Digitalisierung : BIM: Österreichische Branchen-Kernprojekte und die "Staatspflicht zur Grundfinanzierung"

Stärkung der Transparenz in der Branche funktioniert

Für ein von der Zukunftsagentur Bau organisiertes Hintergrundgespräch trafen sich die Vertreter der in den zwei Kern-Entwicklungsprojekten "BIM2KALK" (Kostenkalkulation aus dem BIM-Modell heraus) und "BIM Parameter für Baustoffe" engagierten Stakeholder und erläuterten den Stand der Dinge und worum es jetzt als Nächstes geht.

In beiden Projekten geht es um die Erarbeitung eines standardisierten BIM-Vokabulars, um damit einheitliche Schnittstellen und Definitionen für die Zusammenarbeit verschiedener Unternehmen und Softwaretools zu schaffen.

Aufgabe einheitliche Sprache

Mit standardisierten BIM-Properties werden Merkmale für alle Objekte definiert, die im BIM-Projekt benutzt werden, also z.B. Höhe, Breite, Dicke und die Feuerwiderstandsklasse einer Tür. Diese zu sammeln und abzustimmen ist eine komplexe Aufgabe.

Die (international als Vorreiterprojekt zu bezeichnende) ÖNORM A 6241-2 „Digitale Bauwerksdokumentation“ liefert dafür eine breite Basis von normativen Definitionen, die den Grundstein für eine gemeinsame BIM-Sprache legen. Dahinter liegt der internationale Standard IFC (Industry Foundation Classes, ISO 16739), der den offenen Austausch von BIM-Daten ermöglicht.

Dieses Normenwerk soll nun so erweitert werden, dass schrittweise der gesamte Planungs- und Bauprozess und die in Österreich notwendigen baulichen Spezifika in einer einheitlichen Sprache abgebildet werden können. Ziel ist es, dass alle Projektbeteiligten die Grundlage für einen verlustfreien Datenfluss erhalten, um möglichst reibungsarm miteinander kommunizieren zu können.

  • Gerhard Zucker
    „Digitalisierung funktioniert nur wirklich gut, wenn alle in die digitale Wertschöpfungskette investieren und auch Nutzen daraus ziehen.“

    Gerhard Zucker, AIT

Erfolgsfaktoren

Zur operativen Umsetzung haben sich zwei Projektteams gebildet, die mit einer großen Gruppe an Stakeholdern sich folgende Ziele vorgenommen haben:

1) Auf Basis der österreichischen Norm A 6241-2 soll BIM für die Bauwirtschaft operativ nutzbar gemacht werden. Vor allem Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) soll damit ein Zugang zu einheitlichen und standardisierten Kommunikationsformaten ermöglicht werden.

2) Auf Basis standardisierter Eigenschaften (BIM Properties) können Prozesse verbessert und Synergien nutzbar gemacht machen. Es soll verhindert werden, dass ein Gebäudemodell für verschiedene Anwendungsfälle wie Kostenkalkulation, Ablaufplanung, oder verschiedene Simulationen immer wieder neu erstellt werden muss. Vielmehr sollen Daten, die ins Modell eingetragen wurden, den Partnern in der digitalen Wertschöpfungskette zur Verfügung stehen.

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3) Transparenz und Kooperation: ein offener Zugang zu digitalem Planen, Bauen und Betreiben soll auch ein Umdenken in der Branche unterstützen: Kooperation und gemeinsames Arbeiten sollen durch die neue Technologie erleichtert werden und Vorteile im Arbeitsalltag bringen, was sich wiederum in Kostenersparnis und Qualitätssteigerung niederschlägt.

Kosten- und Ressourcen-Ersparnisse sind der Schlüssel für die Akzeptanz der Arbeiten:
Eine gemeinsame Sprache für die Bauwirtschaft kann nur schrittweise erstellt werden. Konkrete und im Idealfall aufeinander aufbauende Anwendungsfälle bilden den roten Faden. Den Beginn der Arbeiten stellen zwei Anwendungsfälle dar, die essentieller Bestandteil jedes Projektes sind: Kostenkalkulation und der Übergang von generischen Planungsangaben in konkrete Bauprodukte.

  • Anton Rieder
    "Die Bauwirtschaft ist sehr kleinteilig, noch dazu gibt es bei jedem Projekt neue Player – das sind an sich superschlechte Voraussetzungen und daher sind funktionierende Standards so wichtig - und nicht nur Schnittstellen."

    Anton Rieder, Bundesinnung Bau, Riederbau

"Little happy BIM" - Standards sind für Großteil der Branche und vor allem für KMU essenziell

Für die Bundesinnung Bau stellte der Tiroler Bauunternehmer, Landesinnungsmeister und Bundesinnungsmeister-Stellvertreter Anton Rieder aus der langjährigen BIM-Erfahrung in seinem eigenen Betrieb klar: "Für kleine Unternehmen sind funktionierende Standards sehr wichtig, denn sie können nichts eigenes entwickeln und haben meistens nur einen Teil der Wertschöpfungskette in Bearbeitung." Gleichzeitig relativierte er ("Das ist alles unheimlich wichtig, aber nur ein Stück vom großen Kuchen, damit BIM-Prozesse einen relevanten Part einnehmen") und forderte: "Wir brauchen dringend: qualifiziertes Personal, Vereinheitlichung von Bemessungsgrößen, höhere Durchdringung von seit Jahrzehnten bestehenden Standards, Umstellung der Mengenberechnung auf Nettomengen, einheitliche Modellierstandards und höchste Modellierqualität beginnend bei Geometrie, digitale Baueinreichung, Einbeziehung der Ausführenden in frühe Planungsstadien, neue Zusammenarbeitsmodelle und feste Zusammenarbeitsmodelle weg vom reinen Projektgedanken."

Kritisch zum letzten Punkt äußerte sich Architektenvertreter Thomas Hoppe, der bei den Betriebsgrößen von 90 Prozent der Architektenbüros (zwischen 2 und 8 Personen) keine Chance auf Fixteams sieht.

  • Thomas Hoppe
    „Wir wollen nicht gegen die Eisenbahn sein und für uns Ziviltechniker auch Geschäftsfelder erschließen“

    Thomas Hoppe, Vorsitzender des Resort Digitalisierung der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen, Hoppe ZT

Die Architekten und Ziviltechniker hätten ja lange als BIM-Bremser gegolten, doch da habe sich etwas verändert, sagte Hoppe. "Standards sind nötig gerade für Kleine, damit man darauf aufsetzen kann. Wir wollen hier ein absolut notwendiges, sinnvolles Minimum definieren, wenn man so will ein „Little happy BIM“. Wir wollen nicht gegen die Eisenbahn sein und auch Geschäftsfelder erschließen.“

Die Arbeit wäre zwar extrem trocken, aber "das Ergebnis sehr sehr wichtig", schließlich seien Properties eine Chance und Möglichkeit für die Zukunft, wenn man an Kreislaufwirtschaft etc. denkt.

Baustoffindustrie: überraschende Kooperationsbereitschaft

Eine entscheidende Rolle bei der Durchgängigkeit der Digitalisierung am Bau spielt die Baustoffindustrie. Hier wären, so Michael Allesch (Saint Gobain) für den Forschungsverband der Österreichischen Bauindustrie, innerhalb der einzelnen Firmen in den Werken schon lange viele Digitalisierungsschritte geleistet worden, aber eben von jedem für sich.

Man wäre auch in das Thema BIM mit großer Begeisterung hineingegangen, hätte eigene PlugIns, Parameter etc. geschaffen – "allerdings hat sich gezeigt, dass auf den Baustellen dann wenig Begeisterung herrschte, weil alles eben sehr herstellerspezifisch war." Die Conclusio: "Es geht nur mit einem gemeinsamem Satz an Parametern."

  • Otto Handle
    "Was die Baustoffindustrie eingebracht hat, hat großen Wert. Wir sehen heute sehr intensive und fast konfliktfreie Zusammenarbeit der Markenhersteller. Die Normierung von Datenstrukturen ist wesentlich für belastbare Informationen an jeder Stelle des Lebenszyklus. Diese Projekte machen aus reinen Daten verwertbare Informationen.“

    Otto Handle, Forschungsgruppe freeBIM, Mitglied des Ö-Normen Ausschuss; Inndata

Große Hebel Internationalisierung und Zwang durch Taxonomie

Die Baustoffhersteller, so Datenspezialist und Baumeister Otto Handle, der an vielen der über 30 Ausschutzsitzungen im "BIM Parameter für Baustoffe"-Projekt teilgenommen hat, seien durch die Tatsache, dass viele von Ihnen Teile internationaler Konzerne seien, zur Internationalisierung mehr oder weniger gezwungen, was dem Projekt aber extrem zugute käme: "Die nationale Normung ist ja fast eine Nonaned-Position. Es geht viel weiter – große Industrieanbieter brauchen Information, die weit über Österreich hinausgeht.“

Hier brach Handle eine Lanze für den ASI-Merkmalserver ("inhaltlich super, technisch etwas schwächelnd") als hervorragenden Zugang zur grenzüberschreitenden Standardisierung.

Im Projekt selber sei man, so die übereinstimmende Aussage, durchaus zufrieden. Etwa ein Drittel sei durch, die LG 07 Stahlbetonarbeiten bereits in der Normung, ab jetzt "sollte es schneller gehen, weil sich die Prozesse eingespielt haben" (Gerhard Zucker, AIT). Auch mit den Softwareherstellern würde es "nach ein paar Iterationen" funktionieren.

Wie kommt das alles in den Markt?

Wie immer ergab sich an dieser Stelle eine Diskussion, wie diese umfangreichen Bemühungen in den Markt kommen und damit fruchtbar werden könnten.

  • Gunther Graupner
    "Für den Markt brauchen wir Vorzeigeprojekte, in denen man sehen kann, dass es funktioniert und wie es funktioniert."

    Gunther Graupner, Zukunftsagentur Bau

Während ZAB-Geschäftsführer Gunther Graupner zur Marktdurchdringung auf Pilot- und Vorzeigeprojekte setzt, wird Otto Handle grundsätzlicher: „Man kommt mit Dingen in den Markt, wenn man etwas bequemer und einfacher macht. - Aber es wird den Zwang dazu geben mit Taxonomie, Bauproduktverordnung, spätestens mit der OIB-Richtlinie 7.“

SOLID Talk: "So steht es um die Digitalisierung der österreichischen Baubranche" mit Digital Findet Stadt-Geschäftsführer Steffen Robbi

Und Ziviltechnikervertreter Hoppe assistiert: „Das wird so schnell kommen, dass wir uns die Tränen vor Geschwindigkeit aus den Augen wischen.“ Dann werde man schnell auf das eben erarbeitet Werdende zurückgreifen. „Wir sind gut beraten, uns darauf vorzubereiten.“ Grundsätzlich ortet er aber positive Stimmung. „Es gibt viele, die das gut finden, aber noch wenige, die es machen“

  • Steffen Robbi
    „Es braucht eine dauerhaftere Lösung, eine Grundfinanzierung aus der Politik statt der vielen kleinen Projekte, die um jede einzelne Finanzierung kämpfen müssen und sich aus privaten Geldern und Mitgliedschaften finanzieren“

    Steffen Robbi, Digital findet Stadt

Zum Abschluss fasste Digital findet Stadt-Geschäftsführer Steffen Robbi zusammen und skizzierte die großen Linien für die Zukunft: „Vollständigkeit wird ein großes Thema sein, aber die LBH (Leistungsbeschreibung Hochbau, Anm.) muss nur noch begutachtet werden."
Neben den vorgestellten Projekten gäbe es noch andere wichtige Themen wie Kreislaufwirtschaft ("Da wird inhaltlich sehr viel gearbeitet, aber man muss sehr vorsichtig sein, weil die vereinheitlichten Maßstäbe und der Stand der Technik fehlen"), einige Projekte in der Digitalen Baueinreichung ("auch hier ist viel Vorarbeit geleistet worden, aber es fehlen noch Definitionen zur technischen Umsetzbarkeit"), sowie die Themen Gebäudetechnik "da wird ein älteres TGA-Projekt der TU Graz aufbereitet und aufgegriffen werden") und Modellierstandards ("ein schwieriges Thema - ich weiß nicht, ob wir da Vereinheitlichung schaffen“).

Generell aber befinde man sich an einem Punkt, an dem es entscheidend wäre, den vielen Einzelprojekten einen gemeinsamen und gesicherten Schub zu verleihen, so Robbi: „Es braucht eine dauerhaftere Lösung, eine Grundfinanzierung aus der Politik statt der vielen kleinen Projekte, die um jede einzelne Finanzierung kämpfen müssen und sich aus privaten Geldern und Mitgliedschaften finanzieren." Thomas Hoppe: „Ich halte das für eine Staatspflicht.“

FACTSHEET BIM2KALK/ BIM-Properties für die österreichische Bauwirtschaft

Projektlaufzeit
BIM-Properties für die österreichische Bauwirtschaft 2021 Projektzeitraum April 2021 - Dezember 2021
BIM-Properties für die österreichische Bauwirtschaft 2022 Projektzeitraum März 2022 - Jänner 2023

Förderung

Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

Mitfinanzierung

Smart Construction Austria Bundesinnung Bau/ Zukunftsagentur Bau Bundeskammer der Ziviltechniker:innen Verband Österreichischer Ziegelwerke

Projektkoordination

Digital Findet Stadt

Wissenschaftliche Hauptpartner

AIT Austrian Institute of Technology Digital Findet Stadt

Unterstützung

buildingSMART Austriaib-data GmbH
Eine Vielzahl an Expert:innen aus Planung und Ausführung

FACTSHEET BIM PARAMETER für BAUSTOFFE

Projektlaufzeit
Sept 2021 -Februar 2023 – verlängert bis August 2023

Förderung

FFG, Basisprogramm - Collective Research

Finanzierung

Bundesinnung Bau
Forschungsverband der österreichischen Baustoffindustrie (F.B.I.) Zentralverband Industrieller Bauprodukte-Hersteller (ZIB)

Projektkoordination

ZAB Zukunftsagentur BAU (im Auftrag der Bundesinnung BAU)

wissenschaftliche Partner

AIT Austrian Institute of Technology GmbH (AIT)
Digital Findet Stadt GmbH (DFS)

Unternehmenspartner

inndata Datentechnik GmbH (inndata)

Unterstützung

Forschungsverband der österreichischen Baustoffindustrie (F.B.I.) Österreichisches Baustoff-Ausbildungszentrum
Zentralverband Industrieller Bauprodukte-Hersteller (ZIB) verschiedenste Bauprodukte-Herstellerfirmen