Baustoffe : Wie Holz als durchsichtiger Wärmespeicher die Bauwirtschaft erobern wird

Was würde durchsichtiges Holz in der Architektur bedeuten? Mehr natürliches Licht und neue Ansätze im Design? Aktuelle Forschungsergebnisse aus Schweden gehen weit über ästhetische Parameter hinaus und präsentieren Holz nicht nur als transparenten Baustoff, sondern auch Wärmespeicher.

2016 hat das KTH Royal Institute of Technology in Stockholm bereits einen Durchbruch geschafft. Damals verkündete ein Forschungsteam von der Technischen Hochschule, einen Prozess gefunden zu haben, durch den Holz durchsichtig wird. Doch seither hat sich viel getan.

Wie wird Holz durchsichtig?

Um Holz transparent zu machen, müssen die Materialien entfernt werden, die Licht brechen, was in diesem Fall das Lignin ist. Lignin ist ein Biopolymer in den Zellwänden und bewirkt die Verholzung von Pflanzen.

Sobald das Lignin entfernt ist, sieht das Holz weiß aus, da das Licht an den Zellwänden der Fasern gestreut wird. Sobald die Zwischenräume mit Acrylharz – einem Kunststoff, der auch bei Acrylglas etwa angewendet wird – gefüllt werden, wird der älteste Baustoff der Welt geradezu durchsichtig. Denn Acrylharz hat den gleichen Brechungsgrad wie das Lignin-freie Holz.

Durch PEG zum Energie-Wunder

In den letzten paar Jahren ging das Forscherteam rund um Lars Berglund am KTH aber noch einen Schritt weiter und tränkte das bearbeitete Holz in Polyethylenglykol, kurz PEG. Das Resultat: Das Holz nimmt Wärme auf, speichert sie und gibt sie unter bestimmten Umständen wieder ab. Kein Wunder, dass das Team bei solchen Eigenschaften an einen Einsatz im Bau dachte – auch, wenn dieser Gedanke nicht von Beginn an im Vordergrund stand. „Wir wollten die Holzforschung vorantreiben, der Energieaspekt kam erst später dazu“, erzählt die Forscherin Céline Montanari, Teil des Teams, im Interview mit solid.

https://youtu.be/cIQyvP7W2ek

PEG ist ein Kunststoff, der bei 27 Grad schmilzt und im flüssigen Zustand Wärme aufnimmt. Sinkt die Temperatur wieder, erstarrt das Material und gibt dadurch die Wärme ab. Würden also etwa Fenster aus dem behandelten durchsichtigen Holz gemacht, könnten sie Temperaturschwankungen im Gebäudeinneren abfedern. Sobald es über 27 Grad hat, würde das Fenster-Holz die Wärme aufnehmen, bevor sie ins Innere dringt; sinkt die Temperatur, würde es die Wärme wieder abgeben, auch nach innen. Sowohl Klimageräte als auch Heizungen müssten weniger zum Einsatz kommen. Besonders Passivhäuser könnten von dieser Innovation also profitieren.

Milch-Holz

Nur weil das Holz anstelle von Fensterglas eingesetzt werden könnte, heißt das aber nicht, dass es auch genauso durchsichtig und zerbrechlich ist wie Fensterglas. Die Forscher bezeichnen das Material sogar als wesentlich stabiler als echtes Glas. Außerdem erinnert es eher an Milchglas – was nicht unbedingt ein Nachteil sein muss, wie Montanari überzeugt ist. „So kommt zwar mehr natürliches Licht in den Raum, gleichzeitig wird aber die Privatsphäre geschützt.“ Und der reduzierte Einsatz künstlichen Lichts ist ein weiterer positiver Energieaspekt.

Die Idee, Holz durchsichtig zu machen, ist schon etwas älter als der schwedische Versuch. Bereits in den frühen 1990ern machte sich der deutsche Forstbotaniker Siegfried Fink von der Uni Freiburg daran und hatte Erfolg – allerdings ging es ihm rein darum, dicke Holzproben unter dem Mikroskop untersuchen zu können. „Dann passierte lange nichts, bis wir kamen“, sagt Montanari. Das schwedische Team hatte den Einfall, durchsichtiges Holz für den Bau zu schaffen. Und die Herangehensweise sei eine ganz andere als die Finks, so die Forscherin.

Das Team stellte seinen ersten Birkenholz-Prototyp kürzlich auf dem Frühjahrstreffen der American Chemical Society in Orlando vor. Auch wenn kein Widerspruch von den Kollegen in den USA kam, sieht Montanari einen klaren Unterschied zwischen Amerika und Europa: „Wir sind in Europa bei dem Thema schon recht weit und ich sehe den künftigen Einsatz auch eher hier – besonders in Schweden.“ Denn das nordische Land hat große Baumvorkommen und die Holzindustrie wäre sicher interessiert daran, den Einsatz vermehrt im Bau zu sehen, meint die Forscherin.

Partner und Probleme

Ein industrieller Partner hat sich auch bereits gefunden. Das Stockholmer Unternehmen Cellutech hat sich auf Materialentwicklungen auf Holzbasis spezialisiert und beschäftigt sich derzeit mit der Vergrößerung des noch sehr kleinen Prototyps des Forscherteams.

Montanari ist wohl optimistisch, dass das auch gelingen wird – denn in etwa zehn Jahren kann sie sich den Einsatz ihrer Erfindung in Bauwerken vorstellen. Designer würden sich jetzt bereits interessiert zeigen, obwohl der neue Baustoff derzeit noch so klein wie eine Briefmarke ist.

Dieses Problem erscheint aber umwelttechnisch im wahrsten Sinne des Wortes klein, wenn ein anderer Aspekt beleuchtet wird – der Gebäudekreislauf. Denn Acrylharz ist im Gegensatz zu normalem Holz und PEG nicht biologisch abbaubar. Die Forscher suchen derzeit nach Alternativen. Denn davon abgesehen hätte die Entwicklung großes Potential im umweltfreundlichen Bau. „Es ist wichtig, im Bau vermehrt auf energieschonende Materialien zu setzen“, sagt Montanari. Die Hoffnung lebt für durchsichtiges Holz, größer als Briefmarken und biologisch abbaubar.

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