Austrian Standards : Neue Werkvertragsnorm am Bau: welche Rolle der Rotstift spielt

Baustelle auf Neubaugebiet mit Baukran und Baumaschinen

Die neuen Werkvertragsnormen wurden als Redline-Dokumente erstellt. So ist auf den ersten Blick zu sehen, was tatsächlich geändert wurde.

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KI könnte bei Erstellung helfen

In der Baupraxis gibt es viele Vorschriften und Normen, die es zu beachten gilt. Dessen ist sich auch Komiteevorsitzender Günther Leißer, selbst bei der ÖBB-Infrastruktur AG, Stabstelle Einkauf, beschäftigt bewusst: „Der Wunsch nach Nachvollziehbarkeit kam aus der Praxis von den Anwender:innen. Die Redline-Dokumente sind ein hilfreiches Hilfsmittel dafür, was sich tatsächlich geändert hat. Denn die Fülle an Informationen ist da, die Zeit zum Aufnehmen fehlt oft“, so Leißer.

Der Aufwand für die Erstellung von Redline-Dokumenten ist hoch, denn: Die zwei Ausgaben eines Standards müssen jeweils in der alten und der neuen Version gegenübergestellt werden. „Aufgrund der aufwendigen Produktion bieten wir diesen Service nur bei ausgewählten Standards an. Noch ist es Zukunftsmusik, aber wir sehen hier Möglichkeiten, die Änderungsnachverfolgung mithilfe von künstlicher Intelligenz zu optimieren“, erklärt die CEO von Austrian Standards und Wirtschaftsjuristin Valerie Höllinger.

Karl Grün, Director Standards Development bei Austrian Standards, ergänzt: „Wir haben damit neues Terrain betreten und Erfahrungen gesammelt. Die Reaktionen sind positiv und Redline wird sehr wertgeschätzt von allen, die bereits in der Praxis damit gearbeitet haben.“ Wichtig sei es, das Komitee nicht mit administrativen Änderungen wie Strichpunkt statt Beistrich zu beschäftigen.

Für die Bauwirtschaft wird dieses System bei den mit 1. Mai neu aufgelegten ÖNORM B 2110, ÖNORM B 2118 und ÖNORM A 2060 angewendet. Sie werden als gängige Schablonen bei der (Werk-)Vertragsgestaltung herangezogen und unterstützen dabei, vertraglich die Rechte und Pflichten des Auftraggebers und des Auftragnehmers im Bauprozess zu regeln.
„Die im ABGB enthaltenen Bestimmungen zu Werkverträgen bieten in der Praxis Spielraum für Interpretationen, wodurch in weiterer Folge das Risiko für Rechtsstreitigkeiten steigt. Um diese Lücken zu schließen und für mehr Rechtssicherheit für beide Vertragsparteien zu sorgen, braucht es in der Praxis Werkvertragsnormen“, so Höllinger.

Pilotversuch mit Nachverfolgung der Änderungen

"Diese Redline-Dokumente sind ein Pilotversuch und werden zu allen drei Standards in unserem Webshop angeboten. Durch die Darstellung der Änderungen in den Redline-Dokumenten gehört zeit- und arbeitsaufwendiges Vergleichen von Dokumentfassungen der Vergangenheit an“, beschreibt CEO Valerie Höllinger das neue Produktmodell.

Durch ein Farbleitsystem sehen Anwender:innen auf den ersten Blick, welche Passagen in der neuen Fassung in welcher Form geändert wurden. Auch Aktualisierungen der Verweisungen zu anderen Normen und Rechtsvorschriften werden angezeigt. Dabei werden die Dokumente manuell gesichtet und gekennzeichnet, um die wesentlichen Änderungen anwenderfreundlich darzustellen.

  • "Noch ist es Zukunftsmusik, aber wir sehen hier Möglichkeiten, die Änderungsnachverfolgung mithilfe von künstlicher Intelligenz zu optimieren."

    CEO von Austrian Standards und Wirtschaftsjuristin Valerie Höllinger

Weitverbreitete ÖNORMEN in der Baubranche

In der Baubranche sind diese drei Standards weit verbreitet und in intensiver Anwendung wie Komiteevorsitzender Günther Leißer von der ÖBB-Infrastruktur AG, Stabstelle Einkauf, bestätigt: „Mit den Werkvertragsnormen liegen standardisierte Regelwerke vor, welche Vertragsbestimmungen für Bauleistungen enthalten – von Expert:innen aus der Baubranche für die Baubranche entwickelt. Die Anwendung ist freiwillig: Die Bestimmungen werden dann Vertragsinhalt, wenn sie von den Vertragspartnern zu Vertragsbestandteilen erklärt werden. Sie regeln gemeinsam mit den in den Ausschreibungsunterlagen anzuführenden Fachnormen und besonderen Vertragsbestimmungen die Rechte und Pflichten der Auftraggeber und der Auftragnehmer.“

Auch wenn das Erstellen der Überarbeitungen etwas länger gedauert hat, unter anderem auch durch die Einflüsse der Pandemie, so können sich Anwender:innen sicher sein, auf dem neuesten Stand zu sein: „Sollte es in der Zeit der Entwurfseinsicht noch Änderungen geben, so werden diese selbstverständlich eingearbeitet“, betont Karl Grün.

  • ÖBB-Infrastruktur Einkauf
    „Mit den Werkvertragsnormen liegen standardisierte Regelwerke vor, welche Vertragsbestimmungen für Bauleistungen enthalten – von Expert:innen aus der Baubranche für die Baubranche entwickelt. "

    Komiteevorsitzender Günther Leißer

Die wichtigsten Neuerungen der drei Normen

„Änderungen sind bei allen überarbeiteten Normen gleich im Vorwort kurz zusammengefasst“, wie Grün und Leißer unisono informieren. Die neuen Ausgaben der beiden Werkvertragsnormen ÖNORM B 2110 „Allgemeine Vertragsbestimmungen für Bauleistungen“ und ÖNORM B 2118 „Allgemeine Vertragsbestimmungen für Bauleistungen unter Anwendung des Partnerschaftsmodells, insbesondere bei Großprojekten“ sind seit 1. Mai 2023 gültig. Selbiges gilt für die aktualisierte Vertragsnorm ÖNORM A 2060 „Allgemeine Vertragsbestimmungen für Leistungen“.

Neu ist in der ÖNORM B 2110 unter anderem, dass sowohl das Fixgeschäft als auch die Schlussfeststellung ersatzlos gestrichen wurden und der Abschnitt „Rücktritt vom Vertrag“ überarbeitet wurde. Darüber hinaus wurden in der aktualisierten Ausgabe einzelne Anforderungen an die Leistungsabweichung und ihre Folgen präzisiert.

„Bei den Fristen haben wir uns vor allem mit den Fristen befasst. Bei den Leistungsabweichungen geht es unter anderem um die Grenzen der Zumutbarkeit“, erläutert Leißer.

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