Werkstoff : Textilbeton – günstige Zukunftslösung oder teure Maßanfertigung?

Die Brücke über die Bundesstraße 463 in Baden-Württemberg sieht wie eine ganz normale Brücke aus. Doch sie ist etwas besonderes. Mit 97 Metern ist sie die bisher längste Brücke aus Textilbeton. Der Verbundwerkstoff aus Leichtbeton und technischen Textilien – zumeist Carbonfasern – ist für viele in der Baustoffbranche das Material der Zukunft. Denn es führt zu geringerem Baustoffbedarf.

Erzielt wird das durch die Schlankheit der Bauteile aus Textilbeton, der Verbindung von Beton und technischen Textilien. Sie haben nämlich trotz niedrigen Eigengewichts eine sehr hohe Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit. Klingt also eigentlich nach der perfekten Kombi, oder?

Gegenüber diesen eindeutigen Vorzügen weist Textilbeton aber natürlich auch ein paar Nachteile auf.

Am Ende des Zyklus

Zum einen ist da das Kreuz mit dem Recycling. Zwar ist der Baustoff in weiten Teilen besonders umweltfreundlich, am Ende des Lebenszyklus sieht es aber – wie bei Carbonteilen eben leider üblich – schlecht aus. Textilbeton verbraucht weniger Ressourcen und führt zu weniger Emissionen in der Erzeugung, jedoch müssten für ein hochwertiges Recycling Beton und Fasern voneinander getrennt werden – ähnlich dem Vorgehen bei Stahlbeton. Bei letzterem gestaltet sich der Prozess allerdings leichter und es gibt auch bereits mehr Langzeiterfahrungen zur Wiederverwendbarkeit der einzelnen Bestandteile als es bei Textilbeton der Fall ist.

Günstig oder teuer?

Als weiterer Nachteil kann der Preis betrachtet werden. Hier ist die Rechnung aber noch recht schwierig aufzustellen, da Textilbeton noch nicht auf dem normalen Markt erhältlich ist. Die Einzelteile werden noch nach den individuellen Bauanforderungen hergestellt und sind damit verhältnismäßig noch recht teuer. Allerdings ist eine logische Annahme, dass diese anfänglichen Mehrkosten sich schnell rentieren werden. Denn wird bei einem Gebäude auf Textilbeton statt auf Stahlbeton gesetzt, sinkt der allgemeine Baustoffbedarf, was wiederum mehr Innenraum für den Bau bedeutet. Die deutsche Website Kostencheck hat hierzu eine anschauliche Rechnung erstellt:

Wenn die Fassade eines Gewerbebaus von 40 m x 15 m aus Faserbeton errichtet wird, kann ein Innenraumgewinn von 7 Zentimeter pro Meter im Vergleich zur Verwendung von Stahlbeton angenommen werden. Das wäre auf einen gesamten Innenraumgewinn von 30 m² hochzurechnen, was bei einer Miete von 15 Euro pro Quadratmeter einen zusätzlichen Mietertrag von 5.400 Euro jährlich ergibt.

Die eigentliche Kostenersparnis bei einem eindimensional betrachtet höheren Preis von Textilbeton gegenüber Stahlbeton kann auch schon zu einem viel früheren Zeitpunkt erkannt werden. Wird für ein und dasselbe Bauziel Textilbeton eingesetzt, folglich also aufgrund der Schlankheit der Einzelteile weniger Baumaterial benötigt, wird Arbeitsaufwand bei der Erzeugung, bei Transport sowie beim Einbau eingespart.

Dreidimensional schlank

Wie viel sich allerdings wirklich auf den Baustellen dank Textilbeton an Kosten und Zeit einsparen lässt, wird die Zukunft zeigen. Schließlich hat sich der leichte Baustoff zwar bei Fassadenplatten und auch teilweise im Brückenbau bewiesen, ist aber eben noch mehr Maßanfertigung denn Massenprodukt. Der seit Mitte der 1990er entwickelte Verbundwerkstoff hat etwa in Deutschland erst seit 2014 die bauaufsichtliche Zulassung und die auch nur für nichttragende Teile.

Aufgrund seiner vielen positiven Eigenschaften will das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung aber innerhalb eines eigenen Projekts alle Voraussetzungen schaffen, dass Textilbeton bis 2030 zu mindestens 20 Prozent den Stahlbeton in Neubauten ersetzt.

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