristen

In der Praxis kommt es leider immer wieder vor, dass sich hinsichtlich der Abgabefrist unterschiedliche Angaben in einer Ausschreibung finden. Wie ein aktuelles Nachprüfungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien gezeigt hat, darf sich ein Bieter nicht auf Angaben in den Ausschreibungsunterlagen verlassen. Der präsumtive Zuschlagsempfänger hat in diesem Verfahren darauf vertraut, dass die Abgabefrist um 14 Uhr endet, wie dies in den Angebotsbestimmungen auch explizit angeführt war.
In der Bekanntmachung wurde vom Auftraggeber jedoch 10 Uhr als Fristende angegeben und diese Frist von der Vergabeplattform auch automatisch als Ende übernommen. Als der Unternehmer sodann um 12:00 Uhr mit dem Abgabeprozess beginnen wollte, war die Abgabe über die Plattform technisch nicht mehr möglich.
Um dennoch ein Angebot abzugeben, wurde dieses – in Abstimmung mit dem Auftraggeber – per E-Mail noch vor 14 Uhr übermittelt. Dies hatte allerdings zur Folge, dass das Angebot nicht entsprechend den Vorgaben der Ausschreibung abgegeben wurde und zudem nicht elektronisch signiert war; in anderen Worten war das Angebot ausschreibungswidrig. Der Antragsteller im Nachprüfungsverfahren wusste von dieser Unzulässigkeit der Abgabe naturgemäß nichts, doch hinderte dies das Gericht nicht, den Ausscheidensgrund im Zuge der amtswegigen Prüfung des Vergabeaktes aufzugreifen. Zwar hat das Gericht in diesem Zusammenhang explizit ausgeführt, dass dem präsumtiven Zuschlagsempfänger in diesem Zusammenhang kein Vorwurf zu machen ist, doch würde es darauf gar nicht ankommen, da für ein ausschreibungswidriges Angebot keine Vorwerfbarkeit erforderlich ist.

Aus der Sicht von Bietern empfiehlt es sich daher immer, die Abgabefrist auf der Vergabeplattform zu prüfen und diese als für die Abgabe maßgeblich anzusehen. Bei Widersprüchen sollte zudem der Auftraggeber informiert werden.

Vermeidung von ZIP-Dateien

So praktisch die Verwendung von ZIP-Dateien oder vergleichbaren Datencontainern bei der Angebotsabgabe sein mag (schließlich müssen nicht sämtliche Abgabedokumente einzeln hochgeladen werden), birgt diese praktische Lösung auch immer eine vergaberechtliche Gefahr in sich. ZIP-Container komprimieren in der Regel alle Dateien, welche zum Datencontainer hinzugefügt werden.
Diese Kompression hat den Vorteil, dass sich die Datenmenge dadurch reduzieren lässt, doch werden dabei auch die Ausgangsdaten verändert. Gefährlich ist das insofern, als es beim Kompressionsprozess zu einer Beschädigung der Ausgangsdatei kommen kann, was die Datei für den Auftraggeber unlesbar macht (sofern sie sich überhaupt entpacken lässt). Auch wenn damit nicht zwingend ein Ausscheiden vom Vergabeverfahren verbunden sein muss (z.B. wenn nur Eignungsnachweise betroffen sein sollten), kann dies dazu führen, dass bewertungsrelevante Informationen vom Auftraggeber nicht gelesen werden können. Für diese Informationen ist eine Aufklärung jedenfalls unzulässig, da sich dadurch die Wettbewerbsstellung des betroffenen Bieters unzweifelhaft verbessern würde.

Zur Vermeidung dieses Risiko empfiehlt sich daher stets die Verwendung von nicht komprimierten Dateiformaten (z.B. PDF).

Praxistipps:

* Um allenfalls wesentliche Berichtigungen an Ausschreibungsunterlagen nicht zu verpassen, empfiehlt sich eine Registrierung auf der jeweiligen Vergabeplattform, bevor Unterlagen bezogen werden.

* Zur Übung der Angebotsabgabe bieten viele Plattformbetreiber eine Testumgebung an, wo sämtliche Abgabeschritte bis hin zur elektronischen Unterfertigung gefahrlos simuliert werden können.

* Zur Vermeidung, dass E-Mail-Benachrichtigungen über wesentliche Ereignisse auf der Vergabeplattform nicht oder verspätet zugestellt werden, sollten auf Vergabeplattformen idealerweise E-Mail-Verteiler als Zustelladressen hinterlegt werden und keine persönlichen E-Mail-Adressen.

* Verlassen Sie sich nicht auf Angaben zum Fristende in den Ausschreibungsunterlagen, da auf der Vergabeplattform unter Umständen ein anderes, früheres Fristende hinterlegt sein könnte. Für die Abgabe ist ausschließlich die auf der Plattform hinterlegte Frist maßgeblich.

* Angebote/Teilnahmeanträge sollten stets so früh als möglich (idealerweise ein Tag vor Fristende) abgegeben werden, um etwaige technische Probleme bei der Abgabe noch beheben zu können.

* ZIP-Dateien können bei der Komprimierung beschädigt werden und sind dann für den Auftraggeber u.U. unlesbar. Zur Vermeidung dieses Risikos empfiehlt sich die Verwendung von PDF-Dokumenten.