Interview mit Anton Reithner : "Türkei ist Drehscheibe für die Baubranche"

SOLID: Herr Anton Reithner, Ardex versuchte schon zwei Mal in der Türkei Fuß zu fassen. Ihr neues Werk in Tuzla ist in Rekordzeit errichtet worden. Warum haben Sie es jetzt so eilig?

Anton Reithner: Dem ersten Versuch zur Jahrtausendwende folgte ganz rasch die Krise und wir zogen uns schnell zurück. Die Türkei verlangte türkische Standardzertifikate von uns, doch wir arbeiten weltweit mit unseren einheiltichen Standards. Sieben Jahre später ist es uns nicht gelungen eine Firma zu übernehmen. Jetzt gehen wir ohne Partner in das Land und nutzen Netzwerke, die wir uns aufgebaut haben. Die Fabrik in Tuzla ist eröffnet und es ist exakt der richtige Zeitpunkt.

Warum ist Ihnen gerade die Türkei so wichtig?

Reithner: Das hat mehrere Gründe. Einer ist: die Türkei ist ein riesiger Markt mit 70 Millionen Einwohnern, einem Bruttoinlandsprodukt von rund 600 Milliarden Euro und einer prognostizierten Wirtschaftswachstumsrate in den nächsten Jahren. Das ist ein guter Boden. Ein weiterer wichtiger Grund ist, dass die Türkei eine interessante Drehscheibe in der Baubranche ist. Die Türkei öffnet die Türe nach Russland. In Moskau haben türkische Baufirmen bereits heute einen hervorragenden Ruf. Und zu guter letzt ist der Produktionsstandort am Marmarameer das Sprungbrett zu den arabischen Märkten und Nordafrika.

Wie viel haben Sie in der Türkei investiert und welche Umsätze erhoffen Sie sich in der Türkei?

Reithner: Das Investment hat uns drei Millionen Euro gekostet. Allerdings gehört uns die Immobilie nicht, sondern wir leasen sie. Die Produktionsgröße ist nämlich eine heikle Sache. Ist die Produktion zu groß, sind wir bald im Kostenkorsett gefangen; ist sie zu klein erreicht sie schnell ihre Grenzen und muss erweiterbar sein. Für mich ist die Sache diesmal sehr spannend. Wir starten von Istanbul aus, wollen von da aus nach Ankara gehen und versorgen die Küstenregion. Ich habe selten einen Landstrich wie diesen gesehen, dessen Küste mit 5-Stern-Hotels so dicht übersät ist. Da wollen wir im Sanierungsmarkt aber auch im Neubau kräftig mitmischen. Wir haben bereits gute Referenzen mit Hotels, Shopping-Centern und Ketten.

In der Türkei sind aber ihre Marktbegleiter Murexin und PCI schon vor Ihnen eingetreten.

Reithner: Andere Unternehmen haben teilweise türkische Firmen übernommen und arbeiten unter deren heimischen Namen, die wiederum regionale Marken sind. Wir wollen aber mit unserem Namen und unserer Marke in das Land.

Nochmals konkreter bitte: Welche Umsätze erwarten Sie sich in der Türkei?

Reithner: Wir geben keine Zahlen bekannt, aber eines kann ich sagen. In fünf Jahren soll sich das Werk amortisieren. Wobei mitzubedenken ist, dass wir uns ja nicht nur hinstellen. Wir bereiten den Markt auf, informieren und bilden aus.

Ein türkischer Mitarbeiter kostet auch nur ein Drittel eines österreichischen. War das der ausschlaggebende Grund?

Reithner: Das Lohnniveau in der Türkei beträgt grob geschätzt ein Drittel von Österreich. Das stimmt nur zum Teil. Auf guten Niveau kostet die Arbeitskraft dort fast soviel wie in Österreich. Doch wichtiger ist: Die türkische Wirtschaft wuchs im letzten Jahr um acht Prozent. Für heuer werden über fünf Prozent erwartet, wobei die Bauwirtschaft im ersten Quartal sogar um überdurchschnittliche acht Prozent gewachsen ist.

Wäre es in Ihrem Sinn, dass die Türkei bald der Europäischen Union beitritt?

Reithner: Das will ich nicht beurteilen. Für uns aus jetziger Sicht würde ein Beitritt nicht viel verändern. Wir bauen das Geschäft genauso auf wie wir es etwa schon in Australien und Neuseeland taten - auf einem Markt mit guten Kennziffern. Politische Stabilität ist wichtiger als ein Beitritt zur EU.