Unternehmensgeschichte : Wacker geschlagen
Auf Selbstdarstellung legt Johann Neunteufel keinen großen Wert. Über sein Privatleben finden sich nur wenige Notizen in den oberösterreichischen Regionalmedien. Selbst auf den Wirtschaftsseiten kommt sein Name eher selten vor. Das nennt man Understatement, denn der Oberösterreicher hat in seinem Leben Einiges auf die Beine gestellt. Neunteufel ist heute Aufsichtsratsvorsitzender bei Wacker Neuson und hält über eine seiner Firmen knapp 30 Prozent der Aktien des Baugeräteherstellers. Zu seinem Imperium gehören auch andere Unternehmen wie etwa der Solarkollektorerzeuger SunWin oder ein Hersteller von Ölfeldschiebern.
Ob Neunteufel an diesen Erfolg dachte, als er Anfang der 80er-Jahre zusammen mit seinem Voest-Kollegen Kurt Helletzgruber den Job beim Linzer Stahlkocher an den Nagel hängte und das Startunternehmen Neuson-Hydraulik gründete, ist nicht bekannt. Mit Baumaschinen hatte er jedenfalls vorerst nicht viel im Sinn. Dazu brachte ihn mehr oder weniger der Zufall: 1985 erhielt er von einem Kunden den Auftrag zum Bau eines Hydraulikbaggers. Neuson steckte viel Hirnschmalz in die Entwicklung. Und hatte vorerst Pech: als die Maschine fertig war, meldete der Besteller Insolvenz an.
Mit Hirn und Ausdauer
Überzeugt von seinem Gerät bewiesen Neunteufel und sein Partner Stehvermögen. Sie zeigten die Maschine auf der Bauma in München. Da wurde der Winzling auf Ketten allerdings mehr belächelt denn gekauft. Die beiden gaben trotzdem nicht auf und investierten in die Entwicklung und in den Ausbau des Vertriebsnetzes. Das lohnte sich: Anfang der 90er-Jahre war das Unternehmen bereits potent genug um mit einem traditionellen Hersteller allradgetriebener Maschinen - den Kramer-Werken - zu fusionieren. Neuson übernahm das Ruder. Jahre später hatten die ehemaligen Eigentümer nur noch eine Minderheitsbeteiligung.
Ende der 90er-Jahre schluckte Neuson im Zuge einer Fusion den heimischen Baumaschinenhersteller Ebbs & Radinger, erwarb die Böhler Pneumatik International und einen Dumperhersteller in Großbritannien. Die Brocken wurden gut verdaut: Neuson-Kramer entwickelte sich zu einem angesehenen Anbieter am europäischen Markt und wuchs kräftig. Relativ klein blieb einzig die Produktion in Oberösterreich. Neunteufel ließ die meisten Komponenten seiner Maschinen von Subunternehmen fertigen und beschränkte sich vorwiegend aufs Assembling.
2004 trennte sich Neunteufel von seinem Partner Helletzgruber. Unterschiedliche Meinungen über eine Expansion in die USA waren der Grund. Helletzgruber konzentrierte sich fortan auf seine HTI High Tech Industries AG. Bald darauf kam Wacker ins Spiel, ebenfalls ein inhabergeführtes Unternehmen, das Baugeräte herstellte, aber mit einer ganz anderen Tradition. Die Wacker-Geschichte reicht bis ins Revolutionsjahr 1848 zurück. Damals gründete Johann Christian Wacker eine Schmiedewerkstatt. In den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts stellte der Urenkel mit einem revolutionären Elektro-Stampfer das erste Baugerät her.
Innovationsgeist
Die Brüder Peter und Hermann Wacker erweiterten die Produktbreite und das Produktionsprogramm. Zudem trieben sie den Aufbau einer in- und ausländischen Vertriebs- und Handelsorganisation voran. Nach dem Krieg bauten sie in Bayern ihr Unternehmen neu auf. Technische Innovationen und eine weltweites Vertriebnetz ließen Wacker wachsen. 2005 übernahm man die Weidemann-Gruppe, einen deutschen Hersteller kleiner und mittlerer Radlader. Diese Produkte hätten eigentlich auch das Neuson-Kramer-Angebot perfekt ergänzt.
Vielleicht dachte man das bei beiden Unternehmen. In der Zeit danach traf sich Johann Neunteufel jedenfalls immer häufiger mit Ulrich Wacker und Georg Sick. Die Übereinstimmungen waren offensichtlich groß: Im September 2007 wurde der Vertrag über den Zusammenschluss von Wacker und Neuson unterzeichnet. Noch bevor die Fusion formal vollzogen war, ging Wacker an die Börse. Es kam Geld in die Kassa: Die Aktie war 20fach überzeichnet, der erste Kurs von 24,70 übertraf den Ausgabepreis um 12 Prozent. Hans Neunteufel übernahm den Vorsitz im Aufsichtsrat. Stellvertreter wurde Ulrich Wacker, dessen Familie 29,07 Prozent der Aktien hält. Neunteufels ehemaliger Neuson-Partner Kurt Helletzgruber zog ebenfalls in den Vorstand ein.
Neue Märkte
Die Fusion war clever: Für Neuson bot sie die Möglichkeit, über das weltweite Vertriebsnetz von Wacker vor allem in Übersee neue Märkte zu erschließen. Wacker wiederum konnte sein riesiges Programm an Baugeräten mit einem kompletten Angebot kompakter Baumaschinen ergänzen.
Bergab ging’s von da an - marktbedingt - mit dem Aktienkurs. Nach einem Tiefstwert von weniger als fünf Euro im Oktober des Vorjahres lag der Kurs Ende August bei rund acht Euro. Vermutlich noch immer ein Schnäppchen. Zwar ging die derzeitige Marktsituation an Neuson nicht spurlos vorüber. Nach einem Verlust von 16,6 Mio. Euro im ersten Quartal konnte im zweiten Quartal 2009 bei einem Umsatz von 156,5 Mio. Euro einen bescheidener Gewinn von 1,4 Mio. Euro erzielt werden. Die Finanzlage kann sich aber trotzdem sehen lassen: Die Eigenkapitalquote stieg auf 78,9 Prozent und der operative Cashflow war deutlich positiv. Und von solchen Zahlen träumen in Zeiten wie diesen viele andere Unternehmen. (Wolfgang Pozsogar)