TOP-INNOVATION : Tunnel mit Ohren, Autobahn mit Röntgenaugen
Unfälle gänzlich zu verhindern, ist mit den zurzeit vorhandenen technischen Hilfsmitteln zwar noch nicht möglich. Das Risiko zu minimieren und damit brenzlige Situationen zu vermeiden, aber sehr wohl – im Fall des Thermoscanners im wahrsten Sinne des Wortes. Seit Mitte Mai 2012 setzt die ASFINAG diese Technologie vor dem Karawankentunnel ein, um überhitzte Lkw rechtzeitig vor dem Tunnel für eine „Abkühlungsphase“ auszuleiten und das Risiko eines Fahrzeugbrandes im Tunnel zu reduzieren.
Dabei werden Lkw und Busse über 7,5 t vor der Mautstelle auf einer eigenen Spur durch die aus fünf Laserscannern, zwei Videokameras und zwei Infrarotkameras bestehende Anlage geführt. Die Kameras fertigen aus den Bilddaten ein 3-D-Modell des Fahrzeugs, die Scanner messen die kritischen Bereiche wie Reifen, Radlager, Bremsen, Fahrerkabine, Ladefläche und Auspuffanlage. Bei Überschreiten der Referenzwerte wird der Lkw bzw. wird der Bus automatisch zu einem Parkplatz geführt und erst nach einer bestimmten Abkühlphase erneut durch die Anlage geschleust. Die Anlage ist in dieser Dimension in Europa bislang einzigartig – und erfolgreich: Im Schnitt werden pro Monat etwa 60 Fahrzeuge erst nach einer Abkühlungsphase durch den Karawankentunnel gelassen.
Ist aber bereits einmal etwas passiert, dann spielt Zeit eine wesentliche Rolle. Und da geht es um wenige Minuten, die über Leben oder Tod entscheiden können. Aus diesem Grund hat die ASFINAG bereits vor mehr als zwei Jahren gemeinsam mit der Forschungsgesellschaft Joanneum Research das Projekt „akustisches Tunnelmonitoring“ gestartet. Der Kirchdorftunnel auf der S 35 zwischen Graz und Bruck wurde in Folge mit Spezialmikrofonen ausgestattet, die jedes Geräusch im Tunnel aufnehmen. Eine Software analysiert die Geräusche und unterteilt sie in „normale“ oder auffällige Geräusche wie etwa splitterndes Glas. Letzteres löst Alarm aus, die Mitarbeiter in der Überwachungszentrale können umgehend per Video die Situation kontrollieren. Bis zu zwei Minuten schneller können auf diese Weise Unfälle oder Pannen im Tunnel entdeckt werden. Das System ist mittlerweile serienreif und soll in den kommenden Jahren auf andere Tunnelanlagen ausgeweitet werden.
Die ASFINAG plant, finanziert, baut, erhält, betreibt und bemautet das gesamte österreichische Autobahnen- und Schnellstraßennetz mit einer Streckenlänge von 2.175 km. Davon entfallen 340 Fahrtrichtungskilometer auf Tunnel und weitere 340 auf Brücken. Die ASFINAG wurde 1982 gegründet und ist eine Gesellschaft des Bundes. Seit 1997 hat sie das Fruchtgenussrecht an den im Eigentum des Bundes stehenden Grundstücken und Anlagen des hochrangigen Bundesstraßennetzes und ist berechtigt, Mauten bzw. Benützungsgebühren einzuheben. Die ASFINAG erhält kein Geld aus dem Staatsbudget.
Innovative Lösungen auf Basis von Forschung und Entwicklung leisten einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung des Ziels der ASFINAG, in den Bereichen Streckenverfügbarkeit, Information und Sicherheit zu den führenden Straßenbetreibern Europas zu zählen. Ebenso sollen die F&E-Aktivitäten die Vernetzung mit anderen Verkehrsträgern unterstützen. Dabei gilt es, Forschung & Entwicklung bereits frühzeitig an die Bedürfnisse der späteren Nutzer auszurichten, um sowohl technisch innovative als auch wirtschaftlich vertretbare Lösungen zu erzielen.
„Griffigkeit von Betondecken im Tunnel“: Bei Betondecken in Tunnelanlagen wurde festgestellt, dass häufig Griffigkeitsmängel bestehen. Auch bei der Herstellung der Betondecke von Freiland- und Tunnelabschnitten in ein und demselben Arbeitsgang lässt sich innerhalb von 2 bis 3 Jahren ein deutlicher Unterschied in der Griffigkeit messen. Detaillierte tribologische Oberflächenuntersuchungen haben als Ursachen Reste von Betonnachbehandlungsmitteln, Reifenabrieb und Kohlenwasserstoffmoleküle aus Emissionen des Straßenverkehrs ergeben. Diese haften gemeinsam an der Straßenoberfläche und können aufgrund des im Tunnel fehlenden UV-Lichts nicht abgebaut werden. In der nächsten Projektphase wird nun an wirksamen und umweltschonenden Reinigungsmethoden für die Fahrbahn geforscht.
„Helle, brandbeständige Tunnelwände“: Im Rahmen diess F&E-Projektes wurde ein heller und zusätzlich brandbeständiger SCC-Beton entwickelt, der auch ohne Tunnelanstrich alle Anforderungen an die Beständigkeit (XC4, XF4), Reinigungsfähigkeit und Helligkeit erfüllt. Damit wurde das bereits umgesetzte Pilotprojekt „Helle Innenschale S 6 – Massenbergtunnel“ mit der neuen Rezeptur um die Erfüllung der Brandschutzanforderung erweitert.